Wiedereröffnung Schlösser, Museen und Zoos: Warum sich die einen freuen, die anderen nicht

Von Jennifer Furer

11.5.2020

Bildschirm berühren verboten: Im Landesmuseum kommen neu mit der Wiedereröffnung am 12. Mai Touchpens zum Einsatz.
Bildschirm berühren verboten: Im Landesmuseum kommen neu mit der Wiedereröffnung am 12. Mai Touchpens zum Einsatz.
Keystone

Heute Montag dürfen Museen und Schlösser ihre Türen wieder öffnen. Zoos hingegen sind von der zweiten Lockdown-Lockerung ausgeschlossen. Doch auch sie wären für eine Wiedereröffnung bereit.

Langsam aber sicher kehrt die Normalität wieder in die Schweiz zurück. Bereits am Montag wird der zweite Schritt der Lockdown-Lockerung umgesetzt: Läden und Restaurants öffnen wieder, Sport ist unter Auflagen möglich, an obligatorischen Schulen beginnt der Unterricht wieder und – last but not least – Touristenmagnete wie Museen und Schlösser können ihren Betrieb wieder aufnehmen.

Für Letztere erwies sich das Erstellen eines Schutzkonzeptes als nicht ganz so einfach. Die Menschen lechzen nach dem Lockdown nach Kultur und Unterhaltung. Den möglichen Besucheransturm und gleichzeitig die Hygiene- und Distanzregeln einzuhalten, stellt eine Herausforderung dar.

Hélène Furter vom Verband Schweizer Museen Schweiz sagt, dass das Angebot schrittweise wieder aufgenommen werde. Furter sagt weiter, dass je nach spezifischen Bedingungen gewisse Museen nur teilweise oder auch erst später wieder öffnen würden – die meisten jedoch liessen sich ab dem 11. Mai wieder besuchen.



Für die Wiedereröffnung sei ein Grobkonzept für alle Museen erarbeitet worden, das die Basis für die individuellen Schutzkonzepte der jeweiligen Institutionen bildet.

Barzahlung unerwünscht

Darin steht etwa, dass So Mitarbeitende der Risikogruppe nur im Homeoffice oder Backoffice arbeiten können. Zudem gilt: Barzahlung ist tabu, nur Kredit- und Bankkarten sind erlaubt, wenn möglich kontaktlos. Sollte ein Austausch stattfinden müssen, dann sei eine Ablagefläche ohne direkten Kontakt einzurichten.

Auch der Zugang zu Einrichtungen und Objekten, die berührt werden sollen – also etwa Touchscreens – soll entweder gesperrt werden oder diese müssten nach jeder Benutzerin und jedem Benutzer gründlich desinfiziert werden.

Führungen könnten stattfinden, sagt Furter – unter Berücksichtigung des Mindestabstandes und der maximalen Gruppengrösse von fünf Personen. Und auch Restaurants und Cafés der Museen seien grundsätzlich ebenfalls ab dem 11. Mai geöffnet. Diese müssten sich an die Vorgaben von Gastro Suisse halten, Museumshops an jene der Läden.

Froh um die Wiedereröffnung ist man etwa beim Verkehrshaus Luzern. «In der über 60-jährigen Geschichte war das Verkehrshaus der Schweiz noch nie so lange geschlossen. Ich freue mich riesig auf die Wiedereröffnung», lässt sich Direktor Martin Bütikofer in einer Mitteilung zitieren.

Auch das Verkehrshaus Luzern öffnet am 11. Mai wieder. Menschenansammlungen wird es aber keine geben.
Auch das Verkehrshaus Luzern öffnet am 11. Mai wieder. Menschenansammlungen wird es aber keine geben.
Keystone

Das Verkehrshaus werde schrittweise geöffnet. Ein grosser Teil der Attraktionen könne bereits ab Montag betrieben werden. Später eröffnet würden das Planetarium, das Filmtheater, das Swiss Chocolate Adventure sowie das Dokumentationszentrum.

Beim Schweizer Nationalmuseum hingegen werden alle Ausstellungen bereits am 12. Mai zugänglich sein, sagt Sprecher Alexander Rechsteiner. Für die Wiedereröffnung sei extra ein elektronisches System entwickelt worden, mit dem die Besucherinnen und Besucher jeder Ausstellung jeweils beim Ein- und Ausgang gezählt werden.

«Die Anzahl Besuchenden der einzelnen Ausstellungen wird auf einem Bildschirm am Eingang des Landesmuseums angezeigt», sagt Rechsteiner. So könnten die Leute dorthin geleitet werden, wo es noch genügend Platz hat.

Zudem gebe das Landesmuseum jedem Besuchenden einen sogenannten Touchpen ab – also digitale Stifte, mit denen sich die Medienstationen und Touchscreens steuern lassen. «So müssen die Besucherinnen und Besucher die Bildschirme nicht mit den Händen berühren», sagt Rechsteiner. 

Besonders herausfordernd war die Erarbeitung eines Schutzkonzeptes auch für die hiesigen Schlösser. «Wir mussten einige Probleme lösen: Wie gehen wir mit den kleinen und vielen Räumen um, über welche die meisten Schlösser verfügen – und wie verfahren wir mit Oberflächen, die nicht mit harten chemischen Substanzen gereinigt werden sollten», sagt Marco Castellaneta, Direktor des Museum Aargau, zu welchem auch Schloss Wildegg gehört, und Präsident des Verbands Die Schweizer Schlösser.

Castellaneta sagt, dass man es trotzdem geschafft habe, fast 90 Prozent aller Räume und fast alle Schweizer Schlösser am 11. Mai zu öffnen. «Auch alle bekannten Attraktionen sind für die Besucherinnen und Besucher zugänglich.»

