GrenzöffnungSommerferien im Ausland möglich – warum das den Schweizer Tourismus freut
Von Jennifer Furer
13.5.2020
Am Strand sünnele, im Meer baden: Sommerferien im Ausland werden trotz Corona-Krise Realität. Die Grenzöffnung bringt auch Vorteile für den Schweizer Tourismus mit sich.
Reisen zwischen den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz soll ab dem 15. Juni wieder möglich sein – auch für den Tourismus. Darüber herrscht zwischen den Innenministerinnen und Innenministern – darunter BundesrätinKarin Keller-Sutter – Einigkeit.
Die Schweizer Grenze zu Österreich und Deutschland wird ab dem 15. Juni wieder öffnen. Das bestätigte das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Bedingung sei allerdings, dass die pandemische Entwicklung positiv bleibe, hiess es.
Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich klingen, wenn sich der Schweizer Tourismus über die schnelle Grenzöffnung erfreut zeigt. Schliesslich hätte sich dieser über mehr Gäste aus dem Inland freuen dürfen, wenn Ferien im Ausland nicht möglich gewesen wären. Anfang April warb gar Keller-Sutter für den hiesigen Tourismus: «Machen Sie jetzt Ferien in der Schweiz», sagt sie an einer Pressekonferenz.
Hoffen auf deutsche Gäste
Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation von Schweiz Tourismus sagt aber, dass die sich abzeichnende Grenzöffnung wichtig für den Schweizer Tourismus sei. «Da damit nicht nur ein weiterer Schritt zur Normalisierung der touristischen Lage eingeleitet wird, sondern vor allem, weil dann Gäste aus unserem wichtigsten, grössten Gästemarkt Deutschland wieder in der Schweiz Ferien machen können.»
Damit wäre dem Schweizer Tourismus sehr gedient, da er dieses Jahr einen «katastrophalen Einbruch» erlebt habe, sagt Berger. Für 2020 rechnet die Branche mit einem Umsatzeinbruch von mindestens 35 Prozent. «Und rund ein Viertel aller Restaurants und Hotels sieht sich ernsthaft in ihrer Existenz bedroht.»
Der Schweizer Tourismus sei daher dringend auf eine baldige Rückkehr der ausländischen Gäste angewiesen, die in einem normalen Jahr rund 55 Prozent aller Gäste ausmachen.
Noch mehr Unheil
Auch Barbara Gisi, Direktorin des Schweizer Tourismus-Verbands (STV), ist überzeugt, dass die Grenzöffnung keinen Nachteil darstellt. «Durch die Grenzöffnung werden zwar einige Schweizerinnen und Schweizer, die eigentlich Ferien im Inland geplant haben, ins Ausland abspringen, aber umgekehrt auch Gäste aus Deutschland, Frankreich und Österreich zu uns kommen.»
Gisi betont, dass der Tourismusbranche ohne die Grenzöffnung und ohne weitere Unterstützungsmassnahmen des Bundes noch mehr Unheil drohe. «Bereits jetzt kündigt sich eine Konkurswelle an.»
Würde es ungebremst so weiter gehen, sei von einer Schliessung von 3’200 Betrieben und dem Verlust von über 30'000 Arbeitsplätzen auszugehen. «Was aktuell geschieht, ist mit bisherigen Krisen nicht vergleichbar und es wird wohl lange dauern, bis sich der Tourismus von dieser Krise erholt hat», so Gisi.
Die Direktorin des Schweizer Tourismus-Verbands sagt weiter, dass sich die grössten Schweizer Branchenverbände in dieser Krise zusammengetan hätten, um ihre Interessen gegenüber der Politik zu vertreten – auf dem Forderungskatalog steht auch die Öffnung der Grenzen.
Bereits am 27. April kam es zu einem Treffen mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, Vizepräsident Guy Parmelin und Gesundheitsminister Alain Berset. Ein weiteres ist für den 24. Mai geplant.
«Viele touristische Betriebe haben noch keinen konkreten Öffnungstermin», sagt Gisi. «Wir erhoffen uns für den 24. Mai klare Signale vom Bundesrat. Ziel ist eine Öffnung aller Betriebe per 8. Juni.»
