«Too big to fail» Wie ein stabileres Banksystem aussehen könnte

mmi

12.4.2023

Der Paradeplatz in Zürich steht symbolisch für das Herzstück des Schweizer Bankensystems. Für mehr Stabilität wird ein alter Vorschlag neu diskutiert: die Einführung des Trennbankensystems.
Der Paradeplatz in Zürich steht symbolisch für das Herzstück des Schweizer Bankensystems. Für mehr Stabilität wird ein alter Vorschlag neu diskutiert: die Einführung des Trennbankensystems.
Bild: Keystone

Der Megabanken-Deal ist allmählich in trockenen Tüchern. Wie das Schweizer Bankensystem nach dem Beben an Stabilität zurückgewinnen soll, wird zurzeit heiss diskutiert. Die wichtigsten Vorschläge im Check.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Trotz der «Too big to fail»-Regulierung ist die Credit Suisse untergegangen. 
  • Nun fordern Politik und Ökonomi*innen Massnahmen, um das Bankensystem stabiler zu machen. 
  • Die Vorschläge reichen von höheren Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen, besserem Einlageschutz über das Trennbankensystem bis hin zu einem radikalen Systemwechsel.

«Too big to fail» – dieses Regelwerk haben Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt, nach der staatlichen Rettung der UBS 2008, erarbeitet.

Fünfzehn Jahre später ist die Ernüchterung gross. All die Standards für die Kapitalanforderungen, die Notfallpläne und Gesetze waren offenbar für den «Kübel» produziert worden. Wieder musste eine Bank in Schieflage durch den Staat gerettet werden.

Die Begründung der Verwantwortlichen: Der internationale Teil der Credit Suisse sei zu verästelt, zu viele Rechtsräume seien betroffen, ein Konkurs hätte eine globale Krise ausgelöst. 

Und so prägen Vorschläge den öffentlichen Diskurs, wie die, dass das Schweizer Finanzsystem wieder stabiler wird, ohne dass der Staat am Ende wieder in die Bresche springen muss. 

Reichen ein paar Änderungen in der «Too big to fail»-Regulierungen oder braucht es einen radikalen Systemwechsel?

Die Handelszeitung hat die in der Politik und von Expert*innen diskutierten Vorschläge unter die Lupe genommen.

Höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen

Damit eine Bank gar nicht in Schieflage gerät, muss diese besser kapitalisiert sein und grösseres Liquiditätspolster ausweisen. Nach der Finanzkrise hat man sich weltweit für höhere Kapital- und Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken geeinigt. Das heisst im internationalen Umfeld muss der Anteil des harten Eigenkapitals an der Bilanzsumme drei Prozent betragen, für Schweizer Grossbanken gelten sogar 3,5 Prozent.

Nun fordert die Politik diese, Quote noch zu erhöhen, und zwar auf bis zu 20 Prozent. Finanzexperten sprechen sich grundsätzlich auch für eine Erhöhung des Eigenkapitals und der Liquidität aus. Jedoch variieren dessen Forderungen zwischen zehn und 30 Prozent.

Besserer Schutz der Einlagen

Hierzulande sind Kundengelder bis zu 100’000 Franken durch die Einlagensicherung Esisuisse und das sogenannte Konkursprivileg geschützt. Zum Vergleich: In den USA sind Einlagen bis zur Höhe von 250’000 Dollar geschützt.

Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank prüfen die US-Amerikaner nun, die Einlagen besser zu sichern.

Auch in der Schweiz werden Forderungen nach höheren Einlagensicherungen laut. Um wie viel die Einlagen gesichert werden sollen, ist unklar. Einige Stimmen sind jedoch überzeugt, wenn die Kundinnen und Kunden der CS, aber auch der Silicon Valley Bank, gewusst hätten, dass ihre Gelder bei der Bank staatlich geschützt und jederzeit verfügbar bleiben, wäre es womöglich nicht zum Banken-Run gekommen. 

Funktionierende Abwicklungspläne

Aufspalten, sanieren und abwickeln – dieses Vorgehen wurde im Falle der CS rasch beiseitegelegt. Der Grund, wie bereits oben erwähnt, sei die internationale Verästelung mit Aussichten auf eine globale Finanzkrise gewesen. Nebst den rechtlichen Schwierigkeiten sei bei systemrelevanten Grossbanken eine derart rasche Sanierung und Abwicklung in so kurzer Zeit gar nicht möglich, sind sich Finanzprofessoren und Kenner einig.

Das Trennbankensystem einführen

Die heutigen Grossbanken bieten alles an: vom einfachen Zahlungsverkehr über Hypothekargeschäfte bis hin zur Anlageberatung, komplizierte Devisengeschäfte und den Gang an die Börse. Im Fachjargon werden die Tausendsassas Universalbanken genannt. 

Das Trennbankensystem hingegen würde sämtliche Geschäftsfelder strikt trennen und somit eine Bank dazu zwingen, ob sie entweder als Investmentbank oder als Geschäftsbank auftreten will.

Das Trennbankensystem ist nicht neu. Bereits in den 1930er-Jahren hatte die USA dieses Modell eingeführt, als Reaktion auf die damalige Deflation und Depression. Seit 2008 gewinnt die Idee des Trennbankensystems an Popularität.

Vollgeldsystem

In einem Vollgeldsystem müssen die durch die Bank vergebenen Kredite zu 100 Prozent durch Reserven gedeckt sein. Bis dato müssen die Finanzinstitute nur einen gewissen Anteil der Kundenguthaben als Reserven zur Auszahlung verfügbar halten.

Die Idee des Vollgeldsystems kam ebenfalls in den 1930er-Jahren in den USA auf. In der Schweiz wurde die Vollgeldinitiative vor fünf Jahren jedoch klar abgelehnt.

Radikaler Umbau

Wie die «Handelszeitung» schreibt, löse sich jede Bankenkrise zu einem neuen Regulierungsschub. Über 800 Seiten umfasst das Regelwerk Basel III, das für internationale Banken gilt. Und dennoch ist die Credit Suisse zum Sündenfall verkommen. 

Der promovierte Ökonom Jürg Müller vom Thinktank Avenir Suisse ist überzeugt, dass die Digitalisierung für das Finanzsystem zu komplex geworden sei, was eine richtige Regulierung verunmögliche. 

Ökonomen weltweit fordern deshalb, Regulierungen und Garantien rückabwickeln zu lassen und das Bankensystem radikal zu erneuern – denn immer mehr vom Gleichen könne nicht die Lösung sein.

Müller schlägt deshalb eine Mischung aus Vollgeld und Free Banking vor. Das heisst, das Konzept der beschränkten Haftung müsse angepasst werden, eine sogenannte systemische Solvenzregel, sagt Müller. Das würde bedeuten, dass alle Firmen den Gesamtwert der Realvermögen mindesten dem Wert der Verbindlichkeiten in einer Worst-Case-Finanzlage entspricht.

Heute gilt ein Unternehmen als solvent, wenn dessen Vermögenswerte grösser als seine Verbindlichkeiten sind.

Fazit: Schnelle Lösung gibt es nicht

Das Fazit der vorgestellten Lösungen ist kurz: Eine schnelle Lösung für ein stabileres Bankensystem gibt es nicht. Die «Too big to fail»-Regulierung muss grundlegend überdenkt werden, was Monate und Jahre in Anspruch nehmen kann. Bis eine neue Lösung spruchreif ist, dürfte es ähnlich wie bis anhin weitergehen. Also die Kapitalanforderungen erhöhen und neue Stresstests einführen.

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