Lausanne-Sport kann als Überraschungsteam der Super League bezeichnet werden. Grossen Anteil daran hat der 21-jährige Alvyn Sanches. Dennoch gibt es im Nachwuchsbereich in der Schweiz Luft nach oben.
Dass Lausanne-Sport nach 13 Runden den 6. Tabellenplatz einnimmt, damit konnte nicht gerechnet werden. Die Mannschaft von Trainer Ludovic Magnin hat die letzten vier Partien allesamt gewonnen und kein Gegentor zugelassen. Der Rückstand auf Leader Zürich beträgt lediglich fünf Punkte.
Wird an Lausanne-Sport gedacht, kommt man nicht um den Namen Alvyn Sanches herum. Es ist eine Augenweide, dem in Frankreich geborenen Offensivspieler zuzuschauen. Er ist für die Gegner äusserst schwer zu lesen und deshalb unberechenbar. Allerdings benötigte Sanches wie das Team Anlaufzeit zu Beginn der Saison. Wegen Transfergerüchten war er zunächst nicht frei im Kopf. Das ist nun anders und macht sich in den Statistiken bemerkbar. Blieb er in den ersten fünf Spielen der laufenden Meisterschaft ohne Skorerpunkt, erzielte er in den letzten acht Partien fünf Tore und einen Assist.
Kreativ und introvertiert
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass der Transferwert von Sanches von aktuell vier Millionen Euro noch einiges nach oben schnellen wird. Einer der ihn bestens kennt, ist Sascha Stauch, der ihn beim Schweizer U21-Nationalteam gecoacht hat – in der abgelaufenen EM-Qualifikation gelangen Sanches drei Tore und zwei Vorlagen.
«Er ist ein Spieler, der über eine enorme Kreativität gepaart mit einer guten Abschlussquote verfügt. Er versteht zudem, wie der Fussball funktioniert», sagt Stauch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über Sanches, der eher ein Spätentwickler ist. Als Person beschreibt er ihn als «zurückhaltend und eher introvertiert. Er redet nicht viel, wenn er aber etwas sagt, dann sind es gute Dinge. Er wirkt bescheiden, weiss jedoch genau, was er will. Wenn er diesen Drive beibehält, wird er uns noch viel Freude bereiten.»
Allerdings konnte auch Sanches nicht verhindern, dass das Schweizer U21-Nationalteam in der EM-Qualifikation auf bittere Art und Weise scheiterte und somit nicht zum dritten Mal in Folge an der Endrunde dabei ist.
Das führte zu einer Alarmstimmung, umso mehr, als eine vom Schweizerischen Fussballverband in Auftrag gegebene Studie zum Schluss kam, dass die Schweiz im Vergleich mit Nationen wie Österreich, Kroatien, Belgien und Dänemark, die ähnliche Voraussetzungen haben, sowohl bei der Qualität als auch der Quantität der herausgebrachten Spieler hinterherhinke. Gemäss dieser Studie hat die Schweiz in den letzten fünf Jahren nur noch zwei Top-Spieler produziert.
Glas halbvoll
Stauch sieht das Glas jedoch halbvoll und nicht halbleer. «Wir machen nach wie vor einen guten Job in der Schweiz. Nicht umsonst sind an den Partien des U21-Nationalteam zig Scouts vor Ort.» Deshalb stellt sich für ihn nicht die Frage, was alles schlecht ist, sondern in welchen Bereichen es Optimierungsmöglichkeiten gibt. Was er sich wünschen würde, ist «mehr zielorientiertes Ausbilden im Sinn des Spielers».
Sein Motto lautet: formen, nicht formatieren. «Es gilt sicherzustellen, dass jeder seine Stärken zum Ausdruck bringen kann. So soll zunächst das individuelle Potenzial ausgeschöpft werden. Nur im Teamverbund zu arbeiten, ist nicht immer der richtige Weg.»
Ein Problem sieht Stauch darin, dass den Talenten zu viel abgenommen wird. «Die Motivation sollte intrinsisch (von innen heraus) sein. Viele wollen so sein wie Cristiano Ronaldo, sind aber nicht bereit, etwas dafür zu machen. Sie sehen nicht, wie viel Arbeit bei ihm dahintersteckt. Das müssen wir Trainer noch mehr vermitteln. In erster Linie stehen aber die Spieler in der Pflicht, sich weiterzuentwickeln, entscheiden sie, wie weit es reicht.»
Deshalb sind für Stauch die Einstellung und Mentalität gerade so wichtig wie die fussballerischen Fähigkeiten. Dass in der Nachwuchsarbeit aber nicht alles falsch gemacht wird, unterstreicht die Tatsache, dass mit Rieder, Omeragic, Stergiou, Jashari, Amenda, Hajdari und Loretz sieben Spieler des aktuellen U21-Jahrgangs den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft haben.
Vereine sind gefordert
Zurück zu Sanches. Der 21-Jährige stand in zwölf der 13 bisherigen Meisterschaftsspielen von Lausanne-Sport in der Startelf. Damit ist er eine Ausnahme, denn die Vereine in der Super League setzen kaum noch auf einheimische Talente – die löbliche Ausnahme ist der FC Luzern. «Ich wünschte mir, dass die jungen Spieler in ihren Vereinen mehr Vertrauen und Verantwortung bekommen. Fehler gehören zum Prozess», sagt Strauch.
Eine Lösung wäre nicht nur für ihn die Anzahl der Klubs in der Challenge League zu erhöhen, damit es zumindest auf dieser Ebene mehr Plätze für Talente gibt. Er betont aber auch: «Die Qualität muss schon vorhanden sein.» Der Anspruch müsse sein, dass die Trainer im Nachwuchs die Spieler so gut ausbilden und entwickeln, dass die Vereine gar keine andere Wahl hätten, als auf die Jungen zu setzen. So wie das bei Sanches der Fall ist.
sfy, sda