118 Jahre nach der Gründung ist der Genève-Servette HC zum ersten Mal Schweizer Meister. Das hat auch stark mit der Ausländererhöhung zu tun. Der frischgebackene Schweizer Meister im Porträt.
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- Servette Genf ist nach 118 Jahren zum ersten Mal Schweizer Eishockeymeister geworden. Dabei profitierten sie in dieser Saison auch von der Erhöhung der Ausländerzahl von vier auf sechs.
- Der Kader mit erfahrenen Spielern wie Valtteri Filppula, Daniel Winnik, Linus Omark, Sami Vatanen und Henrik Tömmernes zeigte in der entscheidenden Phase der Playoffs starke Leistungen.
- Der Erfolg ist auch finanziell begründet: Der Klub ist seit 2018 dank der Fondation Hans Wilsdorf, hinter der die Uhrenmarke Rolex steht, wieder auf soliden Beinen.
Die Genfer sind der logische Meister. In der Qualifikation führten sie die Rangliste ab dem 27. September einzig nach der vorletzten Runde nicht an. Sie zogen den grössten Nutzen aus der Erhöhung der Ausländerzahl von vier auf sechs. Kein Team war diesbezüglich besser aufgestellt.
Valtteri Filppula, Teemu Hartikainen und Sami Vatanen gehörten im vergangenen Jahr jenen finnischen Teams an, die sowohl Olympia-Gold als auch den WM-Titel gewannen. Filppula war an beiden Turnieren der Captain, er ist zudem Mitglied des erlauchten «Triple Gold Club», da er 2008 mit den Detroit Red Wings auch Stanley-Cup-Sieger wurde. Dazu kamen Daniel Winnik mit der Erfahrung von 861 Partien in der NHL, Linus Omark, ein begnadeter Techniker, und nicht zuletzt Verteidigungsminister Henrik Tömmernes, der ein Pensum wie kein anderer Spieler in der National League abspulte. Letzterer verlässt den Verein nach sechs Jahren. Umso mehr wollte er den Titel.
Von diesem Sextett ist Vatanen mit 31 Jahren der Jüngste, Omark ist 36, Winnik 38 und Filppula gar 39 Jahre alt. War es eine bewusste Strategie, bei den Ausländern auf Routine zu setzen? «Das war sicher ein Gedanke, dass sie mit ihrer Erfahrung in der wichtigen Phase die jüngeren Spieler unterstützen können», sagt Sportchef Marc Gautschi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Allerdings kriegst du einen Spieler eines Kalibers wie Filppula gar nicht, wenn sie 30 sind.»
Vorbild Filppula
Apropos Filppula. Mit seinem Palmarès könnte er sich auch sagen «ich lasse meine Karriere in einer schönen Stadt noch etwas ausklingen». Er ist jedoch gemäss Gautschi der Erste, der nach den Spielen in den Kraftraum geht. Eine solche Einstellung färbt natürlich auf die Jungen ab. Zudem sind die Ausländer «allgemein extrem pflegeleicht», sagt Gautschi, der das Amt als Sportchef bei Servette seit der Saison 2020/21 ausübt.
Die Verpflichtung von Filppula vor zwei Jahren hatte ausserdem zur Folge, dass Ende September 2021 auch Vatanen nach Genf kam. Der im vergangenen Sommer geholte Hartikainen wiederum ist ein guter Freund von Omark. Das alles half. Mit Hartikainen, der mit einem Gewicht von 106 Kilogramm eine enorme Wasserverdrängung mitbringt und kaum vom Puck zu trennen ist, konnte ein fehlendes Puzzleteil hinzugefügt werden, hatte es doch den Genfern in der Saison zuvor, als sie in den Playoff-Achtelfinals scheiterten, im Spiel fünf gegen fünf an Durchschlagskraft im Slot gefehlt. Hartikainen beendete die Meisterschaft als bester Torschütze.
Dass viel Geld in das ausländische Personal investiert wird, ist auch dem Umstand geschuldet, dass es schwierig ist, Schweizer Topspieler nach Genf zu lotsen. Gautschi relativiert aber: «Ausländer, die schon viel erreicht haben, kosten manchmal weniger als jene, die am Anfang oder mitten in ihrer Karriere stehen.»
