Alles auf eine Karte Für ihre Olympia-Medaille brach Nina Christen das Biologie-Studium ab

Von Richard Stoffel

24.7.2021

Nina Christen überlässt nichts dem Zufall.
Nina Christen überlässt nichts dem Zufall.
Bild: Keystone

Nina Christen ist eine Perfektionistin und hat ganz auf die Karte Sport gesetzt. So tickt die erste Schweizer Medaillengewinnerin an den Olympischen Spielen in Tokio.

Von Richard Stoffel

Die Zeitmilitär-Spitzensportlerin trainiert im Leistungszentrum von Swiss Shooting am Bundesamt für Sport (BASPO), das Schiesstraining absolviert sie in der BASPO-Anlage im Zeughaus Biel. Durch die Eröffnung des Nationalen Leistungszentrums im Oktober 2016 und der Ergatterung eines von drei Ausbildungsplätzen vollzog Christen den Schritt zum Vollprofi. Die 27-jährige Nidwaldnerin brach dafür auch ihr Biologie-Studium ab.

Jörg Wetzel, der «Chef-Psychologe» der Schweizer Olympia-Delegation von Tokio, ist auch Christens persönlicher Mentaltrainer. Jan Seiler, der unter anderen das Krafttraining der Stabhochspringerin Angelica Moser oder des Schweizer Radbahn-Vierers koordiniert, ist Christens Anlaufstation in Sachen Power. Und Stehvermögen in der Rumpfmuskulatur benötigt Christen enorm viel.

Vor fünf Jahren im entscheidenden Moment noch gescheitert

Kein Wunder: Sollte sie wie vor fünf Jahren in Rio am 31. Juli erneut in den olympischen Final im Dreistellungsmatch über 50 m vorstossen, wird sie am Ende des Tages über 100 Schüsse und drei Stunden Wettkampf absolviert haben. «Die Arbeit im Schiesstand hat etwas Asketisches an sich: sich abschotten, disziplinieren, fokussieren, den Körper ruhig halten, immer wieder, und das über langen Zeitraum», umschrieb die NZZ unlängst treffend die mentale «Corona-Blase», in die sich Christen begeben muss.

Schon vor fünf Jahren in Rio hatte Christen beinahe eine Olympia-Medaille geholt. Sie befand sich in ihrer Parade-Disziplin im Dreistellungsmatch im Final mit den Top 8 zum Auftakt nach dem Kniend-Schiessen gar auf Gold-Kurs. Dann fiel sie in der ersten von drei Serien des Liegend-Schiessens auf Rang 4 zurück. Den zweiten Cut des abschliessenden Stehend-Schiessens überstand sie als Sechste nicht mehr.

An den Olympischen Spielen 2016 in Rio bezahlte Nina Christen noch Lehrgeld.
An den Olympischen Spielen 2016 in Rio bezahlte Nina Christen noch Lehrgeld.
Bild: Keystone

Erinnerungen an Brigitte McMahon

Nach dem Gewinn des Olympia-Diploms von 2016 steigerte sich Christen weiter. 2019, im Jahr vor der Pandemie, reihte die Luftgewehr-Schützin einen Erfolg an den andern: Weltcupsieg, EM-Gold und EM-Silber sowie zwei Podestränge an den Europaspielen in Minsk. Dort holte sie über 10 Meter im Einzel die Silbermedaille und im Mixed-Wettbewerb zusammen mit Jan Lochbihler gar Gold. Und nun führte Christen die Schweiz mit Bronze mit dem Luftgewehr über 10 m bereits zum Auftakt der Spiele in den Medaillenspiegel.

Gar noch besser stand die Schweiz nach der ersten Entscheidung an Sommerspielen bei Olympia 2000 in Sydney da, als im Frauen-Triathlon Brigitte McMahon und Magali Messmer mit dem Gewinn von Gold und Bronze glänzten. Und die Schweiz dadurch zum ersten Mal überhaupt den den Medaillenspiegel an Sommerspielen anführte.