«Ich bin aufgeregt», sagt Roger Federer vor seiner Rückkehr auf die Tour. So dürfte es auch vielen seiner Anhänger gehen, wenn Sie in dieser Woche Zeitzeuge eines beispiellosen Comeback-Versuchs werden. Wir ordnen ein.
Gab es schon Vergleichbares im Tennis?
Nein. In der Geschichte des Tennissports hat noch kein Spieler in Federers Alter und auf diesem Niveau ein Comeback gegeben. Ohnehin sind grosse und erfolgreiche Comebacks, wie man sie vielleicht aus dem Boxsport, dem Basketball, Football oder Schwimmen kennt, im Tennis eher eine Seltenheit. Schweizer Fans erinnern sich wohl an die Rückkehr von Martina Hingis, die es nach drei Jahren Pause nochmals in drei Grand-Slam-Viertelfinals schaffte – da war sie aber noch keine 30 Jahre alt. Oder aber an Monica Seles, die drei Jahre nach der Messer-Attacke eines Irren ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte.
Federer spielt in erster Linie gegen seine eigene Comeback-Marke: 2017 kehrte er nach einer halbjährigen Verletzungspause auf die Tour zurück. Er war damals 35 Jahre alt und gewann in der Folge in Melbourne an den Australian Open und in Wimbledon ... und nochmals einen weiteren Major-Titel in Australien 2018. Es war sein 20. und bisher letzter grosser Triumph.
Worin unterscheidet sich das Comeback zu jenem von 2017?
Federers Abwesenheit zieht sich inzwischen über weit mehr als ein ganzes Jahr. Den letzten Ernstkampf bestritt er im Halbfinal der Australian Open 2020 gegen Novak Djokovic. Nach dem darauffolgenden «Match in Africa» folgte eine erste Knieoperation. Die Regeneration verlief nicht wie geplant, weshalb eine zweite Operation im Spätfrühling nötig wurde. Die Karriere stand auf der Kippe. Zeitgleich stoppte die Pandemie die Tour.
Vieles ist in diesem Jahr anders. Auch die Tatsache, dass Federer ohne den breiten Support der Fans im Stadion auskommen muss, wenngleich einige Zuschauer in Doha zugelassen sein werden. Tennis-Experte Heinz Günthardt sagt in einem Gespräch mit der NZZ: «Das grösste Problem nach einer solch langen Pause ist es, sich auf dem Platz richtig zu bewegen. Es geht um Zentimeter. Wenn man beim Schlag nur schon ein klein wenig weiter vom Ball entfernt ist, dann macht das einen grossen Unterschied: spielerisch, aber auch mental.»
Was sagt Federer?
Der Baselbieter hatte sich am Freitag vor dem Abflug von Dubai nach Doha in einer auf Instagram veröffentlichten Videobotschaft an seine Fans gewandt. «Ich bin sehr aufgeregt», so der 39-jährige Baselbieter darin. «Erstmals seit einem Jahr reise ich wieder an ein Turnier.» Nach der Landung gab Federer ein längeres virtuelles Q&A. Er wisse nicht genau, wo er stehe, sagt Federer darin und: «Es gibt noch viele Fragezeichen.»
Am Sonntag bestätigte Federer im Rahmen einer weiteren virtuellen Medienkonferenz Günthardts These: «Jetzt geht es erst einmal darum, besser, schneller und kräftiger zu werden», so der achtfache Rekordsieger des Rasenklassikers in Wimbledon. Es ist denn auch Federers grosses Ziel, erst im Sommer wieder richtig bereit zu sein. Das Turnier in Doha soll ihm grundsätzlich zunächst Anhaltspunkte geben, wo er in seiner akribisch geplanten Rückkehr steht. «Ich hoffe, in Wimbledon bei 100 Prozent zu sein, und dann geht die Saison richtig los für mich.»
Wie muss man das Comeback sporthistorisch einordnen?
Zweifelsfrei reiht sich Federer – ob sein Comeback nun von Erfolg gekrönt sein wird oder nicht – unter die Crème de la Crème der grössten Sportstars der Geschichte. Ali hat es gepackt, Woods hat geliefert. Phelps hat bei seiner Zusatzschlaufe fünfmal Olympia-Gold geholt. Basketball-Ikone Michael Jordan kündigte seine Rückkehr mit einem Fax und mit viel Pathos an («I'm back») – und holte weitere Titel mit den Chicago Bulls. Unbestritten spielt Federer in dieser Liga mit. Er kann nichts mehr verlieren, nur noch gewinnen – und sein ohnehin vorhandenes Denkmal für die Ewigkeit weiter zementieren.
Wann und wo tritt Federer an? Und wo kann ich das Spiel sehen?
Die Qatar ExxonMobil Open starten am Montag. Den detaillierten Spielplan finden Sie hier. Der an Nr. 2 gesetzte Federer profitiert wie etwa auch der Topgesetzte Dominic Thiem und Stan Wawrinka in der ersten Runde von einem Freilos. Danach geht es am Dienstag oder Mittwoch gegen den Sieger der Partie zwischen Jérémy Chardy und Daniel Evans. Die Kollegen von SRF zeigen alle Federer-Spiele an den Qatar Open live. Das Turnier in Doha hat Federer übrigens in seinen Dominanz-Jahren 2005 und 2006 gewonnen. Die Triplette im Wüstenstaat realisierte er 2011. Letztmals trat er 2012 in der katarischen Hauptstadt an – und musste vor dem Halbfinal gegen den späteren Turniersieger Jo-Wilfried Tsonga wegen Rückenproblemen Forfait erklären.
Funfact: In der Weltrangliste liegt Federer derzeit trotz seiner einjährigen Pause noch immer auf Platz 5, da aufgrund der Pandemie die Resultate der letzten zwei Jahre für das Ranking zählen. Am Montag wird er indessen hinter Stefanos Tsitsipas auf Rang 6 zurückfallen.
Damit Sie aber auch wirklich alles wissen: Mögliche weitere Gegner auf dem Weg in den Doha-Final könnten sein: Borna Coric und Denis Shapovalov. Stan Wawrinka spielt in der Tableau-Hälfte von Dominic Thiem und könnte damit erst im Endspiel auf seinen Schweizer Kollegen treffen.