«Von so weit oben abgestürzt» «Von so weit oben abgestürzt» – so leidet Frankreich nach dem sensationellen EM-Aus

lbe

29.6.2021

Frankreichs Superstars müssen die Segel bereits im EM-Achtelfinal streichen.
Frankreichs Superstars müssen die Segel bereits im EM-Achtelfinal streichen.
Bild: Keystone

Im Land des Weltmeisters ist die Ernüchterung nach dem sensationellen Ausscheiden im EM-Achtelfinal riesig. Die Mannschaft wird harsch kritisiert, aber vor allem Trainer Didier Deschamps kriegt sein Fett weg.

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Ausgerechnet Kylian Mbappé besiegelt am Montagabend mit seinem verschossenen letzten Elfmeter das überraschend frühe EM-Aus Frankreichs. Der Superstar, der sich in einem emotionalen Post in den sozialen Netzwerken noch bei den Fans entschuldigte, wird in Frankreich aber keinesfalls als Alleinschuldiger für die Schmach gesehen. 



«Von so weit oben abgestürzt», titelte beispielsweise die französische Sportzeitung «L’Équipe» nur Minuten nach Abpfiff. Später wird der Auftritt mit einem Wort zusammengefasst: «Desillusioniert». Das Team sei nicht zufällig bestraft worden, zu vieles hätte nicht gestimmt. Es habe spätestens ab dem zweiten EM-Spiel der klare taktische Rahmen gefehlt. Die Folge waren auch Fehler, wie jener von Paul Pogba vor dem 3:3, «ein Ballverlust in einer Zone und zu einem Zeitpunkt, den sich ein Spieler seines Niveaus nicht verzeihen kann».

Thematisiert wird auch die schwache Leistung in der Abwehr: «Ein defensiver Fehler. Die französische Verteidigung wurde gegen die Schweizer verheizt. Von Anfang bis Ende und in jeder Phase des Spiels», schreibt «Le Parisien». Das schonungslose Schlussfazit: «Diese Mannschaft hat es nicht verdient, weiterzukommen.»

Vieira: «Wir haben nicht als Team gespielt»

Deutliche Worte wählt auch Patrick Vieira, 107-facher französischer Nationalspieler, auf «ITV»: «Ich bin wirklich enttäuscht von der Einstellung, die wir auf dem Platz hatten. Es war eine schwache französische Mannschaft. Es gab kein Miteinander, keinen Spirit. Wir haben nicht als Team gespielt», so Vieira. Er fügt an: «Heute Abend müssen wir dem Schweizer Team Anerkennung zollen. Ich glaube fest, dass das bessere Team heute gewonnen hat.»

Das Magazin «So Foot» nimmt dagegen vor allem Trainer Didier Deschamps in die Pflicht: «Hat er vergessen, dass er 26 Spieler hatte? Die Spieler, die auf der Bank blieben, hätten der Mannschaft dringend benötigte Energie geben können.» Und weiter: «Sein Anteil an der Niederlage ist gross, da er dieses Duell von A bis Z vermasselt hat.»

Ins gleiche Rohr bläst «Le Figaro»: «Das ganze DD-Konstrukt vermittelte ständig den Eindruck, verloren zu sein, ja kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Die Weltmeister waren nicht zu sehen. Es war eine echte Schande.»

Leise Vorwürfe an Coman?

Deschamps selbst zeigt sich an der Pressekonferenz nach dem Spiel schwer enttäuscht. «Die gesamte Mannschaft steht zusammen. Auch wenn es ein enttäuschender Moment ist, wir halten zusammen. Wir haben gegen eine starke Schweizer Mannschaft verloren», so der 52-Jährige, der auch Unglücksrabe Mbappé in Schutz nimmt. «Niemand ist ihm böse, ich habe mit unseren Spielern gesprochen. Wir kennen die Stärke dieses Kaders und dieser Mannschaft, wir hatten viele grossartige Momente zusammen. Es gab viele gute Dinge, die wir in diesem Match gemacht haben. Aber nicht alles.»

Weiteren Gesprächsstoff liefert eine hitzige Diskussion mit Bayern-Spieler Kingsley Coman in der Pause der Verlängerung. «Er hat Muskelprobleme im Oberschenkel gespürt, aber er wollte trotz allem weitermachen – im Wissen, dass es schwer wird», klärt Deschamps auf, schiebt aber vielsagend nach: «Es reicht nicht, weitermachen zu wollen, man muss es auch können. Selbst wenn er diesen Willen hätte, merkt er zwei Minuten später, dass es doch nicht möglich ist.»

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