In den beiden höchsten Fussball-Ligen freut man sich ausnahmslos über die baldige Fortsetzung der Meisterschaften – fast. Sion-Präsident Christian Constantin wehrt sich seit Wochen gegen den Neustart und denkt nun über eine Klage nach. Im Interview erläutert er seine Beweggründe.
Mit klarer Mehrheit entschied sich die Swiss Football League am letzten Freitag dafür, die Ende Februar unterbrochene Saison fortzusetzen. Am Montag sind die letzten Super-League-Mannschaften wieder ins Training eingestiegen, darunter auch der FC Sion. Dessen Präsident Christian Constantin ist einer der wenigen Gegner des Neustarts. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur «Keystone-SDA» ärgert er sich über die Kosten: «Ich studiere die rechtlichen Möglichkeiten.»
Christian Constantin, weshalb sind Sie gegen den Neustart der Super League?
Mich ärgert es sehr, Geld zu verlieren (lacht). Ich denke, das ist blöd.
Was wäre Ihre Lösung gewesen?
Meine Lösung wäre ziemlich simpel gewesen: Man stockt die Super League auf zwölf Teams auf und bestreitet in der kommenden Saison 44 Runden. So hätten wir die verpassten Matches nachgeholt und wären unseren Pflichten gegenüber dem TV nachgekommen. Nun haben wir während zwei Monaten Ausgaben und fast keine Einnahmen.
Und wieso fand Ihr Plan keine Beachtung?
Die Anderen ärgert es weniger als mich, Geld zu verlieren.
Geld würden Sie sowieso verlieren, egal ob Sion spielt oder nicht.
Am billigsten kommt es für mich, wenn ich für die Spieler Kurzarbeit beantragen kann. Das ist eine Hilfe, die ich nicht zurückzahlen muss. Mit Kurzarbeit hätte ich rund 300'000 Franken verloren, jetzt werden es 3,5 Millionen sein.
Wieso sehen das die anderen Klub-Präsidenten anders? Was haben die Ihnen gesagt?
Wenn du mit den anderen Präsidenten redest, sagen Sie, dass du recht hast. Und wenn Sie dann abstimmen müssen, sagen Sie, die Swiss Football League habe recht. Von den neun Mitgliedern des Komitees der Swiss Football League sind acht Klub-Präsidenten. Sie sind untereinander solidarisch – natürlich. Sie vertreten die Interessen der Liga. Aber ich sage auch: Jeder darf seine eigene Meinung haben.
Mit ihrer Meinung stehen Sie ziemlich alleine da.
Ich bin alleine. Ich war der Einzige, der gegen die Fortsetzung der Meisterschaft gestimmt hat – vielleicht mit Xamax.
Werden Sie juristisch gegen den Start der Meisterschaft vorgehen?
Ich studiere die Möglichkeiten, die es gibt. Nach meiner Rechnung wird die Liga im August 35 Millionen Franken Schulden gemacht haben. Wieso sollte ich Geld verlieren, wenn nicht alles korrekt abgelaufen ist? Schliesslich war ich ja gegen den Neustart.
Was können Sie konkret unternehmen?
Man kann sich fragen, ob es richtig ist, dass die Liga eine Abstimmung angeordnet hat. Jedes Mitglied hat ganz andere Interessen. Wäre es nicht die Aufgabe der Liga gewesen, die Interessen aller zu berücksichtigen? Im Ausland wurde die Fortsetzung der Meisterschaft ohne Gegenstimmen beschlossen – in der Schweiz nicht.
Können Sie juristisch verlangen, dass die Meisterschaft nicht fortgesetzt wird?
Ich weiss nicht, was rechtlich möglich ist. Fakt ist aber, dass wir kein Recht mehr auf Kurzarbeit haben, wir damit unsere Angestellten bezahlen müssen, aber keine Einnahmen haben. Vielleicht wird im Nachhinein gesagt, dass es nicht richtig war, Klubs zu zwingen, Geld zu verlieren. Der Organisator (die Swiss Football League – Red.) hätte vielleicht anders handeln können. Wenn der Organisator seine Einnahmen abgesichert hätte, hätten auch die Klubs weniger Probleme gehabt.
Sie klären ab, was rechtlich möglich ist?
Ich lasse untersuchen, was möglich ist. Im Moment sind es nur Worte. Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich seit Montag 35'000 Franken pro Tag verliere. Das ist die einzige Wahrheit, die ich kenne.
Wenn der FC Sion um den Titel spielen würde, hätten Sie da nicht für eine Fortsetzung der Meisterschaft plädiert?
Ich erinnere Sie, dass wir um den Cupsieg spielen. Wir wissen, dass wir nicht mehr Meister werden können, aber im Cup sind wir noch dabei. Ich habe also auch ein Interesse daran, dass die Saison fortgeführt wird.
Trotzdem wirft man Ihnen fehlende Solidarität vor.
Wenn man mir sagt, dass ich 3,5 Millionen Franken verlieren muss, um den anderen Klubs zu gefallen, ärgert mich das enorm. Ich bin ein Bauer. Um mein erstes Geld zu verdienen, habe ich Bohnen und Aprikosen gepflückt, Spargeln gestochen. Also ärgert es mich, Geld zu verlieren. Das ist alles. Aber wir haben ja nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sportliche Probleme mit den Ende Juni auslaufenden Spielerverträgen.
Sie haben eben Geoffroy Serey Die und Grégory Karlen verpflichtet, die in dieser Saison nicht zum Einsatz kommen können.
Das Reglement der FIFA sagt etwas anderes. Ich werde jetzt die Spielberechtigung verlangen und wir werden sehen, was die Swiss Football League sagt. Für mich ist der Fall klar: Spieler, die keinen Vertrag mehr haben, dürfen verpflichtet werden.
Trotz allem haben Sie sich also mit dem Neustart abgefunden?
Klar, das ist, was entschieden wurde. Ich akzeptiere das, ich denke bloss, dass es falsch ist. Aber da ich der Einzige bin, der das sagt, habe ich ja vielleicht unrecht.