Gerhard Schröder in MoskauKann dieser alte Freund Putins Krieg stoppen?
Von Gabriela Beck und Maximilian Haase
11.3.2022
Erst hielt er sich zum Krieg in der Ukraine bedeckt, nun trifft Gerhard Schröder in Moskau Wladimir Putin zu Gesprächen. Wie kam es zum Alleingang des zuletzt isolierten deutschen Alt-Kanzlers?
Von Gabriela Beck und Maximilian Haase
11.03.2022, 15:46
11.03.2022, 18:12
Von Gabriela Beck und Maximilian Haase
Ein in normalen Zeiten harmlos scheinender Instagram-Post, der eine Frau mit Blick auf Kreml und Roten Platz in Moskau zeigt, erzählt in diesen Tagen des Krieges mehr als auf den ersten Blick sichtbar. Online gestellt hat das Foto Soyeon Schröder-Kim, ihres Zeichens Ehefrau des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, mit dem sie nun in die russische Hauptstadt reiste. Nicht aus touristischen Gründen, sondern um mit Wladimir Putin zu sprechen, der in der Ukraine Krieg führt.
Seit seiner Kanzlerschaft verbindet Schröder eine enge Freundschaft – oft «Männerfreundschaft» genannt – mit dem russischen Präsidenten, die er zu Anlässen wie runden Geburtstagen oder bei Schlittenfahrten zum Zarenpalast gern öffentlich ausstellte. Nicht nur das: Der 77-Jährige ist als Aufsichtsrat beim russischen Ölkonzern Rosneft und als Lobbyist für die Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2 tätig. Selbst als die Spitze seiner Partei SPD ihn mit einem Ultimatum zur Niederlegung der Posten bei den Staatsunternehmen aufgefordert hatte, zog Schröder aus dem Angriff Putins auf die Ukraine keine Konsequenzen.
Dass Schröder Putin nun trifft, kommt daher für viele Beobachter überraschend. Bereits am Donnerstag soll es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa Gespräche gegeben haben; ob weitere folgen, ist noch nicht sicher. Eine Bestätigung des Kreml gab es bislang nicht: Nach Angaben der Agentur Interfax sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow auf die Frage von Journalisten: «Ich habe keine Informationen zu Schröder. Ich kann Ihnen nichts sagen.»
«Ich möchte das nicht kommentieren»
Wie das Magazin «Politico» berichtet, sei die Initiative für den Russland-Besuch von ukrainischer Seite ausgegangen. Ein Kiewer Politiker, der der Delegation angehört, die derzeit mit Russland Friedensverhandlungen führt, habe die Reise eingefädelt. Die Ukraine habe sehen wollen, «ob Schröder eine Brücke für einen Dialog mit Putin bauen könnte», zitiert das Magazin einen Informanten. Der ukrainische Botschafter in Deutschland dementierte am Donnerstagabend jedoch, dass Schröder auf Bestreben der Ukraine in Moskau sei.
Laut «Politico» habe die Vermittlungsreise über Umwege begonnen: Zunächst sei das Ehepaar am Montagabend nach Istanbul gereist, wo Schröder sich mit einer ukrainischen Delegation getroffen haben soll. Anschliessend habe er Putin um ein Treffen gebeten – dem habe man «Politico» zufolge von russischer Seite innerhalb von zehn Minuten stattgegeben. Ein russisches Flugzeug soll das Ehepaar dann am Mittwoch nach Moskau geflogen haben.
Die deutsche Bundesregierung liess derweil wissen, dass es keine Absprache mit dem Altkanzler gegeben habe. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lieferte nur ein knappes wie deutliches Statement: «Ich möchte das nicht kommentieren.» Parteichef Lars Klingbeil sagte in der Talkshow «Maybrit Illner»: «Er ist weder im Auftrag der SPD noch im Auftrag der Bundesregierung unterwegs.»
Putins Freunde
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko steht fest an der Seite des Kreml-Chefs. Er liess Putin von belarussischem Territorium aus in die Ukraine einmarschieren.
Bild: KEYSTONE/State TV and Radio Company of Belarus via AP
Während der Westen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (links) gern vom Thron gestossen hätte, unterstützte Putin ihn im syrischen Bürgerkrieg. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/Alexei Druzhinin, RIA-Novosti, Kremlin Pool Photo via AP
Venezuela gehört neben Kuba und Nicaragua zu den engsten Verbündeten Russlands in Lateinamerika. Präsident Nicolas Maduro übernimmt einfach Putins Behauptung - nicht Russland sei der Aggressor, sondern die Ukraine.
Bild: KEYSTONE
Der kubanische Staatspräsident Miguel Diaz-Canel (links) gehört zu Putins Unterstützern. Nach der kubanischen Revolution von 1959 war die Sowjetunion bis zu ihrem Zerfall der wichtigste Verbündete des sozialistischen Karibikstaates. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/Sergei Karpukhin
Indiens Premierminister Narendra Modi (Mitte) hat Putin zwar zu einem Ende der Gewalt in der Ukraine aufgerufen, zu einer echten Verurteilung des Angriffs kann er sich aber nicht durchringen. Sanktionen hat Indien bisher nicht erlassen.
Bild: KEYSTONE/Ajit Solanki
Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) scheut sich vor einem klaren Bekenntnis. Als die Vereinten Nationen bei ihrer Vollversammlung eine Resolution gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine verabschiedeten, enthielt sich China der Stimme.
