Zerbrechliches Geschäft Darum werden in der Schweiz die Eier wieder knapp

Stefan Michel

24.1.2024

An Weihnachten und Ostern werden in der Schweiz die Eier knapp. Zu anderen Zeiten übersteigt das Angebot die Nachfrage. Archivbild vom Geflügelhof Daetwyler.
An Weihnachten und Ostern werden in der Schweiz die Eier knapp. Zu anderen Zeiten übersteigt das Angebot die Nachfrage. Archivbild vom Geflügelhof Daetwyler.
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Zweimal im Jahr nimmt die Nachfrage nach Eiern stark zu: Vor Weihnachten und vor Ostern. Das stellt die Produzenten vor Probleme – denn genau so oft legen ihre Hennen mehr, als der Markt braucht.

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In der Schweiz werden immer wieder die Eier knapp.
  • Würden die Schweizer Produzenten so viele Legehennen halten, wie es vor Weihnachten und vor Ostern braucht, hätte die Schweiz jeden Sommer eine riesige Eierschwemme.
  • Die Herausforderung der Eier-Produktion: Sie beginnt mit der Aufzucht der Legehennen und deshalb rund eineinhalb Jahre, bevor das erste Ei in den Laden kommt.

Nach Weihnachten ist vor Ostern: Die Eiersuche könnte in der Schweiz heuer aber schon vor den Feiertagen beginnen. Die Eier werden nämlich knapp. Wieder einmal.

In den Corona-Jahren 2020 und 2021 schnellte die Nachfrage nach Eiern in die Höhe. Die Produzenten zogen nach, besorgten sich zusätzliche Legehennen, bauten zusätzliche Ställe. Denn ein Huhn legt maximal ein Ei pro Tag. Daran ist nicht zu rütteln.

Die Folge: 2022 waren zu viele Eier auf dem Markt. «Das war eine schwierige Situation», erinnert sich Daniel Würgler, Landwirt mit Eier-Produktion im freiburgischen Frasses. Um 9 Eier sei der Pro-Kopf-Konsum in der Schweiz im Vergleich zu 2021 gesunken. «Die gesamte Eierbranche war gefordert», fasst er zusammen. Das heisst, es drohten Verluste.

Eine Legehenne legt pro Jahr rund 300 Eier. Auf dem Geflügelhof Daetwyler summiert sich das auf 14'000 Eier pro Tag.
Eine Legehenne legt pro Jahr rund 300 Eier. Auf dem Geflügelhof Daetwyler summiert sich das auf 14'000 Eier pro Tag.
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Eier-Überschuss im Sommer, Knappheit vor Weihnachten

«Wir haben gemacht, was wir konnten, um die Eier zu verkaufen, bevor wir sie nicht mehr absetzen dürfen. Das ist 21 Tage nach dem Legen der Fall.» Sie hätten versucht, mehr an Lebensmittel-Hersteller abzugeben, sie hätten Eier umgelabelt, von Bio zu Freiland oder von Freiland zu Bodenhaltung, wenn davon mehr gefragt waren. «Es blieb uns nichts anderes übrig, als Eier mit Verlust zu verkaufen.»

Was die Eier-Bauern auch taten: Sie ersetzten alt gewordene Hennen weniger schnell und bestellten weniger neue. Und die fehlten dann schon Ende 2022 wieder, wie Medienberichte aus jener Zeit zeigen. Anfang 2024 ist es nun erneut so weit: Die sich abzeichnende Oster-Nachfrage wird das Angebot an Schweizer Eiern wohl übersteigen. Der Weihnachts-Run auf die Eier scheint da noch nicht einmal ganz überwunden. Die Migros erklärt ihren Kunden schon Anfang Januar, weshalb sich Lücken in den Eier-Regalen auftun. 

Eier zu produzieren, ist ein langfristiges Geschäft. Es beginnt mit der Geburt einer künftigen Legehenne. Von ihrem Schlüpfen bis zu ihrem ersten Ei dauert es sechs Monate. Doch auch die Eltern der Legehennen müssen zuerst existieren.

Der Schweine-Zyklus im Eier-Markt

Würgler zieht auch Legehennen auf. «Wie viele wir aufziehen können, ist unter anderem von der Stallgrösse abhängig. Wir können nicht plötzlich viel mehr Legehennen anbieten. Diese Nachrage schätzen wir jeweils eineinhalb Jahre im Voraus ab.»

Die Mechanik des Eiermarkts erinnert an das Phänomen, das die Wirtschaftswissenschaften «Schweine-Zyklus» nennen. Ist Schweinefleisch knapp, steigen die Preise. Die Züchter produzieren in der Folge mehr, um mehr zu verdienen. Die Konsequenz: Der Markt wird überschwemmt, die Preise sinken, die Produzenten reduzieren ihr Angebot und der Schweine-Zyklus beginnt von vorn. Das Gleiche passiert in abgeschwächter Form im Eier-Markt.

