Late Night USA «Sogar die parteiliche Unterstützung war bi»

Von Philipp Dahm

1.12.2022

Stephen Colbert beschäftigt sich in seinem Monolog mal wieder mit der Gefühlswelt Amerikas.
Stephen Colbert beschäftigt sich in seinem Monolog mal wieder mit der Gefühlswelt Amerikas.
Screenshot: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Amerika, ein Wintermärchen: Ein Rechtsradikaler wird wegen des 6. Januar verurteilt, die gleichgeschlechtliche Ehe wird gestärkt und Donald Trump hat Ärger, weil er mit einem Antisemiten speist. Und Colbert kommentiert.

Von Philipp Dahm

1.12.2022

Er fühle sich «verdammt gut», sagt Stephen Colbert zum Auftakt des Monologs in seiner «Late Show». Doch er habe ein schlechtes Gewissen, denn der Grund dafür ist, dass jemand ins Gefängnis muss.

«[Vorgestern] wurde in einem Prozess wegen der schrecklichen Ereignisse am 6. Januar der Gründer der [rechtsradikalen] Oath Keepers, Stewart Rhodes, des [Hochverrats] für schuldig befunden», erklärt der Late-Night-Host unter dem Jubel des Publikums.

Genauer gesagt geht es um den Tatbestand der seditious conspiracy, also der aufrührerischen Verschwörung. Wegen weiterer Vorwürfe drohen dem Radikalen bis zu 60 Jahre Haft. Das Gute sei, dass Rhodes' Look im Jahr 2082 wieder in sein könnte, spendet Colbert dem «punkigen Cowboy-Piraten» Trost.

Stewart Rhodes – oder wie Colbert ihn nennt: der steampunk cowboy pirate.
Stewart Rhodes – oder wie Colbert ihn nennt: der steampunk cowboy pirate.
Screenshot: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Mit der Augenklappe könnte man Rhodes vielleicht für einen «heroischen Freiheitsrebell» halten, fährt Colbert fort. Doch tatsächlich trage der Mann das Teil, weil er sich mit seiner eigenen Waffe versehentlich ins Gesicht geschossen hat. «Oupsa-Karma», lästert der 58-Jährige.

Gewalt als Ergebnis einer «organisierten Verschwörung»

Die Verurteilung sei «ein Riesending», ordnet der Moderator ein: Es sei das erste Mal, dass Geschworene entschieden hätten, dass die Gewalt am 6. Januar ein «Produkt einer organisierten Verschwörung» sei. «Ich habe zugeschaut», schüttelt Colbert den Kopf. «Es wirkte organisiert. Ich kann mich an keine Überschrift erinnern, die ‹Romantisches erstes Treffen beim Kapitol läuft aus dem Ruder› lautete.»

Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Rhodes sei so ein «Mistkerl», dass auch seine Ex-Frau nachtritt: Die sagt, es sei eine Premiere, dass ihr Verflossener auch mal Konsequenzen tragen müsse. «Das nennt man wohl ‹Beim Schlussmachen gewonnen›», ätzt Colbert.

Erfreulicher sei dagegen, dass der Senat ein Gesetz verabschiedet hat, das sich Respect for Marriage Act nennt. Die Gleichheit von Eheschliessungen werde damit zu einer Bundesvorschrift.

«Legion of Dumb»

«Das ist ein unglaublicher Moment», meint Colbert. «Ich bin so stolz, in einem Land zu leben, in dem sich jeder unabhängig von seinem Geschlecht seit Jahrzehnten darüber streiten kann, wie man den Geschirrspüler richtig einräumt.»

Denn das Geschirr vorher kurz abzuspülen sei falsch, schickt er hinterher: Das sei die Arbeit, die die Maschine erledige. Das Gesetz sei mit 61 zu 36 Stimmen angenommen worden: 12 Republikaner hätten sich wie die Demokraten entschieden. Es sei kein Wunder, dass das Gesetz wahr geworden sei: «Sogar die parteiliche Unterstützung war bi», witzelt der gebürtige Washingtoner.

Bleibt die Frage, warum dieses Gesetz wichtig sein soll: Ist die gleichgeschlechtliche Ehe in den USA nicht bereits legal? «Ja, aber viele Leute machen sich Sorgen, dass dieses Recht verloren geht – dank der Legion of Dumb.» Eine Anspielung auf den Obersten Gerichtshof und die Legion of Doom, die bei den DC Comics ein Bund von Bösewichten ist.

