Haben Trumps Drohungen gewirkt?Gaza-Deal steht – was ist erreicht, wie geht es weiter?
tcar
15.1.2025 - 21:50
15 Monate lang hat Israel im Gazastreifen gekämpft. Ab Sonntag sollen die Waffen schweigen. Was mit dem Abkommen erreicht ist – und wie es dazu kam.
DPA, tcar
15.01.2025, 21:50
dpa
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Zwischen Israel und der Hamas ist es zu einem Abkommen über eine Waffenruhe gekommen.
Die Vereinbarung steht auf recht wackeligen Füssen – schon allein, weil sich Israels Regierung und die Hamas gegenseitig geschworen haben, einander zu zerstören.
Der bevorstehende Machtwechsel in Washington dürfte ein Faktor für die Fortschritte in den Verhandlungen gewesen sein.
Monatelang liefen die Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars, durch indirekte Verhandlungen Israel und die Hamas zu einem Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu bewegen. Nun kam der Durchbruch. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Was bedeutet das Abkommen für Israel – und was für die Hamas?
Sollte die nun für sechs Wochen vereinbarte Waffenruhe auch ein längerfristiges Ende des Krieges einleiten, dürfte es trotzdem kaum eine Art von Gewinner geben. Weder hat Israel sein Kriegsziel erreicht, die Hamas vollständig zu zerstören, noch werden im Zuge dieses Abkommens alle Geiseln befreit.
Die islamistische Hamas wiederum, die sich als Widerstandsbewegung gegen Israel bezeichnet, hat ihre wichtigsten Anführer und auch weitgehend die Kontrolle in Gaza verloren. Die grössten Verlierer und Leidtragenden des Kriegs sind fraglos die Hunderttausenden betroffenen Zivilisten in Gaza sowie die Geiseln in der Gewalt der Hamas und deren Angehörige. Für sie alle bedeutet das Abkommen Hoffnung auf ein Ende des Leidens.
Aber auch die israelische Gesellschaft insgesamt ist durch das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel vom 7. Oktober 2023 und den längsten Krieg in der Geschichte des Staates gespalten und traumatisiert. Und die Hoffnung vieler Israelis, dass man die Palästinenser mit ihren Forderungen nach einem eigenen Staat einfach ignorieren kann, hat sich als trügerisch erwiesen.
Zudem hat das Ansehen Israels in vielen Teilen der Welt sehr gelitten. Da fraglich ist, ob man sich in der zweiten Phase des Abkommens auf die Freilassung der restlichen Geiseln einigen wird, gibt es zugleich Vorwürfe an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, man habe mit dem jetzigen Abkommen die restlichen Geiseln im Stich gelassen.
Wie stabil ist das Abkommen?
Die Vereinbarung steht auf recht wackeligen Füssen – schon allein, weil sich Israels Regierung und die Hamas gegenseitig geschworen haben, einander zu zerstören. Angesichts des tiefen Misstrauens bleibt abzuwarten, ob sich beide Seiten über Wochen an die vereinbarten Schritte halten, und ob etwa bestimmte Passagen jeweils anders interpretiert werden. Andererseits gibt es in beiden Bevölkerungen eine grosse Sehnsucht danach, dass die Waffen nach 15 Monaten Krieg schweigen – die Kriegsmüdigkeit könnte daher stabilisierend wirken.
Wer soll in Zukunft regieren?
Weit auseinander liegen Israel und die Hamas bei der Frage, wer den grossflächig zerstörten Gazastreifen künftig regieren soll. Israel lehnt eine weitere Herrschaft der Islamisten kategorisch ab und droht, es könne den Kampf wiederaufnehmen, bis die Macht der schon stark dezimierten Hamas endgültig gebrochen sei. Die Hamas hingegen will eine Garantie, dass der Krieg endet – wohl auch, um sich neu aufzustellen und ihre alte Machtposition wieder einzunehmen. Zu klären wäre auch, wer den kostspieligen Wiederaufbau in einer auf zwei bis fünf Jahre angelegten dritten Phase des Abkommens übernehmen und finanzieren soll.
