Late Night USATrump «braucht einen Türsteher, um die Leute drinnen zu halten»
Von Philipp Dahm
17.11.2022
«Grosse Ankündigung»? Wohl eher «kleine Folter»: Früher hat sich die Öffentlichkeit auf Donald Trump gestürzt. Heute wird bei seiner Rede der Ausgang blockiert, damit niemand seiner 64-minütigen Tirade entgeht.
Von Philipp Dahm
17.11.2022, 13:25
17.11.2022, 16:15
Philipp Dahm
Die Zwischenwahlen sind gerade mal eine gute Woche her – «und die Stichwahl in Georgia ist erst in drei Wochen», resümiert Trevor Noah. Doch auch wenn die Midterms 2022 noch nicht vorbei sind, ist jetzt der «perfekte Zeitpunkt, um über die Wahl 2024 zu berichten».
Der Grund dafür ist natürlich Donald Trump, der in den vergangenen zwei Jahren bereits mehrfach – politisch – totgesagt wurde. Im News-Clip ab Minute 3:03 verkündet der 76-Jährige in seinem Luxusclub Mar-a-Lago in Florida seine erneute Kandidatur fürs Präsidentenamt.
«Das ist unser Land, das ist unsere Regierung», tönt Trump, gegen den gleich mehrfach ermittelt wird. Wichtig ist dem New Yorker deshalb, dass das Justizwesen nicht instrumentalisiert werde. «Wir brauchen eine umfassende Aufarbeitung der faulenden und rottenden Korruption in Washington», sagt der Ex-Präsident. Und: «Ich bin ein Opfer.»
«Das stimmt, Leute», imitiert Noah Trump. «Ich bin das grösste Opfer von allen: Jedes Mal, wenn ich etwas Illegales mache, sind sie hinter mir her. Ich habe 30 Verbrechen begangen, und mindestens 20 Mal waren sie hinter mir her. Es ist so unfair.»
Eric Trump, Al Caprone, Jesse Jame und Billy the Kid
Es sei ein klassischer Trump, meint der Gastgeber der «Daily Show»: «Er ist immer das Opfer. Der arme Milliardär, dem bloss 15 Golfplätze gehören und der für vier Jahre das mächtigste Land der Welt regiert hat.» Nun habe er sein altes Team zusammengerufen, um es nochmals zu probieren. «Ich meine das natürlich metaphorisch», ergänzt Noah, «denn das Gros vom alten Team sitzt im Knast.»
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Dass der Kandidat einen Feldzug damit beginnt, dass er sich als «weinerliches, beleidigtes Baby» präsentiert, findet der 38-Jährige «interessant». Zumal auch Trumps Familie gelitten hat, wie er selber sagt: «Es war keine Vergnügungstour für unsere grossartige First Lady», sagt Trump ab Minute 5:33. «Ich komme nach Hause und sie sagt: ‹Du siehst verärgert und wütend aus.› Und ich sage: ‹Lass mich einfach in Ruhe.›»
Auch Sohn Eric, der notabene das einzige erwachsene Trump-Kind bei der «grossen Ankündigung» war, habe einiges ertragen müssen: «Ich glaube, er hat mehr Vorladungen bekommen als irgendjemand sonst in der Geschichte unseres Landes. So unfair. Al Capone, ihr habt alle von dem grossen Gangster gehört? Al Capone hat viel weniger bekommen. Billy the Kid hat fast keine bekommen. Jesse James – nein. Eric Trump hat mehr Vorladungen bekommen.»
«Niemand hat mehr gelitten als die Familie Trump»
«Niemand hat mehr unter der Trump-Präsidentschaft gelitten als die Familie Trump», ätzt Noah. «Während ihr es euch in euren Käfigen an der Grenze bequem gemacht und euch am endlosen Covid-Buffet bedient habt, wurde Eric Trump aufgefordert, Fragen zu beantworten. Was für ein schweres Leben.»
Wie im Wilden Westen die Revolverhelden Jesse James und Billy the Kid Vorladungen erhalten haben, zeigt ein lustiger Kurz-Clip ab Minute 6:43. «Ach, und hat es bei der kleinen Geschichte, die Trump über sich und Melania erzählt hat, noch jemanden überrascht zu hören», fügt der Südafrikaner an, «dass er Melania gesagt hat, sie solle ihn in Ruhe lassen?»
In Ruhe gelassen hätten Trump wohl auch mehrere seiner Zuschauer vor Ort. Die Rede ist mit 64 Minuten doppelt so lang wie angekündigt und nicht besonders energiegeladen. «Das war Teleprompter-Trump», so ein Kommentator im Clip ab Minute 8. «Er hat sich selbst gelangweilt», sagt eine andere Kommentatorin. «Er war ziemlich gedämpft», lautet eine dritte Meinung.
Zuschauer konnten Saal nicht verlassen
Das Beste: Wer sich der langweiligen Rede entziehen will, steht vor verschlossenen Türen. Das Sicherheitspersonal lässt die Zuhörer im Mar-a-Lago nicht heraus. «Du weisst, dass ein Klub mies ist, wenn du einen Türsteher brauchst, um die Leute drinnen zu halten», feixt Noah.
Trumps Rückhalt fällt geringer aus, so das Fazit des Moderators. Sogar Tochter Ivanka mache nicht mehr mit: «Diesmal habe ich mich entschlossen, Priorität auf meine jungen Kinder und das Privatleben zu legen, das wir als Familie erschaffen», teilte sie mit. Noah kann das verstehen: «Sie hat diesen anbetungswürdigen Buben zu Hause», sagt er – und zeigt ein Bild von Ivankas Gatten Jared Kushner.
Und während nicht alle Republikaner von Trumps Kandidatur begeistert sind, freuen sich Demokraten wie Bernie Sanders, das sei für ihre Partei «wahrscheinlich eine gute Sache». «Diese Denkweise ist ja noch nie übel nach hinten losgegangen», findet Noah. «Fragt nur Präsidentin Hillary Clinton.»
Noahs Warnung: «Alles ist möglich»
Geht jetzt alles nochmal von vorne los, fragt Noah? Demokraten, die auf Trump als Gegner hoffen? Medien, die den Kandidaten abschreiben? Republikaner, die angeblich nicht hinter ihm stehen? Trump könne prompt wieder deren «König» werden.
Biden habe bei den Wahlleuten nur mit 44'000 Stimmen Vorsprung gegen Trump gewonnen, erinnert der Moderator. Seine Kandidaten hätten bei den Zwischenwahlen zumeist nur mit einem Prozent Unterschied verloren, warnt Noah: «Alles ist möglich.»
«Jimmy Kimmel Live» ergänzt, dass der New Yorker mit der Kandidatur auch Ermittlungen gegen sich erschweren will. Er zeigt auch ab Minute 3:20, wie Trump von einem Gespräch mit Xi Jinping berichtet.
«‹Wie kommt es, dass ihr kein Drogenproblem habt?› Er sagte: ‹Schnellgerichte.› ‹Was sind Schnellgerichte?› Ich wusste es natürlich: Du wirst mit Drogen erwischt, du hast ein ummittelbares und schnelles Gerichtsverfahren, und am Ende des Tages wirst du hingerichtet.» Das Publikum quittiert das auch noch mit Applaus.
«Been there, Don that»
Kimmel beleuchtet auch die Reaktion der konservativen Medien. Die «New York Post» reisst den Auftritt auf dem Titelblatt nur an mit: «Mann aus Florida gibt etwas bekannt.» Dabei steht Florida Man in den USA synonym für «Spinner». In der Zeitung ist dann von einem «Rentner aus Florida» die Rede, der 2024 – mit 78 Jahren – Präsident werden will. Der Artikel ist überschrieben mit «Been there, Don that» und endet mit: «Trump war auch 45. Präsident.»
Die Parteiprominenz glänzt durch Abwesenheit und Grossspender wie Stephen A. Schwartzman und Kenneth C. Griffin hätten sich zurückgezogen: «Man erkennt die reichen Typen an ihrem Mittel-Buchstaben», weiss Kimmel. «Sie werden jemand anderen unterstützen. Die wissen noch nicht, wen. Sie wissen nur, er wird es nicht sein.»
Sein früherer Verteidigungsminister Mark Esper hält Trump für das Amt ungeeignet, zählt der Moderator auf. Sein früherer Stabschef Mike Pompeo sagt, die Republikaner bräuchten weniger Lärm und mehr Ernsthaftigkeit. Nur Marjorie Taylor Greene trommelt für den 76-Jährigen und erhofft sich dabei wohl, als seine Vizepräsidentin antreten zu dürfen – siehe Video ab Minute 8:09.
Kimmels Kommentar im Anschluss: «Apropos Marjorie Taylor Greene: Die Fruchtbarkeit von Männern sinkt. Nach einer neuen Studie ist die Zahl der produzierten Spermien seit 1973 um 51 Prozent gefallen. Deshalb brauchen wir Herschel Walker mehr denn je im Senat.»