Rein sportlich gesehen ist Roger Federer ein Profiteur der Coronakrise. Wegen seiner Operation hätte er bis im Sommer ohnehin nicht spielen können, nun verliert er nicht an Boden, weil die Weltrangliste eingefroren worden ist. Doch eine Sache wurmt die Federer-Fans trotzdem.
Für eine Verletzung oder eine Operation gibt es eigentlich keinen richtigen Zeitpunkt. Eigentlich. Mit seinem Entscheid, sich einer Operation am rechten Knie zu unterziehen, scheint Roger Federer im Februar aber alles richtig gemacht zu haben. Der Schweizer kündigte, noch bevor das Coronavirus die Schweiz erreicht hatte, an, dass er auf die Rasensaison hin zurückkehren wolle. Das wäre wohl Anfang Juni in Deutschland.
Gutes Timing. Denn bis dahin wird wohl nicht viel Tennis gespielt. Sämtliche Turniere bis zum 27. April wurden bereits abgesagt, wahrscheinlich wird sich die Saisonpause noch weiter ausdehnen. Womöglich steht der Tennissport auch dann noch still, wenn Federer bereit fürs Comeback wäre.
Gut für Federer: Die Weltrangliste wurde eingefroren. Federer bleibt auf Rang 4 sitzen, bis es wieder weitergeht. 2680 Punkte hätte der Maestro bis Anfang Juni eingebüsst, er wäre im Ranking wohl auf Platz 8 zurückgefallen.
Noch unklar ist allerdings, ob die ATP diese «toten» Wochen in ihre Statistik aufnimmt. Mit anderen Worten: Ob der aktuellen Weltnummer 1 Novak Djokovic diese Wochen an der Spitze angerechnet werden. Federer hält den Nummer-1-Rekord mit 310 Wochen. Er führt vor Pete Sampras (286) und eben diesem Djokovic, der mit 282 immer näher kommt.
Zählt die ATP trotz eingefrorener Weltrangliste weiter, würde der Serbe weiter Boden gut machen auf Federer. Mitte Oktober könnte es soweit sein: Djokovic könnte dem Schweizer den legendären Rekord abjagen. Falls der Sport dann noch immer stillsteht, müsste Djokovic für die neue Bestmarke noch nicht einmal ein Racket in die Finger nehmen.
Was passiert mit Wimbledon?
Federer würde das aber verkraften können. Viel mehr dürfte ihn aktuell beschäftigen, ob er überhaupt noch einmal an seinem Lieblingsturnier antreten kann. Bei Wimbledon, wo die Chancen auf einen 21. Grand-Slam-Titel am grössten sind. Auch das Turnier im All England Club steht in diesem Jahr auf der Kippe. Ob Wimbledon wie geplant am 29. Juni starten kann, soll nächste Woche bei einem Krisentreffen entschieden werden. Möglich wäre, dass Wimbledon den eigentlich für Olympia reservierten Platz einnimmt und das Turnier vorerst einige Wochen nach hinten verschiebt.
Möglich – und sehr wahrscheinlich – ist aber auch, dass auch der Tennisklassiker in London abgesagt wird. Dann würde sich die Frage stellen, ob Roger Federer seinen neunten Wimbledon-Titel überhaupt noch einmal in Angriff nehmen kann. Im nächsten Jahr würde er nämlich wenige Wochen vor seinem 40. Geburtstag stehen. Wer weiss, wie es dann um die Fitness und Motivation des Maestros stehen wird?
Allerdings ist kaum vorstellbar, dass Federer seine illustre Karriere auf diese Weise beenden wird. Ein Virus wird Federer bestimmt nicht davon abhalten, sich in Würde von seinen Fans in Wimbledon zu verabschieden. Eine Absage in diesem Jahr wäre eher ein zusätzlicher Ansporn, 2021 wieder dabei zu sein. Sonst wäre die dramatische Finalniederlage gegen Djokovic im Vorjahr, als er den Triumph nach zwei vergebenen Matchbällen verpasste, tatsächlich sein letzter Wimbledon-Auftritt gewesen. Das würde mal so gar nicht in die Geschichte des grossen Roger Federers passen.