«Du bist eine wunderschöne Frau» Diese Nachricht reicht nicht für eine fristlose Kündigung

tafi

8.10.2024

Das Aargauer Obergericht bestätigte ein Urteil der Vorinstanz, dass die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters wegen sexueller Belästigung nicht rechtens war.
Das Aargauer Obergericht bestätigte ein Urteil der Vorinstanz, dass die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters wegen sexueller Belästigung nicht rechtens war.
Bild: Keystone

Ein Mitarbeiter macht Annäherungsversuche gegenüber einer Kollegin. Nach einer verbalen Auseinandersetzung wird der Mann wegen sexueller Belästigung fristlos entlassen: Er klagt dagegen und bekommt Recht.

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  • «Du bist eine wunderschöne Frau», schreibt ein älterer Mitarbeiter seiner jüngeren Kollegin auf Facebook.
  • Seine Annäherungsversuche führen zu einem Streit am Arbeitsplatz: Der Mann bekommt ohne Verwarnung die fristlose Kündigung.
  • Der Mann zieht dagegen vor Gericht: Das Aargauer Obergericht bestätigt nun das Urteil des Bezirksgerichts Kulm, wonach die Kündigung nicht rechtmässig ist.

Ein damals 53-jähriger Angestellter eines Unternehmen will sich einer 20-jährigen Kollegin nähern. Er schickt ihr im Februar 2022 eine Facebook-Nachricht: «Du bist eine wunderschöne Frau. Leider für mich unerreichbar». Dazu ein Kuss- und ein Äffchen-Emoji.

Drei Monate später, im Mai 2022, kommt es am Arbeitsplatz zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Mann und seiner deutlich jüngeren Kollegen. Die Frau wird von einem Vorgesetzten zu dem Vorfall befragt. Das Unternehmen reagiert tags darauf mit der fristlosen Kündigung des Mitarbeiters – ohne vorherige Verwarnung.

Nachricht war «nicht offensichtlich» sexuelle Belästigung

Der Mann akzeptiert die Kündigung nicht und zieht vor Gericht, berichtet die «Aargauer Zeitung» über den Fall. Er hatte selbst kurz vor dem Vorfall ordentlich zum 31. August gekündigt und klagt nun das Gehalt bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist sowie die Änderung des Datums im Arbeitszeugnis, wann das Angestelltenverhältnis endete, ein.

Im Kern geht es um die Frage: Ist die fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung gerechtfertigt oder nicht? In der ersten Instanz entscheidet das Bezirksgericht Kulm, dass die Verfehlungen des Mannes nicht so gravierend waren, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Es spricht ihm die geforderten Gehaltszahlungen sowie eine Pönalentschädigung zu.

Das Unternehmen legt daraufhin beim Aargauer Obergericht Berufung ein – und bleibt damit erfolglos. Das Gericht sieht in der Facebook-Nachricht des Mannes «nicht offensichtlich» eine sexuelle Belästigung, «geht es doch inhaltlich in erster Linie um ein Kompliment, ohne dass dafür eindeutig sexuell konnotierte Worte oder Emojis verwendet worden wären».

Unternehmen hätte andere Massnahmen treffen können

Zudem habe der Mitarbeiter keinen Vorgesetztenfunktion gegenüber der Kollegin gehabt und dadurch keine erhöhte Verantwortung oder Sorgepflicht. Da der Mann seinen Arbeitsvertrag ohnehin ordentlich gekündigt hatte, sei der Firma zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Ende fortzuführen und gegebenenfalls Massnahmen zu treffen, um den persönlichen Kontakt zwischen dem Mann und der Frau zu verhindern.

Das Gericht weist darauf hin, dass nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung nicht jede sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Grund für eine fristlose Kündigung ist. Dies sei dann der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis dadurch so tiefgreifend erschüttert, dass eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten sei. Weniger schwerwiegende Fälle müssten trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen seien, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

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