Wahlsiegerin mit begrenzter Macht Ist die SVP ein zahnloser Tiger?

Von Alex Rudolf

23.10.2023

SVP-Präsident Marco Chiesa sieht die Themenwahl der SVP im Wahlkampf bestätigt. (Archivbild)
SVP-Präsident Marco Chiesa sieht die Themenwahl der SVP im Wahlkampf bestätigt. (Archivbild)
KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Die SVP steht als grosse Wahlsiegerin da. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sie es selten schafft, grosse Pflöcke einzuschlagen. Ein Politologe ordnet ein.

Von Alex Rudolf

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Trotz ihres Wahlerfolgs ist die SVP in der anstehenden Parlamentsarbeit auf verlässliche Partner*innen angewiesen.
  • Obwohl die SVP die grösste Fraktion ist, war sie in der vergangenen Legislatur bei den Abstimmungen im Nationalrat am erfolglosesten.
  • Wie Politik-Analyst Mark Balsiger sagt, würden viele Wählende nicht merken, dass die SVP bei vielen Abstimmungen im Nationalrat unterliegt.
  • Nun komme es für die Wahlsiegerin darauf an, ob sich die  Schlüsselfiguren finden und gut zusammenarbeiten.

Mit 28,6 Prozent verzeichnete die SVP am vergangenen Wahlsonntag ein Spitzenresultat. Sie konnte drei Prozent zulegen und gewann neun Sitze im Nationalrat dazu. Hier findest du alle Resultate im Überblick.

Werden die kommenden vier Jahre nun von der SVP geprägt werden? Einiges deutet darauf hin, dass die Wahlsiegerin im Parlament einige Kompromisse eingehen muss.

Um eine Mehrheit im Parlament zu bilden, braucht die SVP in der vergangenen wie auch in der neuen Legislatur Verbündete. Politisch ist ihr hier die FDP am nächsten. Während FDP, SVP sowie die MCG und die Lega in der Legislatur 2015 bis 2019 auf 101 Sitze kamen und somit die Mehrheit der grossen Kammer innehatten, reicht es heute nicht mehr dazu.

Hohe Erwartungen an die Arbeit mit der Mitte-Partei

Zusammen mit der FDP, der EDU, der Lega und dem MCG kommt die SVP noch auf 95 Sitze im Nationalrat. 

Der rechte Block muss also über die Parteigrenzen hinaus zusammenspannen. Am Montag verkündete SVP-Präsident Marco Chiesa im «Tages-Anzeiger», dass er hohe Erwartungen an eine Zusammenarbeit mit der Mitte hat. «Ich erwarte, dass wir mit der Mitte wichtige Reformen voranbringen können. Etwa bezüglich der Altersvorsorge, wo wir in den nächsten Jahren grosse Baustellen lösen müssen.»

Gelingt dies? Es komme darauf an, ob sich Schlüsselfiguren über Parteigrenzen hinweg zuerst menschlich finden und deshalb fachlich gut zusammenarbeiten können, sagt Polit-Analyst Mark Balsiger zu blue News.

Eine Auswertung von Smartvote zeigte vor den Wahlen, dass die SVP die meisten Abstimmungen im Nationalrat verloren hat. Am erfolgreichsten waren die Mitte, gefolgt von der FDP. 

Wird die SVP auch die kommenden vier Jahre die erfolgloseste Partei bleiben? «Dass die SVP ihre Wählerstärke nicht im Parlament materialisieren kann, ist kein neues Phänomen. Sie kann nicht entsprechend ihrer Stärke gestalten», sagt Balsiger. Es fehle der verlässliche Anschluss an die FDP und die Mitte, der Parlamentserfolge rarmachen würden.

Merken die Wähler*innen wie oft die SVP unterliegt?

Im realpolitischen Alltag hätten die Zahlen keinen derart grossen Einfluss, wie man an der Legislatur 2015 bis 2019 sehe. Damals hätten SVP und FDP bei jeder Vorlage durchmarschieren können, was aber nicht geschah. Nebst dem, dass es keinen Zwang gibt, so wie die Fraktion zu stimmen, spielen auch Absenzen eine Rolle, wie Balsiger sagt.

Ist es nicht kurios, dass die Wahlsiegerin das Geschehen im Parlament nicht massgebender mitbestimmt? «Die Leute merken nicht, dass die SVP bei vielen Abstimmungen im Nationalrat unterliegt», sagt Balsiger. Denn die entsprechende Statistik gerate schnell wieder in Vergessenheit.

Politologe Sean Müller über Wahlergebnisse

Politologe Sean Müller über Wahlergebnisse

Die SVP ist die grosse Siegerin und die Grünen müssen Federn lassen: Was hat den Parteien in die Hände gespielt – und was nicht? Politologe Sean Müller analysiert und ordnet ein.

22.10.2023