Ein unglücklicher Sturz beim Skifahren. Das Leben des Formel-1-Rekordweltmeisters ändert sich von einer auf die andere Sekunde. Ein Blick zurück auf die letzten Jahre.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Am 29. Dezember zog sich Michael Schumacher bei einem Skiunfall in Méribel schwere Verletzungen am Kopf zu.
- Bis heute ist nicht ganz klar, wie es dem früheren Formel-1-Champion geht.
- Seine Familie hat in den Jahren gelernt, die kleinen Dinge zu schätzen und spricht bis heute von viel Pech, das bei diesem Unfall zusammengekommen ist.
Es hätte auch ans Meer gehen können mit viel Sonne und Strand. Der Schnee sei nicht optimal, hatte Michael Schumacher vor dem anstehenden Winterurlaub in Méribel vor zehn Jahren seiner Frau Corinna gesagt. Schumacher, ein Perfektionist eben. «Wir könnten ja nach Dubai fliegen und dann gehen wir da springen», hatte der leidenschaftliche Fallschirmspringer vorgeschlagen.
Sie entschieden sich aber für die Berge, für den Schnee und das Skifahren in den französischen Alpen. Nicht zum ersten Mal: Weihnachten, Silvester und auch noch der Geburtstag von Michael Schumacher am 3. Januar. Doch so wurde es das letzte Mal: Seit dem Skiunfall am 29. Dezember 2013 in Méribel führen der bald 55 Jahre alte Formel-1-Rekordweltmeister und seine Familie ein anderes Leben.
«Ich glaube, dass man in solchen Fällen lernt, gewisse Momente anders wahrzunehmen», sagte Sohn Mick Schumacher der Deutschen Presse-Agentur: «Man lernt, die kleinen Dinge zu schätzen.» Er glaube, dass das auch für viele andere Menschen eine wichtige Erkenntnis sein könne. «Wenn sie sich zu sehr auf die schlechten Dinge konzentrieren und nicht genug auf die schönen Sachen, die es auch noch gibt», betonte Mick Schumacher.
Der Sohn des Superstars ist inzwischen 24 Jahre alt. Er fuhr selbst auch schon zwei Saisons in der Formel 1 und wird 2024 wie einst sein Vater auch beim Langstreckenklassiker in Le Mans starten. Als sein Vater im Skigebiet von Méribel stürzte, war Mick Schumacher erst 14.
Ermittler schliessen Fremdverschulden aus
Um kurz nach elf Uhr an einem Sonntagmorgen passiert es. «Michael ist bei einem privaten Skitrip in den französischen Alpen auf den Kopf gestürzt. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und wird medizinisch professionell versorgt», teilt seine Sprecherin Sabine Kehm etwas später mit. Die Dramatik wird aus diesen Worten nicht klar. Es sind Stunden, in denen es bereits um Leben und Tod für den zweifachen Familienvater geht.
Noch dort, wo Michael Schumacher bei einem Schwung am Rand einer markierten Piste gegen einen Stein stösst und ausgehebelt wird, versorgen ihn die Bergretter. Er ist ansprechbar, aber verwirrt. Der Helm, den er trägt, geht bei dem Aufprall kaputt. Die Ski sind nur geliehen. Fremdverschulden wird die ermittelnde Staatsanwaltschaft später ausschliessen können. Schumacher war auch nicht schnell unterwegs.
Ernsthaftigkeit war anfangs schwer zu beurteilen
Ein Rettungshubschrauber bringt Michael Schumacher ins Krankenhaus von Moûtiers. Die Kopfverletzungen sind aber zu schwer, es geht direkt weiter in die Universitätsklinik von Grenoble. Vergangen sind rund anderthalb Stunden. Schumacher wird umgehend notoperiert. Die Öffentlichkeit weiss zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Unfall.
Doch sie wird bald davon erfahren. «Michael war damals der vielleicht bekannteste Bundesbürger, und mein erster Gedanke war, dass dieser enorme Bekanntheitsgrad Ursache für die prominente Meldung war und nicht die Schwere des Unfalls», sagte Norbert Haug der dpa.
Er kennt Michael Schumacher seit vielen Jahren. Haug war der Mercedes-Motorsportchef, als der siebenmalige Champion für die Silberpfeile 2010 in die Formel 1 zurückkehrte. Es war ein weltweit aufsehenerregendes Comeback, nachdem Schumacher von 1991 bis 2006 die Motorsport-Königsklasse sportlich mit seinen sieben Triumphen, aber auch im Kampf um mehr Sicherheit geprägt hatte. Das schreckliche Imola-Wochenende mit dem Tod von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna 1994 hatte Schumacher in den ersten Jahren seiner Karriere emotional mitgenommen.
Welle der Anteilnahme
Wie schwer die Verletzungen Schumachers durch den Skiunfall sind, lässt sich an diesem 29. Dezember 2013 zunächst nur erahnen. Neben seiner Familie treffen unter anderem auch Schumachers langjährige Wegbegleiter Jean Todt und Ross Brawn in Grenoble ein, wo sich auch immer mehr Medienvertreter postieren.