Dennoch sagt Gisi, dass nicht fahrlässig mit dem Virus umgegangen werden soll. «Natürlich bleibt aber zu beobachten, wie sich die Verbreitung des Virus entwickelt. Eine zweite Welle kann und will sich der Tourismus nicht leisten, dessen müssen wir uns bewusst sein.»
Graubünden setzt auf Schweizerinnen
Mediensprecher von verschiedenen Schweizer Ferienregionen teilen die Ansichten der nationalen Organisationen. So Luzi Bürkli, Leiter Unternehmenskommunikation von Graubünden Ferien, sagt: «Eine Öffnung der Grenzen mit den Schweizer Nachbarländern per Mitte Juni würde dem Sommertourismus zusätzliche Chancen eröffnen.» Denn auch für Graubünden sei Deutschland der wichtigste Auslandmarkt.
Dennoch ist die Region weniger abhängig vom Auslandmarkt als andere Destinationen in der Schweiz. In Graubünden zählt man vor allem aus Gäste aus dem Inland. Die Region ist die beliebteste Ferienregion der Schweizerinnen und Schweizer. 62 Prozent der Logiernächte fielen in Graubünden im Sommer 2019 auf hiesige Gäste.
Dementsprechend zuversichtlich stimmt Bürkli der Blick auf die Nachfrage im Sommer. Denn er rechnet trotz Grenzöffnung weiterhin mit vielen Gästen aus dem Inland. «Wir rechnen mit einer soliden Nachfrage bei eingeschränktem Angebot, was die Branche stark fordern wird.»
Auch die Planung spielt hierbei eine wichtige Rolle, sagt Bürkli. «Es ist entscheidend, dass die Tourismusbranche noch Planungssicherheit erhält für die weiter ausstehende Lockerungsetappe durch den Bundesrat.» So würden noch die Beschlüsse zur Inbetriebnahme der Bergbahnen, der Campingplätze, aber auch zur Durchführung von Veranstaltungen mit unter 1’000 Personen fehlen.
Auch Laura Marro von Wallis Tourismus sagt, dass in der Schweiz Planungssicherheit und Bewegungsfreiheit unerlässlich für einen Aufschwung der Tourismusbranche sind. «Die Idealvorstellung wäre, dass die Grenzen schrittweise öffnen. Denn die Bevölkerung muss sich nach dieser Periode, in welcher man Zuhause bleiben musste, wieder an die neue Normalität gewöhnen.»
«Chömed Sie wieder!»
Auch der Tessiner Tourismus bereitet sich für einen Neustart vor. Die Regierung sei sich bewusst, dass auch andere Schweizer Kantone – wie Graubünden – auf Ferien im Inland setzten. «Deshalb müssen wir unsere Pluspunkte jetzt ausspielen», sagte Vorsteher des Finanz- und Wirtschaftsdepartements, Christian Vitta. Immerhin würden elf Prozent des Bruttoinlandproduktes im Tessin durch den Tourismus erwirtschaftet.
Die Tessiner Regierung hat nun das Projekt «Vivi il tuo Ticino» lanciert. Hauptziel sei es, den Tourismus auf den Sommer hin wieder anzukurbeln, erklärte Regierungspräsident Norman Gobbi am Dienstagnachmittag vor den Medien.
Da die Grenzöffnung zu Italien noch nicht abzusehen sei, setzt das Tessin vor allem auf Inland-Gäste. Während man vor Ostern Reisende aus dem Norden habe abweisen müssen, rufe man ihnen nun «Chömed Sie wieder!» zu, wie Gobbi in breitem Zürichdeutsch sagte.
Auch in der «Bluewin»-Redaktion wird fleissig gelesen. In der Bildstrecke gibt Sie einen Einblick in ihre Lieblingsbücher.
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Julia Käser empfiehlt: «Vom Ende der Einsamkeit» von Benedict Wells
Weil es um Einsamkeit geht, mit der im Moment alle von uns mal mehr, mal weniger zu kämpfen haben. Und weil es von einer – wenn auch etwas schweren – Selbstfindungsreise handelt, wie wir sie heute kaum mehr vor Augen geführt bekommen: Hadernd, verletzlich, schonungslos und trotzdem oder gerade deshalb irgendwie tröstend.
