SP-Rezept gegen Kostenexplosion Wer viel verdient, soll auch höhere Prämien bezahlen

red.

25.9.2023

«85 Prozent der Bevölkerung würden finanziell entlastet»: SP-Nationalrätin Samira Marti kommentiert in der Presse die Prämienpläne ihrer Partei. 
«85 Prozent der Bevölkerung würden finanziell entlastet»: SP-Nationalrätin Samira Marti kommentiert in der Presse die Prämienpläne ihrer Partei. 
Bild: Keystone

Bevor der Prämienanstieg für 2024 bekannt wird, kommen neue Ideen aufs Tapet: Die SP will die Prämien an das Einkommen koppeln. In Zürich geben derweil die Prämienverbilligungen zu reden.

red.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bevor die Krankenkassenprämien für 2024 bekannt gegeben werden, kursieren neue politische Ideen zur Eindämmung.
  • Die SP will die Prämien vom Einkommen eines Haushalts abhängig machen.
  • Laut SP würde davon eine Mehrheit der Bevölkerung profitieren.

Die Krankenkassenprämien steigen und steigen, am morgigen Dienstag wird Bundespräsident Alain Berset die Prämien für 2024 bekannt geben. Erwartet wird ein happiger Aufschlag von bis zu neun Prozent.

Die Politik sucht fieberhaft nach Wegen, wie die Kostenspirale gebremst werden könnte. Dabei werden auch immer mehr Tabus offen infrage gestellt: Nachdem die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) etwa kürzlich die obligatorische Grundversicherung infrage stellte, liebäugelt die SP-Parteispitze jetzt mit Prämien, die an das Einkommen gekoppelt sind.

Das wäre eine Abschaffung der heute gültigen Kopfprämie, derzufolge ein Top-Banker gleich viel Prämien bezahlt wie eine Reinigungskraft.

Laut SP profitiert eine grosse Mehrheit der Bevölkerung

Die SP hat durchgerechnet, wie sich eine einkommensabhängige Krankenkassenprämie finanziell für die Menschen in der Schweiz auswirken würde. Die Titel von CH Media haben Einblick in die Dokumente erhalten und am Montag darüber berichtet.

Laut den SP-Berechnungen würde eine klare Mehrheit von einem solchen Wechsel profitieren: «85 Prozent der Bevölkerung würden finanziell entlastet», erklärt SP-Nationalrätin Samira Marti (BL) zu den Zahlen. Sie leitet seit Kurzem zusammen mit Samuel Bendahan auch die Bundeshaus-Fraktion der Partei. 

Am meisten profitieren würden demnach Familien. Eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Einkommen von 140’000 Franken brutto würde neu 166 Franken pro Monat bezahlen und damit bis zu über 1000 Franken einsparen – pro Monat. Bis zu einem Jahreseinkommen von 100’000 Franken würde die Krankenkasse sogar gratis.

Wer viel verdient, wird zur Kasse gebeten

Mehr bezahlen müssten natürlich die übrigen 15 Prozent der Bevölkerung, was die Besserverdienenden sind: Ein Ehepaar mit einem Jahreseinkommen von 250’000 Franken müsste gemäss Bericht jährlich über 29’000 Franken bezahlen.

Interessanterweise sind das mehr als 10 Prozent ihres Einkommens – und die SP ist es gerade, die mit ihrer Prämienentlastungs-Initiative fordert, dass die niemand mehr als 10 Prozent des Einkommens für die Prämien aufwenden soll.

Von CH Media auf diese Diskrepanz angesprochen, erklärt Marti, die Berechnungen seien lediglich ein Denkanstoss. Ein Prämiendeckel wäre immer noch denkbar.

Die Forderung nach einkommensabhängigen Prämien kommt bei Lukas Engelberger, Vorsteher der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren und Basler Mitte-Regierungsrat, alles andere als gut an. Er sagt zu CH Media: «Eine höhere Prämie für Gutverdienende könnte neue Fehlanreize schaffen und die Solidarität schwächen.»

Rickli will bei Prämienverbilligungen kürzen

Für all jene, die wegen der Prämienlast finanzielle Nöte bekommen, gibt es Prämienverbilligungen. Doch für die Zürcher Bevölkerung gibt es hier Änderungen, wie die Tamedia-Titel am Montag berichten: So wolle die Zürcher Gesundheitsdirektorin Rickli Abstriche bei den Prämienverbilligungen vornehmen.

Statt 30 Prozent der Bevölkerung – wie der politische Konsens lautet – sollen bis 2027 offiziell nur noch 24 Prozent der Menschen Verbilligungen erhalten. Das ist der Finanzplanung des Kantons zu entnehmen, die kürzlich veröffentlicht wurde.

Während bisher 30 Prozent der Bevölkerung Prämienverbilligungen erhalten, sollen dieser Anteil bis 2027 auf 24 Prozent gesenkt werden. Dies sieht die Finanzplanung des Kantons vor. 

Krankenkassenprämien steigen 2023 um 6,6 Prozent

Krankenkassenprämien steigen 2023 um 6,6 Prozent

Die Krankenkassenprämien steigen 2023 um durchschnittlich 6,6 Prozent. Die mittlere Monatsprämien wird sich damit auf 334,70 Franken belaufen. Zurückzuführen ist das auf die Covid-19-Pandemie und die Nachholeffekte etwa durch verschobene Eingriffe.

27.09.2022

Nicole Wyss, Kantonsrätin der Alternativen Liste, kritisiert in dem Bericht diese Pläne. Die Regierung handle «feige», wenn sie diesen Abbau in der Finanzplanung quasi vor dem Volk verstecke. Ausserdem habe der Zürcher Kantonsrat die 30-Prozent-Quote bei der letzten Gesetzesrevision einstimmig als Leistungsziel festgelegt. Wyss kündigt denn auch Widerstand gegen diese Pläne an. 

Gesundheitsdirektion wehrt sich

Ricklis Gesundheitsdirektion widerspricht: «Die tiefere Bezügerquote ist Ausdruck der höheren Bedarfsgerechtigkeit, die vom Kantonsrat mit dem Systemwechsel angestrebt wurde», wird der Kommunikationschef Patrick Borer zitiert. Dieser Systemwechsel wurde bereits 2021 beschlossen, mit dem Ziel, dass weniger Menschen Prämienverbilligungen erhalten, die darauf gar nicht angewiesen seien. 

In einem Communiqué vom Montagabend kritisiert die Gesundheitsdirektion die Tamedia-Berichterstattung als «irreführend». Das neue System sei gerechter als das alte und sorge dafür, «dass jeder Franken über die Jahre am richtigen Ort ankommt», heisst es in der Mitteilung. Die Gesundheitsdirektion und ihre Vorsteherin Natalie Rickli würden lediglich «ein System umsetzen, welches vom Kantonsrat so beschlossen wurde».

«Das neue System ist sehr gerecht», hält der Kommunikationschef der Gesundheitsdirektion auch in den Tamedia-Medien fest. So hätten beispielsweise zahlreiche junge Erwachsene den Anspruch auf die Verbilligungen verloren, weil sie inzwischen gut verdienen.