Nach 21 Jahren wird Lionel Messi den FC Barcelona verlassen – so zumindest der jetzige Stand der Dinge. Doch handelt es sich bei der Schocknachricht der Katalanen nur um einen gigantischen Schachzug?
«Leo Messi wird nicht bleiben.» Mit dieser Nachricht schockiert der FC Barcelona am Donnerstag die Fussballwelt. Man habe mit dem sechsfachen Weltfussballer zwar eine Einigung erzielt, doch die «finanziellen und strukturellen Hindernisse» der spanischen La Liga würden verhindern, dass Messi bei Barça einen neuen Vertrag unterzeichnen kann. Sein Kontrakt war am 30. Juni ausgelaufen.
Um sich Messi noch leisten zu können, müsste der Klub seine Gehaltskosten um rund 200 Millionen Euro senken, um die Anforderungen des Financial Fairplay der Liga zu erfüllen. Einige Top-Verdiener wie Antoine Griezmann, Ousmane Dembélé oder Philippe Coutinho müssten verkauft werden, was sich als alles andere als einfach erweist. So scheinen Messis Tage in Barcelona nach 21 Jahren tatsächlich gezählt.
Will Barça nur pokern?
In diversen Medienberichten kommt nun aber die Frage auf, ob Barça womöglich nur pokern will. Wird es doch noch einmal eine spektakuläre Wende geben? Der spanische Journalist Guillem Balague, der vor einigen Tagen enthüllte, dass Messi bereit sei, für die Vertragsverlängerung auf die Hälfte seines Gehalts zu verzichten, scheint noch nicht wirklich an einen Abgang des Argentiniers zu glauben.
Bei «BBC Radio» sagt Balague: «Barça musste einen kreativen Weg finden, um Messis Gehalt und Boni zu zahlen. Jedes Mal, wenn ich sie fragte, wie sie das machen wollen, wenn sie keine neuen Spieler verpflichten können, lautete die Antwort: ‹Vertrau uns einfach›. Jetzt hat sich bestätigt, dass es keine wirtschaftliche Möglichkeit gibt, dies zu tun. Aber ich glaube nicht, dass das das Ende der Geschichte ist.»
In der Tat wäre Messi mit seiner grossen Anhängerschaft natürlich auch für die spanische Liga ein grosser Verlust. So glaubt auch der angesehene Fussballreporter Andy West aus Barcelona nicht, dass Messis Abgang schon feststeht. «So dramatisch es auch scheint, die Ankündigung von Barça bedeutet nicht, dass Messi definitiv geht. Jedenfalls noch nicht», schreibt der «BBC»-Reporter.
«Ein milliardenschweres Schachspiel»
West glaubt eher an einen «sehr riskanten taktischen Schachzug im Machtkampf des Klubs mit La Liga, deren Gehaltsobergrenzen Messi und Barça daran hindern, den neuen Vertrag zu unterzeichnen». Hintergrund sei die prekäre finanzielle Situation des Klubs und der damit verbundene Wunsch, eine europäische Super League zu gründen, den Klubpräsident Joan Laporta gemeinsam mit Florentino Perez von Real Madrid weiter verfolgt.
Was dazu kommt: La Liga hat in dieser Woche einen umfangreichen neuen Vertrag mit dem Investmentfonds CVC abgeschlossen, der Barça auf einen Schlag rund 275 Millionen Euro einbringen würde – genug Geld, um Messi erneut unter Vertrag zu nehmen. Um diese Summe zu erhalten, müsste sich der Verein jedoch langfristig an La Liga binden und auf die Idee einer Super League verzichten. Barcelona will das mit aller Macht verhindern.
Auch Real Madrid veröffentlichte am Donnerstagabend eine Mitteilung und erklärte, dass der 2,7-Milliarden-Deal mit CVC «ohne die Beteiligung oder das Wissen» des Vereins zustande gekommen sei und man das Vorhaben «nicht unterstützen» könne. Dass Barça nun den Abgang von Messi ins Spiel bringt, überrascht. Andy West beschreibt das Ganze als «milliardenschweres Schachspiel, das noch nicht vorbei ist».
Laporta: «Können uns Messi nicht mehr leisten»
Für Barça-Boss Laporta ist das letzte Wort allerdings gesprochen. «Die Verhandlungen mit Lionel Messi sind beendet. Wir können uns einen solchen Vertrag nicht leisten. Die Post-Messi-Ära hätte in zwei Jahren beginnen sollen, doch nun beginnt sie heute», sagt er am Freitag an einer Pressekonferenz. «Messi wird nächste Saison höchstwahrscheinlich bei einem anderen Klub spielen.»
Dass man Druck auf die Liga ausüben wolle, verneint Laporta bestimmt: «Hätten wir der Einigung mit den neuen Investoren zugestimmt, hätten wir mehr Gehalt bezahlen und Messi behalten können. Doch das hätte die Situation nicht besser gemacht.» Dann hätte man einige Verträge einseitig auflösen müssen, was sehr gefährlich gewesen wäre. «Ausserdem können wir den Klub nicht für 50 Jahre an einen solchen Vertrag binden. So kamen wir an den Punkt, dass wir eine Entscheidung treffen mussten, das haben wir getan.» Mehr dazu hier.