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Wir alle kämpfen mit Selbstzweifel. Dieses Buch zeigt eindrücklich, wieso jeder in der Lage ist, über sein eigenes Leben zu bestimmen. Es führt einem vor Augen, wie sehr Selbstzweifel von Erfahrungen und Erwartungen abhängen. Anhand eines Dialoges zwischen einem unglücklichen jungen Mann und einem Philosophen wird erklärt, wie man sich davon lösen kann. Der Dialog basiert auf den Erkentnissen von Alfred Adler - dem grossen Vorreiter der Achtsamkeitsbewegung.
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Eigentlich lese ich kaum Belletristik. Dieses Buch habe ich angefasst, weil es mir ein Bekannter vor bald zwei Jahrzehnten in die Hand gedrückt hat mit dem Kommentar, dass das Büchlein das frischeste sei, was er seit langem gelesen habe. Die Geschichte handelt vom Autoren Viktor, der sich mit seinem Pinguin Mischa in Viktor durchschlägt. Er verdient sein Geld mit dem Schreiben von Nachrufen bekannter Menschen. Ich habe das Buch noch am selben Abend bei Kerzenlicht – meinem Gästezimmer fehlte eine Nachttischlampe – zu lesen begonnen. Und beinahe in einem Rutsch durchgelesen
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Bruno Bötschi empfiehlt: «Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß» von Manja Präkels
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... Noah bringt einem auf unterhaltsame Weise nahe, was es heisst, in seinem Unrechtssystem aufzuwachsen und erzählt mit einem lachenden Auge, was Armut in Soweto bedeutet, ohne dass sich der Leser dabei schlecht fühlt. Die persönlichen Anekdoten machen das Buch kurzweilig – den Tipp dazu habe ich übrigens von meinem zuverlässigen Kollegen Gil Bieler bekommen. Danke dafür, Gil, du bekommst das Buch irgendwann auch wieder zurück.
Gil Bieler empfieht: «Die Strasse» von Cormac McCarthy
Ein fesselnder Roman: Vater und Sohn schleppen sich nach der Apokalypse durch eine lebensfeindliche Welt. Getrieben von Hunger und Elend, klammern sie sich an den letzten Funken Hoffnung, dass es irgendwo, irgendwann besser wird. McCarthy legt wahrlich keine schöne Geschichte vor, aber eine, die mitten ins Herz trifft.
Carlotta Henggeler empfiehlt: «Verficktes Herz & andere Geschichten» von Nora Gantenbrink
Mit Büchern geht es mir manchmal wie mit Wein. Ich suche den Tropfen anhand der Etikette aus. Total doof, aber das Auge entscheidet oft mit. Und genauso ist es mir mit «Verficktes Herz» von Nora Gantenbrink ergangen. Ein spezieller Titel, ein popig-auffälliges Neon-Herz auf dem Cover. Bäm, schon hatte ich die EC-Karte gezückt. Und bereue es keine Minute. Die Kurzgeschichten rund ums Thema Herzschmerz sind grell, virtuos und jeder Satz hat ein eigenes Aroma, das lange nachklingt. Man sollte es peu à peu lesen, um den Genuss hinauszuzögern, genau wie ein Grand-Cru. Muster gefällig? ...
...Voilà: «Liebeskummer ist das grösste Arschloch, das es gibt. Und das Problem ist, dass es so ein unlösbares Problem ist. Dass du ja nichts dagegen tun kannst. Ausser warten. Die Lösung des Problems ist also: Das Warten muss gut sein, verdammt gut. Im Warten braucht es Yoga, braucht es Rausch, braucht es gute Geschichten und noch bessere Kurzgeschichten.»
Und zum Schluss gibt es noch einen zweiten Buchtipp von Julia Käser: «Wir sehen uns am Meer» von Dorit Rabinyans
Weil es ein mutiges Buch ist, das an israelischen Gymnasien gar verboten wurde. Und weil mich die schicksalhafte Liebesgeschichte zwischen einer israelischen Studentin und einem Künstler aus Palästina so berührte, wie es lange kein Buch mehr getan hat – ganz ohne Kitsch.
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