«In meinem Alter nimmt einen niemand» Vermieter wirft 77-Jährige aus Wohnung, die früher ihr gehörte

phi

25.6.2024

Eine 77-Jährige muss die Wohnung räumen, die ihr einst gehörte. (Symbolbild)
Eine 77-Jährige muss die Wohnung räumen, die ihr einst gehörte. (Symbolbild)
Symbolbild: KEYSTONE

Eine Seniorin aus dem Kanton Zürich muss die Wohnung zwangsweise räumen, die ihr einst gehört hat. Experten warnen vor dem Fehler, in so einem Fall kein lebenslanges Wohnrecht zu vereinbaren.

phi

25.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine Seniorin verkauft 2014 nach dem Tod ihres Mannes die gemeinsame Wohnung.
  • Schnell kommt es zum Streit wegen ausbleibender Reparaturen und der Höhe der Miete.
  • Zwischen 2016 und 2022 wird der 77-Jährigen mehrfach gekündigt. Durch einen Vergleich wird die Frist bis zum 31. März 2024 verlängert.
  • Als die Rentnerin sich weiter wehrt, urteilt das Bezirksgericht, die Frau habe mit dem Vergleich die Kündigung akzeptiert und müsse bis zum 17. Juni raus.
  • Experten mahnen, in so einem Fall ein lebenslanges Wohnrecht auszuhandeln – auch weil über 64-Jährige auf dem Wohnungsmarkt kaum eine Chance hätten.

Einer 77-Jährigen aus dem Kanton Zürich droht die Zwangsräumung aus der Wohnung, die sie und ihr Mann sich einst gekauft haben. Das Problem: Nach dem Tod ihres Gatten verkaufte die Frau ihre Bleibe weiter. Das Paar hatte ihre Pensionsgelder investiert – und die Witwe stand vor einer angespannten finanziellen Situation, berichtet der «Tages-Anzeiger».

Im Juli 2014 wird die Wohnung an den Besitzer eines Dachdecker- und Immobilienunternehmens aus dem Kanton Graubünden verkauft, heisst es weiter. Laut dem neuen Mietvertrag zahlt die Verkäuferin 3300 Franken netto monatlich für ihre Miete. Die Nebenkosten sind in dem Dokument aber nicht sauber aufgeführt, wie es vorgeschrieben ist.

«Dieser Kauf war meinerseits ein Fehler»

Schnell kommt es zum Streit zwischen den beiden Parteien: Der Vermieter führt Reparaturen nicht ordnungsgemäss aus, so der Vorwurf. Die Seniorin will die Miete reduzieren – auch weil eine Nachbarwohnung günstiger vermietet werde. «Dieser Kauf war meinerseits ein Fehler», schreibt ihr der Vermieter schon nach wenigen Monaten.

Die Miete, die sie zahlen will, sei «ein Witz»: Noch vor Ablauf der Mindestmietdauer legt der Vermieter im März 2016 der Rentnerin einen Aufhebungsvertrag vor, den die Dame ignoriert. Ein Jahr später versucht es der Vermieter erneut mit einer Kündigung – nur einen Tag, nachdem die 77-Jährige meldet, der Geschirrspüler sei kaputt. 

Die Mieterin wehrt sich gegen die Kündigung, die zunächst zurückgezogen wird, bis im November 2022 erneut das Mietverhältnis schriftlich ohne eine Begründung beendet wird. Es stellt sich heraus, dass die Wohnung weiterverkauft werden soll – ohne einen Mietenden darin. Ihr Anwalt erreicht einen Vergleich, nach dem die Frau ein weiteres Jahr dort wohnen bleiben darf.

«In meinem Alter nimmt einen niemand mehr»

Doch bis zum definitiven Kündigungstermin am 31. März 2024 findet die Dame keine neue Bleibe. «In meinem Alter nimmt einen niemand mehr», sagt sie dem «Tages-Anzeiger». Nun wird ihr der Vergleich zum Verhängnis, durch den sie ein weiteres Jahr bleiben konnte, wo sie ist: Damit habe sie die Kündigung akzeptiert, urteilt das Bezirksgericht – und weist die Frau an, bis zum 17. Juni auszuziehen.

Die Seniorin versucht nun, tapfer zu sein: «Ich muss nun einfach loslassen.» Auf der Strasse wird sie nicht landen, weiss der «Tages-Anzeiger»: Die Gemeinde werde ihr ein Zimmer in einer Notunterkunft stellen. Eine neue Wohnung zu finden, werde schwer, weiss Walter Angst vom Zürcher Mieterinnen- und Mieterverband: «Wer über 64 ist, dessen Bewerbung landet in der Regel sofort auf dem Absagehaufen.»

Experten warnen Senioren davor, Wohnung oder Haus ohne eine Abmachung zu veräussern: «Ich würde davon abraten, die eigene Wohnung zu verkaufen und ohne weitere Absicherung als Mieter darin zu bleiben», erklärt Immobilien-Fachmann Donato Scognamiglio dem «Tages-Anzeiger». Das würde zwar die Einnahmen durch den Verkauf reduzieren, bringe aber Sicherheit.