Unterschiedlich grosse Eier kommen in verschiedene Verkaufskanäle. Sortiermaschine in einem Betrieb im Kanton Zürich.
Unterschiedlich grosse Eier kommen in verschiedene Verkaufskanäle. Sortiermaschine in einem Betrieb im Kanton Zürich.
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Für die Eier-Produzenten ist es freilich vorteilhafter, wenn ihre Produkte knapp sind, als wenn zu viel auf dem Markt ist. Würgler gibt ein Beispiel: «Wenn eine Hühner-Herde zu alt ist, um weiter Eier für den Verkauf zu legen, steht der Stall normalerweise zwei Wochen leer. Als wir ein Überangebot hatten, liessen wir die Ställe vier bis acht Wochen leer stehen. Die Kosten laufen aber weiter. Der Betrieb verliert also Geld, wenn diese Leerzeit nicht entschädigt wird.»

Landwirt Würgler ist auch Präsident von Gallosuisse, dem Verband der Schweizer Eier-Produzenten. Er beschäftigt sich regelmässig damit, welche Menge optimal für den Konsum in der Schweiz ist. Er rechnet vor: «Wenn wir die Nachfrage nur zu 75 Prozent mit Schweizer Eiern decken, wird es knapp. Wenn wir 80 Prozent auf den Markt bringen, haben wir im Sommer ein Überangebot.» Aktuell seien sie bei geschätzten 76 Prozent. Folge sind Warnrufe der Grossverteiler wie Migros und Aldi, die die Kundschaft auf einen Engpass vorbereiten.

Europa kann liefern, solange die Vogelgrippe nicht zuschlägt

Wenn die Schweizer Betriebe nicht genug Eier liefern können, muss mehr importiert werden. Dafür gibt es ein Kontingent. Ist dieses ausgeschöpft, schlägt der Bund Zoll auf die Eier. «Das verteuert die Importware um rund 20 Rappen pro Stück», rechnet Würgler vor. Bei 25 Rappen für Import-Eier der billigsten Kategorie ist das ein happiger Aufschlag. Bei den teureren Freiland- oder Bio-Produkten macht der Zoll weniger aus. 

Hinzu kommt, dass der Bundesrat auf Antrag der Schweizer Eier-Produzenten und -Händler das Kontingent erhöhen kann. Wenn die Eier in der Schweiz knapp werden, kann also mehr importiert werden, ohne dass der Zoll die Ware verteuert.

Die Schweiz isst mal mehr, mal deutlich weniger Eier. Die Hühner legen immer etwa gleich viel. Diese Angestellte trägt 360 Eier auf einmal. 
Die Schweiz isst mal mehr, mal deutlich weniger Eier. Die Hühner legen immer etwa gleich viel. Diese Angestellte trägt 360 Eier auf einmal. 
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Bislang hat der europäische Markt genug hergegeben, um die Über-Nachfrage in der Schweiz zu decken. Allerdings habe es in den letzten Jahren immer wieder Fälle von Vogelgrippe gegeben, mahnt Würgler. Greife diese um sich, könnten selbst Import-Eier knapper und damit teurer werden.

Längere Lebensdauer verknappt die Eier-Menge

Zum Schluss gibt Würgler einen weiteren Grund an, weshalb sich Schweizer Betriebe schwertun, die Nachfragehochs zu decken: den gesellschaftlichen Wunsch, die Legehennen länger leben zu lassen. Früher waren diese eineinhalb Jahre im Einsatz. Dann wurden sie «ausgestallt», wie das in der Fachsprache heisst. Heute behalten viele ihre Herden zwei bis zweieinhalb Jahre. Danach werden sie nach Möglichkeit noch zu Fleisch verarbeitet.

Das bringt neue Herausforderungen mit sich: «Je älter unsere Tiere sind, desto kleiner wird der Anteil an marktfähigen Eiern.» Hennen legen mit zunehmendem Alter mehr Eier, diese werden grösser haben aber eine immer dünnere Schale. Damit sind sie für den Verkauf im Laden nicht mehr geeignet und gehen in die Lebensmittelproduktion. 

Ein längeres Leben der Legehennen bedeutet weniger Ertrag pro Tier für den Betrieb. Die Gesellschaft will es so, sagt Verbandspräsident Würgler. 
Ein längeres Leben der Legehennen bedeutet weniger Ertrag pro Tier für den Betrieb. Die Gesellschaft will es so, sagt Verbandspräsident Würgler. 
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Die längere Lebenszeit der Hennen – der Experte nennt sie «Umtrieb» – verschiebt die Zeit, in der eine Herde am meisten Eier hergibt. «Das macht es schwieriger, den grossen Nachfrage-Schwankungen planerisch entgegenzuwirken», führt Würgler aus. «Wir arbeiten schliesslich mit Lebewesen und der Natur und können zum Glück nicht alles steuern.»

Dass die Schweizer Hühner länger leben, führt also dazu, dass ihre Eier bei hoher Nachfrage knapp werden. Was geschehen müsste, damit es über das ganze Jahr genug Schweizer Eier für alle gäbe, weiss Würgler genau: «Die Schweizer Konsumenten sollten Exzesse vermeiden und über das ganze Jahr gleichmässig Eier essen. So könnten wir besser planen und immer so viel produzieren, wie es braucht.»