Roger Federer gibt am Montag in Doha sein Comeback. Nach der längsten Zwangspause seiner Karriere. Soll man hoffen, zweifeln, orakeln? Es gibt nur eine Antwort.
403 Tage ist es am Montag her, seit Roger Federer letztmals einen Ernstkampf vor Zuschauern bestritt. Er verliess in Melbourne die Rod Laver trotz deutlicher Halbfinal-Niederlage gegen Dominator Novak Djokovic wie immer unter tosendem Applaus. Am 7. Februar 2020 begeisterte er die Fans in Kapstadt beim «Match in Africa» zum vorerst letzten Mal. Wer hätte damals gedacht, dass dies sein letzter Applaus für eine so lange Zeit sein wird? Ich nicht.
Eine Zeit, die Federer nutzte, um sein lädiertes Knie zu operieren, einmal freiwillig im Februar und ein weiteres Mal gezwungenermassen im Juni. Eine Zeit, die ein Fan wie ich wiederum nutzte, um selber wieder Tennis zu spielen, zumindest, soweit es die Corona-Krise zuliess. Dazu konnte ich mich mit nach meinem Idol benannten Turnschuhen und neuen RF-Hüten zudecken – zugegebenermassen ein nicht mal so schwacher Trost.
Und trotzdem erfüllte es mich immer mehr mit Wehmut, wenn ich auf dem Sandplatz, beim Öffnen des Schuhkartons oder beim Hütchenbestellen daran dachte, dass jetzt die längste Federer-freie Zeit ist, seit ich seine überirdische Karriere verfolge. Es kam sogar hin und wieder der Gedanke auf, dass dieses Spiel in Melbourne durchaus sein letztes gewesen sein könnte – ein Albtraum eines Gedanken.
Nur noch geniessen
Und nun hat das Warten – «Holz ahlänge» – also ein Ende. Unser Tennisgott will sich ein weiteres Mal in seiner beispiellosen Karriere in die Weltspitze zurückkämpfen. «Noch einmal grosse Siege feiern» ist sein erklärtes Ziel. Ob dies gelingen wird, ist äusserst fraglich, auch wenn die Geschichte uns gelehrt hat, dass man King Roger niemals abschreiben darf.
Aber das Beste ist: Es ist mir egal. Es wird mir egal sein. Zumindest nehme ich mir das fest vor. Ich will mir gar keine verrückten Hoffnungen machen, dass er noch mehr Titel einheimst und wieder auf Rekordjagd geht. Ich habe mich nämlich felsenfest dafür entschieden, einfach nur noch jede Sekunde seines Spiels zu geniessen.
Die letzten Kapitel einer Karriere für die Ewigkeit
Seine unvergleichlich graziöse Beinarbeit, seine eleganten Schläge, seine verrückten Improvisationen, seine akribische Präzision in den Aufschlägen oder seine mentale Coolness in brenzligen Situationen. Jetzt ist geniessen angesagt. Die Kür. Sei es gegen einen unbekannten Nobody oder gegen die besten Spieler der Tour – ich werde mich über jeden Winner freuen, über jeden gespielten Ball, über jedes verschmitzte Lächeln nach einem gelungenen Punkt und über jedes Wort im Match-Interview, das unser Tennis-Opa der Welt noch schenken wird.
Jeder Federer-Fan sollte nun jedes einzelne seiner Spiele in Demut verfolgen. In Demut vor dem ziemlich sicher grössten Sportler, den die Schweiz je hervorgebracht hat. In Demut ein Zeitzeuge zu sein, worum uns viele in Zukunft beneiden werden. Wir müssen uns jetzt wirklich bewusst sein, dass dies die letzten Kapitel einer Karriere für die Ewigkeit sein werden. Wie man es damals bei Ali, Jordan, Gretzky oder jüngst Bolt getan hat. Denn jetzt kann wirklich jedes Match das letzte sein. Der Countdown läuft. Jetzt.