Sicherheit für gleichgeschlechtliche Paare

Hintergrund ist natürlich das Urteil im Fall Roe v. Wade, mit dem das Recht auf Abtreibung den Bundesstaaten überlassen wird. «Der nächste logische Schritt, den viele Konservative bereits gefordert haben, wäre, Obergefell v. Hodges zu kippen.» Dieser Präzedenzfall erlaubt die gleichgeschlechtliche Ehe.

«Legion of Dumb« und ein «Legion of Doom»-Bösewicht: Das Oberste Gericht geniesst kein Vertrauen mehr, seit die Konservativen in der Mehrheit sind.
«Legion of Dumb« und ein «Legion of Doom»-Bösewicht: Das Oberste Gericht geniesst kein Vertrauen mehr, seit die Konservativen in der Mehrheit sind.
Screenshot: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Das neue Gesetz «wird nicht jeden Bundesstaat zwingen, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zu erlauben», erklärt Colbert. Aber: «Leute gelten in jedem Staat als verheiratet, wenn die Ehe in dem Staat gültig ist, in dem sie geschlossen wurde.»

Der Gastgeber bringt ein Beispiel: «Wenn du in Massachusetts heiratest und nach Florida ziehst, kann niemand die Rechtmässigkeit deiner Ehe infrage stellen. Aber sie können infrage stellen, warum du nach Florida gezogen bist.» 

Trump bei Fox News nur noch online

Und war da noch was in den USA? Ach ja, Donald Trump hat mal wieder Schlagzeilen gemacht, als er sich am 29. November mit Ye alias Kanye West und einem gewissen Nick Fuentes getroffen hat. Letzterer glaubt an die Überlegenheit der Weissen und ist ein ausgewiesener Antisemit. Das hat zu heftiger Kritik an dem 76-Jährigen geführt.

Rechtsradikaler Antisemit: Nick Fuentes Treffen mit Donald Trump sorgt für Gerede und Kritik.
Rechtsradikaler Antisemit: Nick Fuentes Treffen mit Donald Trump sorgt für Gerede und Kritik.
Archivbild: AP

«Der frühere Präsident tut nun alles, um den Schaden zu minimieren», erklärt Colbert. «Also ist er zu Fox News gegangen. Ich würde nun normalerweise Ausschnitte davon zeigen, aber wir haben keine. Denn sie haben ihn nur mit FoxNews.com sprechen lassen. Nicht mal die TV-Kameras wollen sich vor der Kamera mit ihm sehen lassen.»

Trump redet sich darin heraus, er habe vor dem Abendessen noch nie von Nick Fuentes gehört. «Ich hatte keine Ahnung, was seine Ansichten sind», wird er zitiert. Nun bekommt Trump einen Aufpasser, damit sich das nicht wiederholt, so Colbert: Ein hoher Funktionär soll den New Yorker fortan jederzeit begleiten.

Walker, Texas Ranger

Ein Gesprächsthema ist in den USA auch die Stichwahl in Georgia, die am 6. Dezember ansteht. Das Interesse ist riesig: Am 28. November wird berichtet, dass der Rekord für vorzeitig abgegebene Stimmen gebrochen wurde. Sowohl Raphael Warnock von den Demokraten wie auch Herschel Walker von den Republikanern geben im Wahlkampf alles, doch Letzterer fällt aus der Rolle.

«Walkers Reden sind besonders bemerkenswert, denn sie sind verrückt», erläutert Colbert. Im Clip ab Minute 7:38 ist zu sehen, warum: Walker spricht über die Grenze und eine Mauer. «Mauern funktionieren. Mauern funktionieren um dein Haus herum. Wenn du eine Mauer um dein Haus herum hast, machen die Leute nicht ... Yeah, aber sie können hineingehen. Aber wisst ihr was, wenn sie reingehen würden, wäre es hart wieder rauszukommen, denn ich habe einen Hund, der ... Nun, mein Hund würde nicht wirklich beissen.»

Herschel Walker redet sich im Wahlkampf in Georgia um Kopf und Kragen.
Herschel Walker redet sich im Wahlkampf in Georgia um Kopf und Kragen.
Screenshot: YouTube/The Late Show with Stephen Colbert

Colbert kann darüber nur breit grinsen. Sollten die Wähler Walker die kalte Schulter zeigen, wüsste der nicht mal, wohin. Denn der frühere Football-Profi hat zugegeben, er sei nach Texas gezogen, um Steuern zu sparen. Das werde bei der Wählerschaft in Georgia wohl nicht gut ankommen.

Ähnlich wie bei Mehmet Oz, der nach der verlorenen Wahl in Pennsylvania wieder zurück ins TV-Geschäft wollte. Allein: Seine früheren Produzenten ghosten ihn nun. Der Wahlkampf hat seinem Ruf wohl schwer geschadet, feixt Colbert.