Menschenhandel und ProstitutionFrauen und Kinder sind auch nach der Flucht gefährdet
Von Alex Rudolf
12.3.2022
Berichte, wonach Menschenhändler in Grenzgebieten nach Opfern Ausschau halten, häufen sich. Besonders schwache und kinderreiche Frauen sind bedroht.
Von Alex Rudolf
12.03.2022, 00:00
12.03.2022, 10:51
Alex Rudolf
Hungrig, übermüdet und oftmals traumatisiert gelangen ukrainische Flüchtlinge derzeit täglich über die Grenze. Die Flucht vor dem Krieg scheint gelungen, doch lauern besonders für Frauen und Kinder hier im vermeintlich sicheren Ausland weitere Gefahren.
Am Berliner Hauptbahnhof, wo heute täglich 10'000 Menschen aus der Ukraine eintreffen, herrschen chaotische Zustände. Dort würden sich die Fälle häufen, wo Männer geflüchteten Frauen ein Bett oder Essen gegen Sex anbieten würden. Dies sagt Diana Henniges, die Leiterin des Hilfswerks «Moabit hilft», zu SRF.
Der polnische Kriminologie-Professor Zbigniew Lasocik forscht seit 20 Jahren zum Thema Menschenhandel. Er weiss, dass Kriege dem Menschenhandel und der sexuellen Ausbeutung Tür und Tor öffnen. Dem «Tages-Anzeiger» sagt er, dass er derzeit mit Studierenden an der ukrainischen Grenze unterwegs sei und Flugblätter an Frauen verteile. Darauf weist er auf die Gefahr, die von Menschenhändlern ausgeht, hin und beschreibt deren Methoden.
«Ausbeutung durch Menschenhändler und Zuhälter ist primär ein Problem auf den Fluchtrouten.»
Eliane Engeler
Mediensprecherin der Schweizer Flüchtlingshilfe
Werden solche Vorfälle auch in der Schweiz zum Problem? Eliane Engeler, Mediensprecherin der Schweizer Flüchtlingshilfe, sagt zu blue News: «Ausbeutung durch Menschenhändler und Zuhälter ist primär ein Problem auf den Fluchtrouten.» Hierzu würden aber auch die Ankunftsbahnhöfe zählen.
Daher rate man Geflüchteten davon ab, irgendein privates Angebot an einem solchen Bahnhof anzunehmen. «Ebenso empfehlen wir Gastfamilien keinesfalls, einfach zum Bahnhof zu fahren und Geflüchtete aufzunehmen. Es ist wichtig, dass sich die geflüchteten Personen zuerst in einem Bundesasylzentrum registrieren», sagt Engeler.
Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsbeauftrage von Amnesty Schweiz, sagt zu blue News, dass seit Ausbruch des Krieges noch keine Fälle dokumentiert wurden. «Das bedeutet nicht, dass es solche Fälle in der Schweiz nicht gibt.» Sie verweist auf den Bericht der Nationalen Kommission zur Verhinderung von Folter, wo das Problem der sexuellen Belästigung von Frauen in Asylzentren explizit erwähnt wurde.
Laut Lasocik spielt die aktuelle Lage den Menschenhändlern in die Hände. «Je chaotischer die Situation, je verletzlicher die Frauen, desto besser für die Täter», sagt er zum «Tages-Anzeiger».
Befinden sich die geflüchteten Frauen und Kinder erst einmal im Schweizer Flüchtlingshilfesystem, besteht eine geringe Gefahr auf sexuelle Übergriffe. So würden die Gastfamilien vorgängig besucht und die Geflüchteten sowie die Gastfamilie hätten eine professionelle Ansprechperson, die sie jederzeit kontaktieren können, sagt Engeler. Auch wichtig: Unbegleitete Minderjährige würden nicht in Gastfamilien, sondern beispielsweise in betreuten Wohnheimen untergebracht. Gefragt danach, ob es in der Vergangenheit Meldungen zu sexuellen Übergriffen bei Gastfamilien gekommen sei, verneint Engeler.
Justizministerin Karin Keller-Sutter ist sich des Problems bewusst. Am Freitag sagte sie an einer Medienkonferenz, dass man die Frauen vor Ausbeutung oder Menschenhandel schützen müsse. Dies wolle man mit einer sichergestellten Betreuung tun.