Elf Jahre nach einem der grössten und packendsten Endspiele der Geschichte fasziniert das Halbfinale der beiden Topstars Roger Federer und Rafael Nadal die Tennis-Welt.
Zum 40. Mal stehen sich die zwei seit mehr als einem Jahrzehnt prägenden Tennis-Protagonisten am Freitag gegenüber. Auf der prominentesten Bühne ihrer Sportart ist ihr Date tatsächlich der erste Showdown auf Rasen seit 2008.
Vom «Giganten-Halbfinale» und «Blockbuster-Halbfinale», schreibt der «Daily Mirror». «The Daily Telegraph» erinnert im Titel an das epische Finale 2008. «Es bedeutet mir viel und ihm wahrscheinlich auch», sagt Nadal. Federer meint, er würde es lieben, hier in London gegen seinen Rivalen zu spielen: «Es wird schwierig. Ich hoffe, es wird sich in meine Richtung entwickeln.»
In Paris war Federer chancenlos
Erst fünf Wochen ist das letzte Kräftemessen der beiden Superstars her. Am 7. Juni blieb der 37-jährige Schweizer Federer in Gänsehaut-Atmosphäre im an diesem Halbfinal-Tag windigen Paris bei den French Open ohne Chance. Nur neun Spiele gönnte ihm der vier Jahre jüngere Nadal in den drei Sätzen zusammen. Für Nadal war es der 24. Sieg im 39. Aufeinandertreffen, zwei Tage später krönte er sich zum zwölften Mal zum French-Open-Champion.
Doch Federer wies sogleich daraufhin, dass die Niederlage auf der roten Asche von Roland Garros vor dem schnellen Wiedersehen auf dem grünen Rasen irrelevant sei. Schliesslich ist für den 20-fachen Grand-Slam-Champion Federer Wimbledon, was für den 18-fachen Grand-Slam-Gewinner Nadal die French Open sind. Auf den Rasenklassiker an der Londoner Church Road richtet der Baselbieter in jedem Jahr seine Vorbereitung, Planung und Ziele aus.
Hier im All England Lawn Tennis and Crocquet Club spielte sich 2008 eines der aufregendsten Matches dieser beiden aussergewöhnlichen Tennisspieler ab. Es war schon fast dunkel, als Nadal nach vier Stunden und 48 Minuten 6:4, 6:4, 6:7 (5:7), 6:7 (8:10), 9:7 siegte. Die Regentschaft von Federer auf dem Heiligen Rasen nahm nach zuvor fünf Triumphen in Serie ein Ende. Ein Jahr zuvor hatte er den Spanier in fünf Sätzen niedergerungen, 2006 in vier.
Nur drei Kräftemessen hat es auf Rasen gegeben, alle anderen trugen sie auf Sand- oder Hartplätzen aus. In den 15 Jahren nach Nadals erstem glatten Zweitsatz-Sieg gegen Federer in Miami hat sich eine Rivalität im Stile Boris Becker/Pete Sampras oder Björn Borg/John McEnroe entwickelt. Vor dem Halbfinal-Aus in Paris hiess der Sieger zuletzt sechsmal nacheinander Federer. Beide präsentierten sich in den vergangenen Tagen auf hohem Niveau. Geheimnisse zwischen den beiden gibt es nicht. «Er hat sich über die Jahre so sehr auf diesem Belag verbessert», würdigt Federer seinen Dauerrivalen.
Die «Big Three» erstmals seit 2007 geschlossen im Wimbledon-Halbfinale
Ohnehin ist es imposant zu nennen, dass der 37-jährige Federer und der 33-jährige Nadal mit Novak Djokovic noch immer die Tennis-Szene auf höchster Grand-Slam-Ebene beherrschen. In der Weltrangliste hat sich Djokovic vorbeigedrängt, doch Nadal und Federer behaupten die Plätze zwei und drei. Erstmals seit 2007 steht das Trio im Wimbledon-Halbfinale. Der serbische Titelverteidiger Djokovic will gegen den Spanier Roberto Bautista Agut (31) das Finale erreichen.
Angesichts der Blessuren, der Pausen und Zweifel wurden Nadal und Federer schon vor Jahren das nahende Karriereende angedichtet. «Viele haben schon 2008 über ihn gesagt: Oh, das ist das Ende. Ähnlich war es bei mir 2009», blickt Nadal zurück. Sie hätten aber sich als Spieler entwickelt, Elemente hinzugefügt, weil andere Qualitäten im Alter verloren gingen, so Nadal.
Nun hat der Mallorquiner noch immer die Chance, zum dritten Mal in seiner Karriere die French Open und Wimbledon nacheinander zu gewinnen und mit Björn Borg aufzuschliessen. Federer kann zum neunten Mal in Wimbledon triumphieren und mit Martina Navratilova gleichziehen. Aber erst einmal kommt es am Freitag zu einer der aufregendsten Rivalitäten, die der Weltsport zu bieten hat. «Natürlich werden die Gelegenheiten, gegeneinander zu spielen, immer weniger. Aber noch sind wir da», sagt Nadal. Wie recht er hat.