Der Weltcup-Winter ist für den Skicross-Zirkus bereits beendet. Nach wie vor ungewiss ist allerdings, welche Fahrerin schlussendlich die Olympia-Bronzemedaille kriegt.
Am letzten Wochenende geht die Skicross-Saison mit dem ausserordentlichen Rennen in Andermatt zu Ende. Trotz speziellem Format mit spontaner Kurswahl präsentiert sich zumindest bei den Frauen ein gewohntes Bild: Fanny Smith muss sich wie so oft nur der Dominatorin Sandra Näslund aus Schweden geschlagen geben und sorgt als Zweite für einen Schweizer Podestplatz. Ein ständiges Szenario, das aber ausgerechnet bei den Olympischen Spielen so nicht eintrifft.
Zum einen ist an diesem 17. Februar mit Marielle Thompson eine zweite Konkurrentin schneller als Fanny Smith und ergattert sich so Olympia-Silber. Zum anderen wird das Schweizer Aushängeschild, das die Ziellinie als Dritte überquert, von der Rennjury nachträglich auf Rang 4 zurückversetzt – wegen einer als regelwidrig ausgelegten Aktion, mit der sie die deutsche Konkurrentin Daniela Maier behinderte. Die höchst umstrittene Beurteilung der Szene erhitzt bereits kurz nach dem Rennen die Gemüter: «Der Entscheid ist ein völliger Unsinn und schwer zu akzeptieren», sagt etwa Nationaltrainer Ralph Pfäffli.
Maier: «Es ist ja nichts zwischen uns»
Smith und Swiss Ski legen daraufhin Einspruch ein und bekommen Recht. Die Berufungskommission der FIS hebt die Rückversetzung der Schweizerin durch die Rennjury mit einigen Tagen Verspätung wieder auf. «Ich bin natürlich erleichtert», sagt Smith daraufhin, unterstreicht aber auch: «Gleichzeitig schmerzt es mich aber für Daniela Maier, welche nun die Leidtragende der Situation ist.»
Im deutschen Lager ist die Verwunderung nach der neuerlichen Korrektur so gross, dass der Deutsche Skiverband seinerseits Einspruch gegen den FIS-Entscheid erhebt. «Wir werden das definitiv nicht so stehen lassen. Das sind wir ihr schuldig», so die Ankündigung des deutschen Trainers Heli Herdt. Seither liegt die Entscheidung beim IOC. Wann das Urteil gefällt wird, weiss allerdings niemand. Stand heute ist Daniela Maier immer noch die Besitzerin der Bronzemedaille, obwohl sich Smith auf ihrer Webseite bereits als zweifache Bronzemedaillegewinnerin bezeichnet (2018 und 2022).
Offenbar treibt der weit über das Rennen hinausgehende Medaillenkampf immerhin keinen Keil zwischen die beiden Kontrahentinnen. «Fanny und ich haben uns mal ausgetauscht, wie es uns so geht. Es ist ja nichts zwischen uns. Wir fahren seit sechs Jahren zusammen Skicross, seit ich im Weltcup bin. Wir trainieren zusammen und verstehen uns auch so echt gut. Das bleibt auch so», versichert Maier im Gespräch mit der «SZ».
Das IOC hat das letzte Wort
Unklar bleibt aber auch sechs Wochen nach dem Olympia-Rennen, wer Bronze gewinnt. «Es hat mich jedenfalls noch niemand aufgefordert, sie abzugeben. Ich blicke da auch nicht durch», gesteht Maier. Heli Herdt dagegen, sportlicher Leiter der deutschen Skicrosser, ist überzeugt, die Jury vor Ort habe mit der Rückversetzung von Smith richtig gehandelt.
Zudem sagt er: «Auf der IOC-Webseite steht Daniela Maier als Medaillengewinnerin. Jeder, der was anderes erzählt, erzählt nicht die Wahrheit. Die FIS kann nicht entscheiden, dass sie die Medaille wieder hergeben muss. Nur das IOC kann Medaillen verleihen. Die FIS spricht in ihrem Statement auch mit keinem Wort von der Medaille – weil die das gar nicht können.» Genau deshalb hat Maier die Medaille bis heute bei sich zu Hause. Herdt sieht die eigene Athletin nach wie vor als Drittplatzierte und macht klar: «Bis das IOC bei ihr vor der Tür steht, behält sie das Ding.»
Je länger, desto mehr zeichnet sich im verzwickten Fall, in dem sich offensichtlich auch die IOC mit einer definitiven Entscheidung schwertut, bloss noch eine letzte akzeptable Lösung ab, welche sich auch Daniela Maier herbeiwünscht: «Es wäre super, wenn es ein Happy End gibt und wir beide eine Medaille bekommen. Das wäre das beste Szenario.»