Bild: KEYSTONE/Alexei Druzhinin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP
Putins Freunde
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko steht fest an der Seite des Kreml-Chefs. Er liess Putin von belarussischem Territorium aus in die Ukraine einmarschieren.
Bild: KEYSTONE/State TV and Radio Company of Belarus via AP
Während der Westen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (links) gern vom Thron gestossen hätte, unterstützte Putin ihn im syrischen Bürgerkrieg. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/Alexei Druzhinin, RIA-Novosti, Kremlin Pool Photo via AP
Venezuela gehört neben Kuba und Nicaragua zu den engsten Verbündeten Russlands in Lateinamerika. Präsident Nicolas Maduro übernimmt einfach Putins Behauptung - nicht Russland sei der Aggressor, sondern die Ukraine.
Bild: KEYSTONE
Der kubanische Staatspräsident Miguel Diaz-Canel (links) gehört zu Putins Unterstützern. Nach der kubanischen Revolution von 1959 war die Sowjetunion bis zu ihrem Zerfall der wichtigste Verbündete des sozialistischen Karibikstaates. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/Sergei Karpukhin
Indiens Premierminister Narendra Modi (Mitte) hat Putin zwar zu einem Ende der Gewalt in der Ukraine aufgerufen, zu einer echten Verurteilung des Angriffs kann er sich aber nicht durchringen. Sanktionen hat Indien bisher nicht erlassen.
Bild: KEYSTONE/Ajit Solanki
Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) scheut sich vor einem klaren Bekenntnis. Als die Vereinten Nationen bei ihrer Vollversammlung eine Resolution gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine verabschiedeten, enthielt sich China der Stimme.
Bild: KEYSTONE/Alexei Druzhinin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP
Bisher hatte sich der Ex-Kanzler nur einmal öffentlich zum Krieg geäussert und Russland in einem Post im Online-Netzwerk LinkedIn aufgefordert, diesen «schnellstmöglich» zu beenden. Für sein ansonsten weitgehendes Schweigen und die Beibehaltung seiner Mandate in russischen Staatsunternehmen erntete Schröder in den vergangenen Wochen in Deutschland viel Kritik.
Viel Kritik in deutschen Medien
Schon kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine prognostizierte die «Süddeutsche Zeitung» in einem Kommentar: «Egal, was Kumpel Putin macht, der Ex-Kanzler wird sich nicht von ihm distanzieren.» Der Autor vertrat den Standpunkt, ein Ex-Kanzler bleibe ein Vorbild und es sei daher ganz und gar nicht in Ordnung, wenn dieser so tue, als gehe ihn auch das schlimmste Handeln seiner Freunde nichts an.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» bestätigt Schröder, er sei seinem «Freund» Putin schon zu Amtszeiten auf den Leim gegangen und fand es richtig, wenn dem Alt-Kanzler Büroausstattung und Dienstwagen gestrichen würden. Dieses Privileg gebe es für ehemalige Kanzler eigentlich nur deshalb, weil sie für ihr Land weiterhin Repräsentationsaufgaben übernehmen sollen. «Das tut Schröder aber nicht, versteht man unter Repräsentation mehr, als Schande über sein Land zu bringen», kommentierte das Blatt.
Einen Krieg verhindern zu helfen, sei Schröders Pflicht und Schuldigkeit, war der «Tagesspiegel» überzeugt. Denn ohne Kanzler gewesen zu sein, könne er doch heute nicht so viel Schaden anrichten. Die Zeitung forderte die Regierung auf, den Ex-Kanzler «zur Räson zu rufen», um den Kommentar dann mit dem Wortspiel zu beenden: «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s für Schröder in Deutschland nicht mehr ungeniert.»
«Na endlich», applaudierte die «taz» dem SPD-Parteivorstand, als sich dieser von Schröder distanziert und ihn aufgefordert hatte, seine Mandate in russischen Energiekonzernen niederzulegen. Die «Zeit» bezeichnete unter dem Titel «Kein Rauswurf ist auch keine Lösung» den Ex-Kanzler gar als «Russland-Lobbyist, der seine politische Karriere versilbert und dabei nicht so genau darauf achtet, ob auf dem Geld, das er kassiert, neben Öl jetzt noch etwas anderes klebt.»
«Jede Chance sollte ergriffen werden»
Nachdem zuletzt ein SPD-Ortsverband sogar den Parteiausschluss Schröders beantragt hatte, fielen die Reaktionen auf das Treffen des Altkanzlers mit Putin nun recht positiv aus: «Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen», sagte Parteichef Klingbeil. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, kommentierte im ZDF-«heute-journal»: «Jede Chance sollte ergriffen werden, um die Waffen zum Schweigen zu bringen.»
Auch wenn es ein Alleingang ist – es bleibt die Frage: Bekommt der durch sein Nicht-Handeln in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend isolierte Altkanzler nun die Chance auf Rehabilitation? Kann er mit seinem Freund Putin wirklich ernsthaft verhandeln? Fast zwanzig Jahre ist es her, dass der damalige Kanzler Schröder den Alliierten um die USA die Gefolgschaft beim Irak-Krieg verweigerte. Damals sagte er sinngemäss, Freunden müsse man die Wahrheit sagen können.
Bereits am vergangenen Wochenende hatte Soyeon Schröder-Kim auf Instagram verlautet: «Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun».