Kurz vor dem WM-Start nehmen die Spannungen zwischen dem Gastgeberland Katar und der EU weiter zu. Die Ausrichter werfen den Europäern Arroganz und Doppelmoral vor.
Es kam wohl noch nie ein Ausrichter einer Fussball-WM so schlecht weg wie Katar. In den letzten Wochen und Monaten konzentrierten sich in der westlichen Welt viele Medieninhalte darauf, das Gastgeberland nicht unbedingt im besten Licht zu präsentieren. Man liest von Sklavenarbeit und Tausenden von Opfern beim Bau der Stadien.
Zeitgleich verpassen es die Katarer aber auch, sich in einem besseren Licht darzustellen. Allen voran der frühere Nationalspieler Khalid Salman, der in einem «ZDF»-Interview Homosexualität mit einem «geistigen Schaden» gleichstellte. Da hilft es am Ende wenig, wenn man mit gekauften Fans die Fussball-Euphorie künstlich entfachen will.
EU-Parlament kritisert «blutüberströmte WM»
Die EU hält sich mit Kritik gegenüber Katar dann auch nicht zurück. Im Parlament bezeichnete Miguel Urbán Crespo von der Linksfraktion das kommende Turnier jüngst als «blutüberströmte Weltmeisterschaft», während die Sozialdemokratin Lara Wolters von einer «Weltmeisterschaft der Schande» sprach. Samira Rafaela von der liberalen Fraktion Renew Europe kritisierte die Diskriminierung von Frauen und die Kriminalisierung von Homosexualität.
Bei ihrer Argumentation stützen sie sich die Politiker*innen auf verschiedene Untersuchungen wie beispielsweise jene des «Guardian» aus dem Jahr 2021. Gemäss dieser sind während den Bauarbeiten 6500 Wanderarbeiter*innen gestorben, seit Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fussballweltmeisterschaft erhalten hat.
Über Worte und Taten
Wie auch immer man die Anschuldigungen einordnet, die WM-Ausrichter haben nun langsam die Nase voll davon. Nicht anders ist es zu deuten, dass Arbeitsminister Ali bin Smaikh Al Marri im EU-Parlament die «ständigen Negativmeldungen» jetzt auch aufs Schärfste verurteilt: «Ich weise Hassreden und systematischen Rassismus gegenüber dem katarischen Volk aufs Schärfste zurück», sagt er in seiner Rede und bezeichnet diese im Weiteren auch als «sehr arrogant».
Er bezichtigt die EU und insbesondere Deutschland ausserdem der Doppelmoral: «Auf der einen Seite wird die deutsche Bevölkerung durch Regierungspolitiker falsch informiert, auf der anderen hat die Regierung kein Problem mit uns, wenn es um Energiepartnerschaften oder um Investitionen geht.»
Neuer über die Protestpläne bei Deutschland
Nach dieser Auseinandersetzung ist das Verhältnis kurz vor dem Start der Fussball-WM noch angespannter. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich in den nächsten Tagen wieder etwas beruhigt. Viele Teams haben schon angekündigt, im Rahmen ihrer Spiele Protestsignale auszusenden.
«Wir werden in enger Absprache mit dem DFB, der Mannschaft, dem Mannschaftsrat und den Verantwortlichen sehen, wie weit man gehen kann. Wir machen uns Gedanken und werden unsere Werte vertreten», kündigte etwa Goalie Manuel Neuer im ZDF-«Sportstudio» an.
Neuer wiederholte auch noch einmal seine deutliche Kritik an den homophoben Äusserungen des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman. «Das ist eine absolute Entgleisung. Das stört mich, das ärgert mich, das ist inakzeptabel. Es ist traurig, dass so jemand WM-Botschafter ist», sagte Neuer.