100 Prozent Schutz gibt es nichtWarum es manchmal zu Impfdurchbrüchen kommt
Von Andreas Fischer
16.9.2021
Trotz vollständiger Corona-Impfung stirbt Ex-Nationalrat Andreas Herczog an Covid-19: Berichte über Impfdurchbrüche häufen sich. Was steckt dahinter?
Von Andreas Fischer
16.09.2021, 17:37
17.09.2021, 08:37
Von Andreas Fischer
Vollständig gegen Corona geimpft und trotzdem infiziert oder gar erkrankt: Die Zahl solcher Fälle steigt. Einige Patienten müssen hospitalisiert werden, auch Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19 sind trotz Impfung möglich. So ist der Zürcher Alt-Nationalrat Andreas Herczog (SP) im Alter von 74 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben, obwohl er doppelt geimpft war.
Berichte über solche Fälle verunsichern viele Menschen, obwohl Experten immer wieder betonen, dass Infektionen trotz Impfung kein Zeichen dafür sind, dass die Impfstoffe nicht wirken. Angesichts vermehrter Impfdurchbrüche
Wovor schützen Corona-Impfungen?
Dass eine Impfung nicht zu 100 Prozent Schutz bietet, war von Anfang an bekannt. Geimpfte haben aber ein deutlich geringeres Risiko, zu erkranken oder gar zu sterben. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Schutz vor symptomatischen Infektionen zwischen 80 und 90 Prozent und bei schweren Infektionen noch darüber liegt.
Das heisst: Geimpfte zeigen nur selten Symptome und werden noch seltener schwer krank. Anstecken können sie sich trotzdem. Und das sollte vor allem diejenigen Sorgen machen, die bislang noch nicht geimpft sind. Zahlen aus den Spitälern stützen dies: 90 Prozent der Corona-Patienten auf den Intensivstationen sind ungeimpft.
Was ist ein Impfdurchbruch?
Als Impfdurchbruch gilt eine Sars-CoV-2-Infektion mit Krankheitssymptomen, die bei einem vollständig geimpften Menschen diagnostiziert und mit einem PCR-Test bestätigt wurde. Der Zeitpunkt der zweiten Impfung muss dabei mindestens zwei Wochen zurückliegen, da der Impfschutz eine gewisse Zeit braucht, um sich vollständig aufzubauen.
Wie viele Impfdurchbrüche gab es bislang in der Schweiz?
Im aktuellen Bericht (PDF-Download) zur epidemiologischen Lage vom 12. September 2021 meldet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 1845 bekannte Corona-Infektionen bei vollständig Geimpften seit dem 27. Januar. 216 Personen mussten ins Spital, 47 Menschen sind trotz Impfschutz an den Folgen von Covid-19 gestorben.
Im Verhältnis zu den insgesamt 300'347 gemeldeten Fällen von Coronavirus-Ansteckungen im gleichen Zeitraum sowie zu den Hospitalisationen und Todesfällen sei die Zahl der Impfdurchbrüche «sehr niedrig», schreibt das BAG. Sie würden in dem Bereich liegen, der gemäss Zulassungsstudien zu erwarten gewesen sei.
Von den insgesamt mehr als 4,5 Millionen vollständig geimpften Personen in der Schweiz steckten sich 0,04 Prozent mit dem Coronavirus an, hospitalisiert wurden 0,004 Prozent, rund eine von hunderttausend Geimpften (0,001 Prozent) ist trotz Impfung am Coronavirus gestorben.
Wie hoch ist die Dunkelziffer bei Impfdurchbrüchen?
Das ist schwer zu sagen, weil allfällige Corona-Infektionen bei vollständiger Impfung in den meisten Fällen mild oder symptomfrei verlaufen. Das BAG geht daher von einer «beträchtlichen Dunkelziffer» aus. Der deutsche Immunologie Carsten Watzl merkt dazu gegenüber der Nachrichtenagentur dpa an: «Solche Infektionen würden sich nur per Zufall detektieren lassen, weil sich Geimpfte kaum testen lassen.»
Wer ist besonders durch Impfdurchbrüche gefährdet?
Impfdurchbrüche sind in allen Altersgruppen möglich. Die absoluten Zahlen der entdeckten Infektionen trotz Impfung verteilen sich recht gleichmässig. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass die Impfquote in den Altersgruppen unterschiedlich hoch ist.
Bei den Hospitalisationen und Todesfällen zeigt sich aber, dass die älteren Generationen besonders gefährdet sind. 65 Prozent der im Spital behandelten geimpften Patienten waren älter als 70 Jahre. Die meisten Todesfälle (39 von 47) wurden bei den über 80-Jährigen registriert.
«Ein Todesfall bei einer zweifach geimpften Person aufgrund von Sars-Cov-2 allein ist sicher sehr, sehr selten und ungewöhnlich», sagt Huldrych Günthard vom Unispital Zürich im «Blick». Die Impfung schütze in den allermeisten Fällen auch bei alten Leuten vor einem schweren Verlauf, «aber halt nicht bei allen».
Mindern Auffrischungsimpfungen die Gefahr von Impfdurchbrüchen?
Anders als etwa eine Impfung gegen die Masern hält eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus nicht ein Leben lang. Vielmehr scheint die Impfwirkung nach einiger Zeit nachzulassen, wie verschiedene Studien zeigen.
Eine Auffrischungsimpfung gibt es in der Schweiz mit Ausnahmen für Menschen mit geschwächtem Immunsystem vorerst nicht, wie Christoph Berger, Präsident der Eidgenössische Kommission für Impffragen (Ekif), am Dienstag erklärte.
Der Impfschutz mit zwei Dosen reiche gegen einen schweren Krankheitsverlauf und das Immungedächtnis wehre die Coronaviren ab. Das gelte auch für die Delta-Mutation, erklärt Berger. Wenn die Impfung nicht mehr ausreichend wirken würde, könnte man immer noch mit einer dritten Dosis reagieren. Der Impf-Chef nimmt aber nicht an, dass das schon in ein oder zwei Monaten der Fall ist.
Die Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna haben derweil bei Swissmedic bereits ein Zulassungsgesuch für eine dritte Dosis eingereicht. Es geht um eine Anpassung der bestehenden Dosierungsempfehlungen und eine Zulassungserweiterung.
In anderen Ländern wird schon mit den Booster-Impfungen begonnen. In Israel haben alle Geimpften die Möglichkeit, frühestens fünf Monate nach der zweiten Dosis eine Auffrischung zu bekommen. In Grossbritannien und Italien sind sie für einige Bevölkerungsgruppen vorgesehen.