Die Nati zeigte bei der 1:2-Niederlage gegen England über weite Strecken eine gute Leistung, aber auch zwei Gesichter. Das sind fünf Erkenntnisse nach dem ersten Auftritt im WM-Jahr 2022.
Xhaka entscheidet nicht mehr über Sieg oder Niederlage
Es ist nicht polemisch gemeint, sondern einfach nur ein Fakt: Ohne Xhaka blieb die Nati in der neuen Ära von Trainer Murat Yakin in sieben Spielen ungeschlagen. Bei der Rückkehr von Xhaka setzte es für die Schweiz die erste Niederlage unter Yakin ab. Die Nati ist weniger abhängig von ihrem Captain als früher, als sie ohne Xhaka jeweils einen heftigen Qualitätseinbruch erlitt.
Diese Erkenntnis ist für die Nati durchaus positiv zu werten und soll die gute Leistung von Xhaka bei seiner Rückkehr nach Verletzungs- und Corona-Absenzen keineswegs schmälern. Der Arsenal-Spieler war sogleich wieder der Chef im Schweizer Spiel, überzeugte mit seiner Spielweise und stand mit seinem Ballgewinn auch am Ursprung des Schweizer Führungstreffers gegen England.
Frei kann nur eine Notlösung sein
Als die Nati im vergangenen Herbst in akute Personalnot geriet, da erinnerte sich Murat Yakin an Fabian Frei, verhalf ihm zu einem überraschenden Nati-Comeback. Der FCB-Spieler überzeugte mit starken Auftritten und hat somit auch wesentlichen Anteil daran, dass die Schweiz die WM-Qualifikation schaffte.
Am Samstag gegen Englands abgezockte Premier-League-Stars wurden dem 33-Jährigen jedoch seine Grenzen aufgezeigt. Nach ansprechendem Beginn verschuldete Frei mit einem fürchterlichen Fehlpass das erste Gegentor und wurde fortan zum Sicherheitsrisiko, schien auch immer wieder mal vom Tempo überfordert.
Fazit: Wegen seinen Verdiensten, aufgrund seiner Variabilität und seiner demütigen Art hat es Frei zwar weiterhin verdient, zum Nati-Kreis zu gehören und womöglich auch ein WM-Ticket zu erhalten. Doch mehr als eine Notlösung, die bei Personalsorgen in der Innenverteidigung oder dem defensiven Mittelfeld in die Bresche springen kann, sollte er eigentlich nicht mehr sein.
Widmer hat Mbabu abgehängt
Es gab Zeiten nach der Ära des langjährigen Captains Stephan Lichtsteiner, da duellierten sich Silvan Widmer und Kevin Mbabu auf der Position des Rechtsverteidigers auf Augenhöhe. Und Mbabu hatte sogar leichte Vorteile. Doch diese Zeiten sind vorerst vorbei, Widmer hat Mbabu inzwischen nicht nur überholt, sondern abgehängt.
Dies war auch am Samstag im Wembley nicht zu übersehen. Widmer stand in der Startformation, begann ganz stark, verletzte sich aber und musste nach 36 Minuten durch Mbabu ersetzt werden. Das hatte Auswirkungen auf das Spiel. Mit Mbabu wurde die Schweiz auf rechts anfällig. Er gewährte seinen Gegenspielern zu viel Platz, des öfteren war sein Timing nicht gut und auch im Spiel nach vorne hatte er nicht die Wirkung von Widmer.
In Chicago ist aus Shaqiri kein schlechterer Fussballer geworden
Als Xherdan Shaqiri im Februar von Lyon zu Chicago Fire in die nordamerikanische MLS (Major League Soccer) wechselte, begannen sich nicht wenige Freunde der Nati Sorgen zu machen. Wird unser Zauberwürfel dort auf genug hohem Level spielen, um der Nationalmannschaft wirklich noch helfen zu können? Dazu muss er jeweils bei jeder Anreise auch noch den Jetlag aus den Knochen schütteln.
Doch die erste Nati-Erfahrung mit Shaqiri als MLS-Spieler ist eine sehr gute. Der Basler sprühte gegen England vor Spielfreude, bereitete das Schweizer 1:0 mit einem Traumpass auf Breel Embolo vor und war für die Engländer vor allem in seiner überragenden ersten Halbzeit nicht zu kontrollieren.
Das erste Fazit: In der MLS muss man nicht zwingend ein schlechterer Fussballer werden. Womöglich ist es in seinem Fall sogar besser so, dass er dort gelandet ist. Denn in Chicago setzt man im Gegensatz zu Lyon oder Liverpool auf Shaqiri und er feierte in dieser kurzen Zeit auch schon einige persönliche Erfolge. Entsprechend viel Selbstvertrauen strahlte der Basler am Samstag aus und mit entsprechend viel Mumm und Spielwitz kurbelte er im Wembley das Schweizer Spiel an.
Der Wert von Freuler wird unterschätzt
Remo Freuler ist eine fixe Grösse in der Nationalmannschaft und doch steht er oft im Schatten von Spielern wie Xhaka, Shaqiri, Embolo oder Yann Sommer. Denn was er tut, ist zumeist nicht spektakulär, sondern eher unauffällig, aber enorm wertvoll für die Mannschaft. Gegen England hatte der Italien-Söldner die besten Zweikampf-Werte des Teams, war für seine Gegenspieler enorm unbequem.
Wie gut Freuler ist, sah man gegen England als er nach 62 Minuten aus dem Spiel ging und durch Djibril Sow ersetzt wurde. Dieser spielte zwar keineswegs schlecht, aber nach Freulers Abgang hatten die Engländer plötzlich ein kleines Spürchen mehr Platz und Zeit, was auf diesem Niveau dann rasch einmal den Unterschied ausmachen kann. Der Wert von Freuler für die Nati wird oft (noch immer) unterschätzt.