Hoher Besuch: Im Jahr 2017 führte die Reise des Bundesrates zum Schloss Wildegg.
Hoher Besuch: Im Jahr 2017 führte die Reise des Bundesrates zum Schloss Wildegg.
Keystone

Castellaneta sagt, dass trotz der Massnahmen darauf geachtet worden sei, die Besuchenden in eine andere, historische Welt fernab des Coronavirus entführen zu können. «Am Eröffnungstag werden historische, ehemalige Bewohner der jeweiligen Schlösser die Besucherinnen und Besucher begrüssen und ihnen die Geschichte erzählerisch näher bringen.»

Beim Schloss Wildegg wird dies unter anderem Bernhard von Effinger sein, der ab 1678 die Herrschaft über die Wildegg übernahm.

Sommerferien als Chance?

Wie bei den Museen werde es auch in den Schlössern unter Einhaltung der Vorschriften Führungen und Workshops geben, sagt Castellaneta. Dennoch sagt der Präsident der Schweizer Schlösser, dass die historischen Bauten mit ihren Ausstellungen auch ohne Problem allein besichtigt werden könnten.

Im Schloss Wildegg beispielsweise würden Porträts in den Räumen zu den Besucherinnen sprechen und so eine individuelle Führung erlauben.

Obwohl die Umsetzung des Schutzkonzeptes mit einem enormen Druck verbunden sei, sieht Castellaneta die Wiedereröffnung als grosse Chance für die hiesigen Schlösser – auch hinsichtlich der Sommerferien.

«Ich denke zwar nicht, dass wir viele neue Besucherinnen und Besucher generieren werden, aber dass vor all jene Menschen zu uns kommen, die uns auch ohne Corona-Krise besucht hätten.» Dennoch: Der Sommer gelte normalerweise nicht als Museumssaison – dies könnte sich aber in diesem Jahr ändern.



«Viele werden ihre Ferien in der Schweiz verbringen und einen Besuch in einem Schloss in Betracht ziehen, da beispielsweise der Schlossgarten in Wildegg oder die über eine Million Quadratmeter grosse Naturfläche der Aargauer Museen auch einen Aufenthalt im Freien erlaubt.»

Damit die Leute sich dem bewusst würden, müsste es den Kulturangeboten der Schweiz gelingen, potenzielle Besucherinnen und Besucher mit dieser Botschaft zu erreichen. Auch das baue gesunden Druck auf, sagt Castellaneta. Denn: «Die Freizeit der Menschen ist rar, und es herrscht ein Wettbewerb darum, wer sich mit seinem Angebot abheben kann.»

In diesem Wettbewerb mischen auch Botanische Gärten und Zoos mit. Allerdings dürfen diese erst am 8. Juni und nicht wie Museen und Schlösser am 11. Mai öffnen. Dieser Bundesratsentscheid wurde vom Verein zooschweiz/zoosuisse als «absolut unverständlich» und «nicht nachvollziehbar» beurteilt.

So fordert etwa der Zoo Zürich ein Umdenken des Bundesrats – auch aufgrund finanzieller Not. «Wöchentlich gehen den Zoos der Schweiz rund 2,5 Millionen Franken verloren, die nicht durch Kurzarbeit aufgefangen werden können, weil die Tiere weiter versorgt werden müssen», schrieb der Zoo Zürich in einer Mitteilung.

In der neuen Lewa Savanne ist es bereits zur ersten Nashorn-Geburt gekommen. 

In der Hoffnung, dass der Bundesrat seinen Entscheid noch kippt, hat zooschweiz/zoosuisse bereits ein Branchenkonzept erarbeitet und es beim Bundesamt für Gesundheit eingereicht. Aus Sicht des Verbandes könnten die Vorgaben für eine vorzeitige Öffnung eingehalten werden.

Alex Rübel, Direktor des Zoo Zürichs, nennt die wichtigsten Eckpunkte: Der Einlass werde – wenn möglich – über Internettickets erfolgen, beim Einlass in die verschiedenen Tierhäuser käme ein Zähler zum Einsatz.

Kleine Häuser blieben geschlossen, in grösseren Häusern und an gewissen Stellen gebe es ein Einweg-System. Mitarbeitende würden die Lage in Häusern und an neuralgischen Stellen überwachen. An Kiosken und Verpflegungsstellen gebe es zudem Anstandsregler, und im ganzen Zoo seien Desinfektionsstellen installiert.

Der Zoo Basel geht davon aus, dass der Bundesrat das Wiedereröffnungs-Datum nicht anpassen werde, sondern beim 8. Juni belässt. Deshalb sei die Ausarbeitung des Schutzkonzeptes noch im Gange, sagt Sprecherin Tanja Dietrich.

Noch würde es die Situation zulassen, den finanziellen Verpflichtungen in dieser schwierigen Zeit nachzukommen – trotz der ausgefallenen Eintrittspreise, sagt Dietrich. Dennoch: Der Schaden sei gross. «In den 84 geschlossenen Tagen entgehen dem Zoo Basel beispielsweise Umsätze aus verkauften Eintritten, Shop und der Gastronomie von total über drei Millionen Franken.»

Bei den Tieren hingegen, sagt Dietrich, sei alles in Ordnung. «Tierpflegepersonal, Tierärzte und Kuratoren kümmern sich wie bisher um das Wohl der Tiere. Der einzige Unterschied für die Tiere ist, dass keine Besucher da sind. Aber auch das ist den Tieren nicht unbekannt. Zu den Randzeiten oder abends sind ebenfalls wenige oder keine Besucher im Zoo.»


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