Inder «vermittelt» Landsleute an Front Verzweiflung, falsche Versprechen und die Lüge in Moskau

Andreas Fischer

12.3.2024

Sie suchen Jobs in Russland und landen an der Front in der Ukraine: Putins Armee und indische Menschenhändler arbeiten offenbar zusammen.
Sie suchen Jobs in Russland und landen an der Front in der Ukraine: Putins Armee und indische Menschenhändler arbeiten offenbar zusammen.
Screenshot Youtube/NDTV

Statt lukrative Jobs zu finden, landen sie an der Front: «Jobvermittler» in Indien locken ihre Landsleute mit falschen Versprechungen nach Russland, wo sie von Putins Armee im Krieg verheizt werden.

Andreas Fischer

12.3.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein «Arbeitsvermittler» rekrutiert indische Landsleute für Jobs in der russischen Armee.
  • Statt als Fahrer oder Koch im Hinterland landen viele der Männer an der Kriegsfront in der Ukraine.
  • Die russischen Behörden nutzen weitere perfide Methoden, um verzweifelte Inder in die Kampfuniform zu zwingen.

Sie sind auf der Suche nach Arbeit und landen als Kanonenfutter in Putins Armee: Dubiose Jobvermittler schicken offenbar indische Männer an die Front des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Die Männer wissen davon offenbar nichts: Sie bezahlen bis zu 3'000 Franken für die Vermittlung eines Arbeitsverhältnisses in Russland. Im Gegenzug werden ihnen hohe Löhnen sowie ein russischer Pass versprochen.

Die Regierung in Neu-Delhi bestätigt, dass sich indische Staatsbürger für «Unterstützungsarbeiten» bei der russischen Armee verpflichtet haben. Dass die Männer an der Front landen würden, wird bei der «Vermittlung» nicht erwähnt. Überhaupt machen die «Vermittler» haufenweise falsche Versprechungen.

So lockt der «Vermittler» Faisal Khan in einem Youtube-Video aus St. Petersburg mit einem «speziellen Ausweis», den erhalte, wer in die russische Armee eintritt. «Mit diesem Ausweis kann man auch Schengen-Visa für europäische Länder und Daueraufenthalte in Russland beantragen», behauptet Khan, der mittlerweile als Teil eines Menschenhändlerrings ins Visier der indischen Behörden geraten ist, wie «The Indian Express» berichtet.

«Hier ist kein Krieg»

Khan rekrutiert arglose Landsleute mit Unwahrheiten. Auf seinem Youtube-Kanal postet er Videos aus dem russischen Hinterland. «Hier ist kein Krieg. Die Kämpfe finden an der Grenze statt, und dort befindet sich ihre Armee», sagt er darin. Die Jobs, die er vermittelt, würden weitab vom Kriegsgeschehen angesiedelt sein. «Die russische Armee braucht Arbeitskräfte, die sich um die Heimatfront kümmern.»

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Menschen, die auf Khan hereinfallen, landen doch an der Front, wie «The Indian Express» in einer Recherche herausgefunden hat. Sie unterschreiben Verträge in russischer Sprache, obwohl sie kein Wort verstehen – und sterben dann in einem Krieg, mit dem sie nichts zu tun haben wollten.

Was die Männer eint, ist die verzweifelte Suche nach einem Job, ein Youtube-Kanal, der ihnen Hoffnung gibt, und eine Lüge, die erst nach der Ankunft in Moskau aufgedeckt wird, schreibt «The Indian Express». Ihre Familien schilderten demnach detailliert, wie zwei Männer aus der indischen Provinz Ende des vergangenen Jahres nach Moskau gelockt wurden.

Gezwungen, im Krieg zu kämpfen

«Sie wurden überlistet», sagt der Bruder eines an der Font schwer verletzen Inders. «Der Agent, der sie angeworben hatte, sagte, sie würden nur in Moskau arbeiten. Stattdessen bekamen sie 15 Tage lang Waffentraining und wurden dann in der Ukraine abgesetzt: gezwungen, an der Seite der russischen Truppen im Krieg zu kämpfen.»

Laut Nachrichtenagentur AFP hatte die Tageszeitung «The Hindu» schon vor einigen Wochen berichtet, dass etwa 18 Inder in verschiedenen Grenzstädten entlang der russisch-ukrainischen Front gestrandet seien. Mindestens drei von ihnen sind gefallen, schreibt «The Indian Express».

Khan ist sich keiner Schuld bewusst. Er habe nichts Illegales gemacht, wird er vom Nachrichtensender News 18 aus Dubai zitiert.

Er habe insgesamt 35 Männer nach Russland «vermittelt» und sei selbst auch ein Opfer. Schliesslich hätten ihm die Agenten und Betreuer in Russland versichert, dass diese Männer nicht an der Kriegsfront eingesetzt werden würden. Was dann aber wirklich in Russland geschah, «lag ausserhalb meiner Kontrolle».

Gefängnis oder Fronteinsatz für Touristen

Das indische Aussenministerium erklärte, die indische Botschaft habe die Angelegenheit der gegen ihren Willen rekrutierten Inder «regelmässig bei den zuständigen russischen Behörden zur Sprache gebracht», um eine frühzeitige Entlassung ihrer Staatsbürger zu erreichen. «Wir fordern alle indischen Staatsangehörigen auf, Vorsicht walten zu lassen und sich von diesem Konflikt fernzuhalten.»

Eine Warnung, die nicht ernst genug zu nehmen ist. Neben den falschen Vermittlern gehen auch russische Behörden nicht zimperlich bei der Zwangsverpflichtung indischer Rekruten vor. So wurde zuletzt beispielsweise eine Gruppe indischer Touristen in die Armee gezwungen, berichtet der Sender NDTV (im Video unten).

Die Leute wurden von einem russischen Tourguide kurz hinter belorussischen Grenze ausgesetzt und von der Polizei vor die Wahl gestellt: zehn Jahre Gefängnis oder Fronteinsatz.

Mit Material der Nachrichtenagentur AFP.