Yann Sommer war mit seinen starken EM-Auftritten einer der Erfolgsgaranten für den Höhenflug der Schweizer Nati. Der Goalie verrät, mit welchem Rezept er im Penaltyschiessen Frankreich-Star Kylian Mbappé verunsicherte.
Beflügelt durch die Geburt seines zweiten Kindes, weswegen Sommer das Team nach dem Spiel gegen Italien kurz verliess, steigerte sich der Keeper zusammen mit seinen Teamkollegen zur Hochform. Sommer erläutert im Interview mit «Sonntags Blick» die Leistungssteigerung: «Wir sind zusammengesessen und haben abgeglichen, was wir voneinander erwarten. Haben uns mit und ohne Trainer in der Gruppe unterhalten. Dieses Team-Treffen war wichtig. Wir redeten über Körpersprache, Leistung, alles, was nicht gestimmt hat. Dann haben wir über unsere Ziele gesprochen. Und gingen Vollgas Richtung Türkei-Spiel.»
Im entscheidenden Vorrundenspiel gegen die Türken war der Keeper wieder der gewohnt starke Rückhalt. Im Achtelfinale wartete dann mit Frankreich ein grosser Brocken. Trotzdem seien sie mit sehr viel Mut und Selbstvertrauen angetreten, so der 32-Jährige: «Wir wussten, das ist der Weltmeister, es werden herausfordernde Momente kommen. Wir hatten dann eine der schwierigsten Phasen, die wir je als Mannschaft erlebt hatten. Erst der verschossene Penalty bei 1:0-Führung, dann 1:3 zurück in einem Achtelfinal. Es gab da einen Moment, als wir uns auf dem Feld angeschaut haben und uns sagten: Wir glauben dran, wir holen jetzt nochmals alles raus. Und daraus resultierten diese schönen Momente.»
«Das ist der entscheidende Moment»
Mehr als schön war es für den Gladbach-Profi, als er in seinem 65. Länderspiel mit der entscheidenden Penalty-Parade gegen Kylian Mbappé den Eintrag in die Geschichtsbücher sicherte. Seine Taktik gegen den PSG-Star – er zeigte mit dem Finger auf eine Ecke und sprang in die andere – war aber «nicht wirklich geplant», wie er verriet.
«Meistens versuchst du im Moment etwas zu machen, um den Spieler aus der Fassung zu bringen. Der Vorteil eines Goalies ist, dass er sich nicht bewegen muss. Der Spieler hat den langen Weg von der Mittellinie bis zum Penalty-Punkt. Der ganze Fokus, all die Kameras sind auf den Schützen gerichtet, er muss noch irgendwo den Ball holen und ihn hinlegen. Das ist der psychologische Moment, der für den Spieler extrem schwer ist, das sagen auch alle Feldspieler. Das ist der Moment, in dem du als Goalie versuchst, ihn zu beeinflussen», sagt Sommer.
Natürlich habe er sich mit Goalie-Trainer Patrick Foletti im Vorfeld auf die Schützen ein wenig vorbereitet, aber inzwischen seien viele Spieler «sehr variabel, wechseln viel und schiessen immer anders», hält Sommer fest.
Nach dem Ausscheiden gab es Fussball-Pause
Vor dem letzten Penalty der Franzosen habe der Schiedsrichter ihn noch gewarnt, erst müsse der VAR überprüfen, ob alles korrekt war und er noch einen Fuss auf der Linie hatte. Deshalb habe er erst verzögert jubeln können: «Als Goalie hast du kein Gefühl dafür. Also wartete ich wie empfohlen, bis er das Tor offiziell gab. Und bin dann losgesprintet. Es wäre ja auch blöd gewesen, wenn ich schon losgerannt wäre und mich dann wieder ins Tor hätte bewegen müssen danach», scherzt er.
Im Viertelfinale gegen Spanien rettete Sommer seine in Unterzahl agierende Mannschaft mirakulös ins Penaltyschiessen. Beim zweiten Nervenkrimi versagten aber gleich bei mehreren seiner Teamkollegen die Nerven. Nach dem bitteren Aus habe er die EM nicht mehr gross verfolgt. Sommer ist trotzdem nicht am Boden: «Ich trauere den Dingen nicht lange nach. Es ist schade, es hat wenig gefehlt. Aber so ist das im Sport.»