Der Nebel kehrt zurückWas Sie über das Herbst-Phänomen noch nicht wussten
Von Gil Bieler
7.10.2019
Der Nebel trübt manchem die Laune – dabei ist er in der Schweiz auf dem Rückzug. Weshalb das so ist und wo die notorischen Nebel-Hochburgen liegen: Hier gibt es Wissenswertes zum grauen Herbstphänomen.
Wie man den herbstlichen Nebel sieht, liegt im Auge des Betrachters. Manche sehen darin etwas Schönes, Mystisches, andere nur deprimierendes Grau. Ansichtssache.
Wie weit man im Nebel sieht, das ist dagegen klar festgelegt. Denn von Nebel spricht man erst ab einer bestimmten Dichte. Eine Person, die im Nebel steht, kann gemäss Definition von MeteoSchweiz weniger als einen Kilometer weit sehen.
Nebel und Hochnebel bestehen beide aus winzigen Wassertröpfchen, die in der Luft schweben, doch tun sie das in unterschiedlicher Höhe. Nebel liegt auf der Erdoberfläche. Hochnebel dagegen – nomen est omen – schwebt über unseren Köpfen. Am Boden sieht man also dennoch über einen Kilometer weit. MeteoSchweiz spricht bis zu einer Obergrenze von circa 2'000 Metern Höhe von Hochnebel, alles darüber geht schon als Bewölkung durch. Denn auch Wolken sind nichts anderes als Nebel.
Der Nebel ist auf dem Rückzug
Zwar wird Nebel weniger oft erfasst als zum Beispiel der Sonnenschein, aber einzelne Messstationen unterhält MeteoSchweiz, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, dennoch. Etwa am Flughafen Zürich. Gute Sichtverhältnisse sind schliesslich relevant für die Flugsicherheit.
Die Daten zeigen: Gab es in Kloten in den Siebzigerjahren teils noch an über 80 Tagen pro Jahr Nebel, schwankt deren Zahl seit 2010 zwischen 50 und 60. Und diese Entwicklung widerspiegelt laut einer Studie von MeteoSchweiz den generellen Trend: Hatte es im Zeitraum von 1971 bis 1990 von September bis November im Schnitt 30 Tage mit Bodennebel, sank dieser Wert im Zeitraum von 1995 bis 2014 auf 25 Tage.
Über die Gründe für diese Entwicklung können die Klimatologen erst spekulieren. Thomas Schlegel, Klimatologe bei MeteoSchweiz, sagt gegenüber «Bluewin», dass zum Beispiel Wetterbedingungen, die die Nebelbildung begünstigen, in den letzten Jahrzehnten im Rückgang seien. Das könne aber auch ein Zufall sein.
Ausserdem gilt auch der Klimawandel als ein möglicher Erklärungsversuch: «Solange der Boden zu warm ist, hat es der Nebel schwerer», erklärte ETH-Forscher Werner Eugster einmal der «Schweiz am Sonntag». Auch die zunehmende Bautätigkeit im Mittelland könnte eine Rolle spielen. Seine Erklärung: Bäume und Pflanzen geben ständig Feuchtigkeit an die Umgebung ab. Wird die Vegetation ausgedünnt, wird auch die Luft trockener – was die Nebelbildung erschwert. Auch die zunehmende Trockenlegung der Böden trockne die Luft aus.
Wo liegen die notorischen Nebelgebiete?
Es gibt also seltener Nebel, das ist Fakt. Für Leser aus dem Mittelland könnte das dennoch zweifelhaft klingen – aus gutem Grund. Denn Daten von MeteoSchweiz zeigen auch, dass das Klischee vom vernebelten Mittelland stimmt. Die Grafik unten fasst zusammen, in welchen Monaten an verschiedenen Messstationen Nebel beobachtet wurde.
Die Messstationen Wynau BE und Buchs-Aarau schwingen dabei mit schöner Regelmässigkeit obenauf. Dass Nebel vor allem in Herbst- und Wintermonaten auftritt, dürfte klar sein. Die Beobachtungen umfassen die Jahre von 1981 bis 2000.
Die notorischen Nebelhochburgen der Schweiz verortet MeteoSchweiz in folgenden Regionen:
– der Aare entlang etwa von Biel ostwärts, mit einem «Hotspot» im Aargauer Wasserschloss – im Reusstal unterhalb von Luzern – im Wigger-, Suhre- und Wynatal, in der Region um den Hallwilersee und den Baldeggersee, im Freiamt – im Limmat- und im Glattal – in der Region um den Bodensee und entlang der Thur
Das Mittelland, eine «Badewanne»
Den Grund, weshalb das Mittelland besonders häufig von Nebel betroffen ist, kennt Klimatologe Thomas Schlegel: Da kalte Luft schwerer ist als warme, sammelt sie sich in den tiefsten Lagen einer Region, wie er auf Anfrage erklärt. «Das Mittelland ist zwischen Alpen und Jura eingeklemmt, wie eine Badewanne, in der sich die kalte Luft sammelt. Daher ist es der ideale Ort für die Nebelbildung», sagt Schlegel.
Das Problem: Kalte Luft kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme – und durch die nächtliche Abstrahlung wird die Luft in der «Badewanne» immer kühler und feuchter. Ist sie erst einmal «vollgesogen», wird die überschüssige Feuchtigkeit in Form von Nebelwolken sichtbar.
Ausserdem fördern grosse Wasserflächen wie Seen und Flüsse die Nebelbildung vor allem zu Beginn der Nebelsaison im Herbst, erklärt Schlegel. Aus dem noch relativ warmen Wasser verdunstet noch viel Wasserdampf in die darüber liegende kühle Luft, was die Sättigung der Luft beschleunigt. Kühlt das Wasser weiter ab, geht die Verdunstung zurück und der Einfluss der Wasserflächen auf die Nebelbildung ebenfalls.
Wer dem Nebel auch Schönes abgewinnen kann, sollte sich daher öfter am Wasser aufhalten. Und abschätzen, ob er den Blick einen Kilometer weit übers Wasser schweifen lassen kann oder nicht.
Über dem Nebelmeer die Sonne geniessen dank Nebelkarte
Der zähe Hochnebel gehört in den Herbstmonaten genauso zum Mittelland wie der «Zibelemärit» zu Bern. Doch zum Glück hat die Schweiz Berge: Der Informatiker Stefan Keller hat eine Nebelkarte entworfen, die anzeigt, wo man dem Nebel entfliehen kann.
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