«Werd bitte schnell wieder gesund», postet der damalige Fussball-Nationalspieler Lukas Podolski in sozialen Netzwerken. «Meine Gedanken sind bei Schumi», schreibt der ehemalige Basketballstar Dirk Nowitzki.
Eine Welle der Anteilnahme am Schicksal des bis dahin mit Abstand erfolgreichsten Formel-1-Piloten bricht los. Kumpel Sebastian Vettel schickt noch eine SMS: «Hab gehört, du bist gestürzt, hoffe, es ist nichts Schlimmeres, gute Besserung», erzählt Vettel später.
Ärzte: «Beunruhigt über seinen Zustand»
Aber Schumachers Zustand ist kritisch. Festgestellt wird ein «Kopftrauma mit Koma», wie die behandelnden Mediziner am späten Sonntagabend erklären. Schwere Unfälle in der Formel 1 und auch auf dem Motorrad hat Schumacher oft glimpflich überstanden. 24 Stunden nach seinem Ski-Unfall wird traurige Gewissheit, wie schlecht es um den gebürtigen Rheinländer steht.
Sein Zustand sei weiterhin «ausserordentlich ernst», erklären die Ärzte in einer Pressekonferenz am 30. Dezember 2013. Schumacher schwebt in Lebensgefahr. Er hat weitverbreitete Verletzungen im Gehirn. «Wir sind beunruhigt über seinen Zustand», sagt ein Mediziner. Prognosen zu den Überlebenschancen geben die Ärzte nicht ab.
«Wie Millionen von Deutschen waren auch die Bundeskanzlerin und die Mitglieder der Bundesregierung ausserordentlich bestürzt, als sie von Michael Schumachers schwerem Skiunfall erfahren haben», sagt Regierungssprecher Steffen Seibert am selben Tag in Berlin.
Exzesse im Kampf um Informationen über Schumacher
Und das Bangen geht lange weiter. Ende Januar erst erklärt Schumachers Managerin, dass die Narkosemittel seit Kurzem reduziert werden, «um ihn in einen Aufwachprozess zu überführen, der sehr lange dauern kann». Anfang April 2014 teilt sie mit: «Michael macht Fortschritte auf seinem Weg. Er zeigt Momente des Bewusstseins und des Erwachens.»
Mitte Juni lässt Kehm wissen: «Michael hat das CHU Grenoble verlassen, um seine lange Phase der Rehabilitation fortzusetzen. Er ist nicht mehr im Koma.»
Wie es Michael Schumacher seitdem geht, ist nicht bekannt. Versuche, ihm nahezukommen oder anderweitig Informationen über seinen Zustand zu bekommen, gab es. Vor allem in der Anfangsphase. Ein Journalist, der sich als Priester verkleidet und auf Schumachers Zimmer im Krankenhaus will, ist nur ein Beispiel.
«Der Kampf um Reichweite durch die erst beginnende Aufmerksamkeitssteigerung des Internets und der sozialen Netzwerke ist sicherlich ein Faktor, der damals zu solchen Exzessen geführt hat», sagt Thomas Horky, Professor für Journalismus und Sportkommunikation an der Macromedia Hochschule.
«Es ging immer darum, Privates zu schützen»
Im August 2014 wird ein hochrangiger Mitarbeiter der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega) festgenommen. Die Ermittlungsbehörde haben gegen ihn ein Strafverfahren wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses eröffnet. Teile von Michael Schumachers Krankenakte sind zuvor verschiedenen Medien angeboten worden.
Der Rega-Mitarbeiter wird einen Tag nach seiner Festnahme erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Dritteinwirkung schliesst die Staatsanwaltschaft aus.
Michael Schumachers Befinden bleibt ein Rätsel – und diese Tatsache ein Phänomen. «Es ging immer darum, Privates zu schützen», erklärt der Medienanwalt der Familie Schumacher, Felix Damm, im Oktober in einem Interview dem «Legal Tribune Online».
«Michael hat uns immer beschützt, jetzt beschützen wir Michael», sagt Schumachers Ehefrau Corinna in einer Dokumentation, die seit 2021 bei Netflix zu sehen ist. Darin gibt die Familie mit Corinna, Mick und dessen Schwester Gina zum ersten Mal auch Einblicke in das Zusammenleben nach dem Unfall.
«Jeder vermisst Michael»
«Wir leben zu Hause zusammen, wir therapieren, wir machen alles, damit es Michael besser geht und gut geht und dass er unseren Familienzusammenhalt auch einfach spürt», sagt Corinna Schumacher.
«Es ist ganz klar, dass Michael mir jeden Tag fehlt, und nicht nur mir, die Kinder, die Familie, sein Vater, alle, die um ihn herum sind. Jeder vermisst Michael. Aber Michael ist ja da, anders, aber er ist da, und das gibt uns allen Kraft.» Dem lieben Gott jedenfalls habe sie nie «einen Vorwurf gemacht, warum das jetzt passiert ist», sagt Corinna Schumacher. Ihre Stimme stockt. «Es war einfach richtig Pech. Mehr Pech kann man im Leben nicht haben.»
dpa / mar