Vor den ersten Speedrennen des Winters in Lake Louise spricht Lara Gut-Behrami über ihr Verhältnis zum Verband, Professionalität und den Sommer 2018.
Lara Gut-Behrami hat den Gesamtweltcup gewonnen, ist Medaillengewinnerin an Olympischen Spielen und an Weltmeisterschaften. Durch einen Kreuzbandriss an der WM in St. Moritz und den Rummel um ihre Person geriet die Karriere ins Stocken. Zu ihrem Unmut musste die Tessinerin nun Abstriche bei ihrem Sondersetting mit Swiss-Ski hinnehmen. In Lake Louise äusserte sich unter anderem zu diesem heiklen Thema.
Es gehe ihr bei den Diskussionen mit dem Verband darum, optimale Bedingungen zu haben, um mit der Konkurrenz Schritt halten zu können, sagt die 28-Jährige. Um mit den Besten mitzuhalten, brauche es absolute Professionalität – von den Athleten und auch vom Verband. Dass man dabei für sich immer das Beste wolle, gehöre zum Leistungssport dazu.
Lara Gut-Behrami, seitens Swiss-Ski war viel Positives zu vernehmen über das Zusammenspiel zwischen Ihnen und dem Verband. Es ist von einer Annäherung die Rede und davon, dass Sie sich gut eingefügt haben. Wie erleben Sie es?
Ich habe nicht das Gefühl, dass vieles anders ist. Einiges scheint mir bei diesem Thema gesucht. Wenn du zwei Tage schlecht drauf bist, heisst es, du seist nicht integriert. Wenn du zweimal mit allen zusammen Karten spielst, giltst du als integriert. Wir sind doch alle hier, um möglichst erfolgreich zu sein. Dafür geben wir alle unser Bestes. Das ist unser gemeinsames Ziel.
Waren Sie in der Vorbereitung öfter beim Team als in den Jahren zuvor?
Nein, ich habe das Gleiche gemacht wie immer. In Übersee war ich oft mit der Mannschaft unterwegs, so oft wie möglich, so wie das früher schon der Fall war. Ansonsten musste ich selber schauen. Da gab es keinen Unterschied.
In Killington waren Sie zum ersten Mal seit längerem ohne Ihren Vater Pauli Gut an einem Rennen.
In seine An- oder Abwesenheit wird zu viel hinein interpretiert. Für mich ist er immer wichtig, ob er da ist oder nicht. Auch in Killington sprach ich vor und nach dem Rennen mit ihm. Dieser Austausch ist das Wichtigste für mich – wichtiger, als dass er jedes Mal an der Piste steht und immer an meiner Seite ist. Ich bin ja nicht mehr 12, sondern 28 Jahre alt und kann Entscheide selber treffen.
Klar ist aber auch, und das wird mir immer bewusster: Ohne meinen Vater wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Er hat mich zum Skifahren gebracht, fuhr mich an all die Orte, als ich noch nicht Autofahren durfte. Er suchte einen Konditionstrainer für mich, lehrte mich Disziplin und motivierte mich in schweren Zeiten. Er war derjenige, der Verständnis hatte, wenn es mir nicht gut ging. Er gab mir Energie, und dank ihm war ich nie alleine.
Neu ist der Spanier Alejo Hervas Ihr Konditionstrainer. War von Anfang an klar, dass er auch Funktionen als Skitrainer übernimmt?
Jede Beziehung entwickelt sich bei der Arbeit. Ich ging nicht zu Alejo und sagte: «Schau, das ist deine Aufgabe». Ich sagte ihm, was ich suche und was ich gerne hätte. Er machte sich seine Gedanken dazu und wir fanden uns. Ich schätze es, wenn Leute mit mir diskutieren und nicht einfach tun, was ich will. Ich kenne Alejo, seit ich zehn bin. Ich wusste also schon, dass er auch ein Auge auf das hat, was auf der Piste geht.
Ihr Vater bleibt der Chef im technischen Bereich?
Ja. Er ist der Chef und Alejo eine Verstärkung.
Im Sommer wurden die Rahmenbedingungen mit Swiss-Ski neu geregelt. Der Verband finanziert nun Hervas, und Pauli Gut hat weiter ein Mandat. Sind Sie zufrieden mit der Lösung?
Wir stehen hier in Lake Louise vor den ersten Speedrennen der Saison. Ich will jetzt nicht mehr darüber reden, was der Verband bezahlt und was nicht. Das bringt nur wieder Wirbel und kostet Energie. Dass man für sich immer das Beste will, gehört zum Leistungssport dazu. Und der Fakt, dass ich die Fahrerin mit den zweitmeisten Siegen nach Mikaela Shiffrin bin, zeigt, dass das, was Swiss-Ski für mich getan hat, das Richtige war.
Als Athlet willst du optimale Bedingungen, und als Verband solltest du dafür sorgen, dass die Athleten das Optimum aus sich herausholen können. Es gilt, mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Wenn wir mithalten wollen, müssen wir immer professioneller werden, immer mehr tun und uns ständig hinterfragen – uns und die Strukturen. Wenn wir alle zufrieden wären, hätten wir schon verloren.
Wie sind Sie mit Ihrem skifahrerischen Level zufrieden. Wo sehen Sie sich im Vergleich zu vor einem Jahr?
Ich mag solche Vergleiche nicht. Aber ich habe mich weiterentwickelt und fühle mich physisch wohler. Auf dem Schnee gibt es trotzdem noch einige Baustellen, obwohl ich hart daran gearbeitet habe.
Wenn Sie auf den Sommer 2018 zurückblicken, die Nebengeräusche Ihrer Beziehung und Hochzeit mit Valon Behrami: Haben Sie das Gefühl, die Professionalität gelebt zu haben, die Sie allenthalben einfordern?
Ich lebte sie immer, wirklich immer. Ich bin die erste, die sich Vorwürfe machen würde, wenn es nicht so gewesen wäre. Niemand war damals dabei. Es kursierten viele Halbwahrheiten von dieser Zeit.
Beat Tschuor, der Cheftrainer der Frauen von Swiss-Ski meinte, Sie wirkten auf ihn nun besonders motiviert.
Ich gebe immer mein Bestes und gab es auch vor einem Jahr. Wäre ich nicht motiviert, wäre ich nicht hier und würde ich nicht so viel Reisen und freiwillig so lange weg von der Familie sein.
Glauben Sie, eher noch drei, vier Mal nach Lake Louise zu kommen oder sieben, acht Mal?
Keine Ahnung. Langfristige Pläne zu machen, bringt nichts. Ich denke von Tag zu Tag.
Wie zentral für Ihre Motivation ist die Aussicht darauf, Rennen gewinnen zu können?
Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht das Gefühl hätte, schnell sein zu können. Ich hatte das Glück, dass ich von Anfang an um Siege fahren konnte, seit ich im Weltcup dabei bin. Das ist auch weiterhin mein Anspruch. Ich bewundere die Leute, die einfach nur aus Leidenschaft dabei sind, erkannte aber, dass ich nicht so bin. Ich fahre weiter, weil ich weiss, dass es möglich ist. Es ist hart, aber möglich.