Relikt aus dem Kalten KriegDer heisse Draht zwischen Biden und Putin ist plötzlich wieder zentral
Von Andreas Fischer
11.3.2022
Eingerichtet nach der Kubakrise, ist der «heisse Draht» zwischen den Atommächten USA und Russland wichtiger denn je. Gerade jetzt stellt sich die Frage wie schon lange nicht mehr, wie die Hotline genutzt wird.
Von Andreas Fischer
11.03.2022, 12:11
11.03.2022, 14:04
Von Andreas Fischer
Russlands Invasion der Ukraine, Putins Drohungen mit Nuklearwaffen, heikle Entscheidungen der Nato über Waffenlieferungen an die Verteidigungskräfte der Ukraine: Der sogenannte «heisse Draht» müsste dieser Tage wieder glühen – und sollte es auch, wie Névine Schepers vom Swiss and Euro-Atlantic Security Team am Center for Security Policy der ETH Zürich im Gespräch mit blue News sagt.
Die Aufrechterhaltung einer klaren und ständigen Kommunikation über Hintergrundkanäle könnte eine weitere Eskalation verhindern, so Schepers. «Der Spielraum für diplomatisches Engagement zwischen den USA und Russland wird derzeit immer kleiner.»
Missverständnisse sofort ausräumen
Seit 1963 gibt es den «heissen Draht» zwischen Washington und Moskau. Er entstand als Reaktion auf die gefährlichen Spannungen während der Kubakrise im Oktober 1962. US-Präsident John F. Kennedy und der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow hatten damals immer wieder Mühe, die Lage zu kontrollieren, weil beide Staatsmänner über keinen direkten Kommunikationsdraht verfügten: Telegramme kreuzten sich, Missverständnisse konnten nicht sofort ausgeräumt werden, Versprechungen wurden von den Ereignissen überholt.
Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, richteten Washington und Moskau 1963 das Rote Telefon ein. Die direkte Kommunikationsverbindung zwischen den Supermächten sollte Missverständnisse über einen möglicherweise bevorstehenden Angriff mit Atomwaffen ausräumen.
Ähnliche Verbindungen zwischen Moskau und westeuropäischen Hauptstädten wurden während des Kalten Krieges eingerichtet. Mitte der 1990er-Jahre aktivierte China einen derartigen Kanal mit Russland und den USA. Die rivalisierenden Atommächte Indien und Pakistan taten dies 2005.
Von wegen «rotes Telefon»
Anders als in vielen Filmen dargestellt, handelte es sich beim «heissen Draht» zunächst nicht wirklich um ein Telefon in roter Farbe, sondern um eine Kabelverbindung für schriftliche Botschaften. Erst in den 1970er-Jahren wurde eine Leitung via Satellitentelefon hinzugefügt. Später kam eine Faxverbindung hinzu. Heute kommunizieren Moskau und Washington über eine extra gesicherte Internetleitung.
Neben dem politischen «heissen Draht» zwischen Weissem Haus und Kreml gibt es auch «unmittelbare Verbindungen zwischen militärischen Hauptquartieren, die dazu dienen, generell militärische Zwischenfälle zu vermeiden oder, wenn sie denn passieren, zu deeskalieren», erklärt Sicherheitsexperte Wolfgang Richter bei SRF.
Wie oft der «heisse Draht» tatsächlich glühte, dazu gibt es keine offiziellen Angaben. Sicher ist: Die Führungen der USA und der Sowjetunion kommunizierten darüber während der arabisch-israelischen Kriege 1967 und 1973 sowie bei der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979.
Hintergrundkanäle offen, Nutzung unklar
Im Zuge der Ukraine-Krise 2014 wurde der «heisse Draht» zwischen Russland und der Nato reaktiviert. Die Generalstäbe stehen seit 2015 wieder in direkter Verbindung. Trotzdem stellt sich derzeit die Frage, ob der «heisse Draht» funktioniert. Zwar existieren die Hintergrundkanäle zwischen den Militärs, «aber wir wissen nicht, in welchem Umfang sie genutzt werden», räumt Névine Schepers ein.
Wolfgang Richter ist sich sicher, dass die direkten Kommunikationskanäle «die Ausweitung zu einem europäischen oder gar zu einem weltweiten Krieg» verhindern. Den Konflikt lösen könne der «heisse Draht» zwar nicht, «aber dazu beitragen, dass keine Deutungen entstehen, die den Krieg ausweiten würden». Man könne der jeweils anderen Seite militärische Bewegung erklären, und «wenn etwas passiert, kann man deeskalieren».
Die Kuba-Krise und der «heisse Draht»
Mythos «rotes Telefon»: Beim «heissen Draht» zwischen Moskau und Washington handelte es sich zunächst um einen Fernschreiber.
Bild: Creative Common/User Pritorius, Keystone
Die Kuba-Krise 1962 hielt die Welt lang in Atem: Die Sowjets wollten Atomraketen auf Kuba stationieren, die Amerikaner dies unbedingt verhindern.
Bild: Keystone
Das Problem dabei: Es dauerte viel zu lange, um Mitteilungen zwischen Washington (im Bild: US-Präsident John F. Kennedy) und Moskau auszutauschen.
Bild: Keystone
Der sojwetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow (rechts) hatte zusammen mit Kubas Führer Fidel Castro (Mitte) beschlossen, nukleare Mittelstreckenraketen im «Hinterhof» der USA zu stationieren.
Bild: Keystone
Heimlich hatten sie die ersten Rakten schon auf Kuba gebracht.
Bild: Keystone
Im Zuge der Kuba-Krise beriet sich John F. Kennedy (rechts) immer wieder mit seinen Generälen.
Bild: Keystone
Einige wollten unbedingt einen Militärschlag.
Bild: Keystone
Doch Kennedy bevorzugte eine diplomatische Lösung.
Bild: Keystone
Kurz bevor es zur Vernichtung der Welt kam, wurde die Kuba-Krise beigelegt. In der Folge beschlossen die USA und die Sowjetunion, sich mittels eines «heissen Drahts» schneller auszutauschen.
Bild: Getty
Die Kuba-Krise und der «heisse Draht»
Mythos «rotes Telefon»: Beim «heissen Draht» zwischen Moskau und Washington handelte es sich zunächst um einen Fernschreiber.
Bild: Creative Common/User Pritorius, Keystone
Die Kuba-Krise 1962 hielt die Welt lang in Atem: Die Sowjets wollten Atomraketen auf Kuba stationieren, die Amerikaner dies unbedingt verhindern.
Bild: Keystone
Das Problem dabei: Es dauerte viel zu lange, um Mitteilungen zwischen Washington (im Bild: US-Präsident John F. Kennedy) und Moskau auszutauschen.
Bild: Keystone
Der sojwetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow (rechts) hatte zusammen mit Kubas Führer Fidel Castro (Mitte) beschlossen, nukleare Mittelstreckenraketen im «Hinterhof» der USA zu stationieren.
Bild: Keystone
Heimlich hatten sie die ersten Rakten schon auf Kuba gebracht.
Bild: Keystone
Im Zuge der Kuba-Krise beriet sich John F. Kennedy (rechts) immer wieder mit seinen Generälen.
Bild: Keystone
Einige wollten unbedingt einen Militärschlag.
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Doch Kennedy bevorzugte eine diplomatische Lösung.
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Kurz bevor es zur Vernichtung der Welt kam, wurde die Kuba-Krise beigelegt. In der Folge beschlossen die USA und die Sowjetunion, sich mittels eines «heissen Drahts» schneller auszutauschen.