Israels Regierungschef Netanjahu hat in den 15 Monaten Krieg nie genau umrissen, wie er sich eine künftige Regierung im Gazastreifen vorstellt. Er hatte nur stets betont, dass die Hamas entmachtet und zerschlagen werden müsse.
Der scheidende US-Aussenminister Antony Blinken hatte diese Woche seinen Plan für die Zukunft des Gazastreifens skizziert. Folgende Prinzipien seien zentral: Zum einen eine von Palästinensern geführte Regierung, die den Gazastreifen mit dem Westjordanland vereine und der dortigen Autonomiebehörde unterstellt sei. Zum anderen dürfe es langfristig keine militärische Besetzung des Gazastreifens durch Israel geben, auch keine Verkleinerung des Gazastreifens sowie keine Versuche, ihn nach dem Konflikt zu belagern oder zu blockieren.
Haben Donald Trumps Drohungen gewirkt?
Der bevorstehende Machtwechsel in Washington dürfte ein Faktor für die Fortschritte in den Verhandlungen gewesen sein. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat zwar stets zu Israel gehalten, aber auch zunehmend Kritik an der Kriegsführung in Gaza geübt. Der designierte US-Präsident Donald Trump dagegen ist als Verbündeter Netanjahus bekannt und es ist fraglich, wie stark seine Regierung die israelische in die Schranken weisen würde. Seine Drohungen an die Hamas waren vor diesem Hintergrund also durchaus ernstzunehmen.
Der Republikaner hatte gesagt, dass im «Nahen Osten die Hölle losbrechen» werde. Es werde «nicht gut für die Hamas sein, und es wird – offen gesagt – für niemanden gut sein», wenn die entführten Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am kommenden Montag zurück seien.
In den USA hat nun jedenfalls ein Kampf um die Deutungshoheit begonnen. Trump verbuchte den Durchbruch als sein Verdienst. Sein Wahlsieg habe der Welt zu verstehen gegeben, dass seine Regierung Frieden anstreben und Vereinbarungen aushandeln werde, um die Sicherheit aller Amerikaner und der Verbündeten zu gewährleisten. «Wir haben so viel erreicht, ohne dass wir überhaupt im Weissen Haus waren», schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social.
Darauf angesprochen, dass Trump die Lorbeeren für den Deal ernten will, sagte Biden, der Rahmen für das Abkommen sei exakt derjenige, den er im Mai vorgeschlagen habe. Er habe sein Verhandlungsteam aber stets angewiesen, sich eng mit Trumps Mannschaft abzustimmen, um sicherzustellen, dass die USA mit einer Stimme sprächen. Zuvor hatten Vertreter des Weissen Hauses betont, das Trump-Team sei zwar kontinuierlich über die Gespräche in Doha informiert worden, doch verhandelt habe allein die Biden-Regierung.
Katar: Einigung auf Gaza-Waffenruhe und Geiselfreilassung
Tel Aviv/Gaza, 15.01.2025: Seit mehr als 15 Monaten tobt der Krieg im Gazastreifen. Jetzt der Durchbruch.
Israel und die islamistische Hamas einigen sich auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge. Das teilt Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani mit.
Sie soll am Sonntag in Kraft treten und in einer ersten Phase 42 Tage dauern. Es ist die erste Vereinbarung dieser Art seit einer Feuerpause vor mehr als einem Jahr.
Das vorläufige Ende der Gefechte wurde nach Einschätzung von Beobachtern auch durch die Rückschläge für die vom Iran organisierte «Achse des Widerstands» im Libanon und Syrien und Drohungen des designierten US-Präsidenten Donald Trump möglich, der eine Einigung zur Freilassung der Geiseln vehement eingefordert hatte.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden betont hingegen, dass die Einigung auch auf «beharrliche und akribische amerikanische Diplomatie» zurückzuführen sei. Der Deal gehe auf einen Plan zurück, den er bereits im Mai vorgestellt hatte.