Finanziell gut aufgestellt
Wie auch immer ist Servette finanziell definitiv gut aufgestellt, seit die Foundation 1890 um den Genfer Geschäftsmann Didier Fischer den Verein 2018 vor der Insolvenz gerettet hat. Hinter dieser Stiftung steht die Fondation Hans Wilsdorf; der verstorbene Wilsdorf ist der Gründer der Uhren-Marke Rolex. Fischer sagte in einem Interview mit der «NZZ»: «Wenn man eine Chance sieht, muss man den Mut haben anzugreifen.»
Der Mut hat sich nun ausbezahlt. Es ist aber nicht so, dass Gautschi mit dem Geld einfach so um sich werfen kann. Vielmehr muss er «jeden Franken umdrehen und sagen, wofür ich ihn brauche. Irgendwo kann immer Geld eingespart werden. Wir haben sicher keinen teuren Staff, zudem haben wir keinen Teammanager, das mache alles ich. Ich werde auch diesmal locker im Budget sein.»
Geprägt vom Vater
Angeführt wird das Trainerteam vom erst 43-jährigen Jan Cadieux. Seit er Mitte November 2021 den entlassenen Headcoach Patrick Emond, zuvor war er dessen Assistent, abgelöst hat, gewannen die Genfer 67 von 101 Partien. Cadieux verfügt über einen enormen Arbeitseifer; er wurde geprägt von seinem Vater Paul-André, der das Schweizer Eishockey geprägt hat. Zu den Sonntagmorgen-Ritualen gehörte, dass er mit dem Sohn vor dem Fernseher die Spiele des Vorabends genaustens analysierte.
«Die Spieler wissen, dass sie ihn Tag und Nacht anrufen können», sagt Gautschi über Jan Cadieux. «Er nimmt sich viel Zeit für sie, kann gut auf sie eingehen. Er ist ein moderner Trainer mit einem Touch Autorität, die er dem extrem grossen Fachwissen und der hohen Arbeitsmoral verdankt.» Cadieux ist nach Arno Del Curto (sechsmal mit Davos) und Lars Leuenberger (2016 mit Bern) erst der dritte in der Schweiz geborene Trainer, der seit Einführung der Playoffs in der höchsten Schweizer Liga 1985/86 eine Mannschaft zum Titel geführt hat.
McSorley legte die Basis des Erfolgs
Einen grossen Anteil am Erfolg der Genfer hat auch der inzwischen unerwünschte Chris McSorley, der sich mit dem Verein in einem Rechtsstreit befindet – es geht um gut 7,6 Millionen Franken. Ohne ihn wäre Servette heute kaum Meister. Mit dem Kanadier als Trainer und Manager kehrten die Genfer 2002 in damalige Nationalliga A zurück, von 2005 bis 2014 war er auch Mitbesitzer des Klubs. 2008 (2:4 gegen die ZSC Lions) und 2010 (3:4 gegen Bern) führte McSorley die Genfer in den Playoff-Final. Auch 2021 erreichten sie die finale Serie, waren gegen Zug (0:3) allerdings chancenlos.
Im vierten Anlauf klappte es nun mit dem ersten Meistertitel. «Es gehört auch Glück dazu», gibt sich Gautschi bescheiden. «Wir hatten einen guten Start, siegten in Partien, die wir aufgrund der Spielanteile nicht hätten gewinnen sollen, und kamen dann in einen guten Flow.» Zudem habe die enttäuschende letzte Saison zu einer anderen Denkweise geführt. So war bei den Spielern von Anfang an der Titel das Ziel, entsprechend hart wurde gearbeitet. Mit dem Sommertraining begannen die Genfer schon Mitte April.
Grosse Veränderungen gibt es in der Mannschaft für die nächste Saison nicht. Tömmernes wird durch den 28-jährigen Landsmann Theodor Lennström ersetzt. «Unsere Schweizer Spieler sind relativ jung. Diesbezüglich sind wir gut aufgestellt. Bei den Ausländern denke ich, wird es im nächsten Jahr mal einen Umbruch geben», sagt Gautschi. Zudem ist sein Ziel, junge Spieler an das Niveau der National League heranzuführen. Erst einmal wird aber gefeiert.