Klagen jeglicher Art, Einschüchterungen und Bedrohungen oder Versuche, Quellen zu enttarnen: In der zweiten Amtszeit von Donald Trump fürchten kritische Medien in den USA ein ganzes Spektrum von Einmischungen und Übergriffen.
«Die Nachrichtenmedien gehen mit offenen Augen in die nächste Amtszeit», betont Bruce Brown, der Geschäftsführer der Organisation RCFP, die Medienschaffenden juristischen Beistand bietet. «Einige Herausforderungen für die freie Presse mögen offenkundig sein, andere eher subtil», sagt er. «Wir müssen sowohl auf eine schnelle Reaktion als auch auf lange Kampagnen zum Schutz unserer Rechte vorbereitet sein.»
Trump hat wiederholt die Medien als Feindbild angeprangert. Und er hat Vergeltung gegen all jene angekündigt, von denen er sich ungerecht behandelt fühlt. Das macht die Chefetagen von Medienunternehmen nervös.
Nachrichtenorganisationen gehen ohnehin geschwächt in die zweite Trump-Ära – sowohl finanziell als auch im öffentlichen Ansehen. Während des Wahlkampfs liess Trump die etablierten Medien weitgehend links liegen und setzte vor allem auf Podcaster. Die grossen Sender waren stattdessen Ziel von Angriffen des Kandidaten: CBS News verklagte er wegen der Art und Weise, wie der Sender ein Interview mit seiner Konkurrentin Kamala Harris auswertete. Bei ABC stellte er einen Entzug der Sendelizenz in den Raum, nachdem der Sender einen Faktencheck bei Trumps Fernsehdebatte gegen Harris vorgenommen hatte.
Trump verklagt Fernsehsender CBS wegen Kamala-Harris-Interview
STORY: Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump verklagt den Fernsehsender CBS wegen eines Anfang Oktober ausgestrahlten Interviews mit seiner demokratischen Konkurrentin Kamala Harris. Die Klage wurde am Donnerstag vor dem US-Bezirksgericht für den nördlichen Bezirk von Texas eingereicht. In dem Schriftstück wird das Interview in der Nachrichtensendung «60 Minutes» als irreführend bezeichnet. Der Sender soll demnach zwei verschiedene Antworten von Harris auf eine Frage zum Krieg zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen ausgestrahlt haben. In der Klage wird Schadenersatz von rund zehn Milliarden Dollar gefordert. Trump hat bereits gedroht, im Falle seiner Wiederwahl die Sendelizenz von CBS zu entziehen. CBS hatte mitgeteilt, dass Trump von seinem eigenen geplanten Interview mit «60 Minutes» zurückgetreten sei. Ein Sprecher von CBS reagierte nicht sofort auf die Bitte um eine Stellungnahme. Die US-Präsidentschaftswahl findet am 5. November statt. In einigen Bundesstaaten kann schon deutlich früher per Brief oder auch in Person gewählt werden. Allgemein wird nicht zuletzt wegen des vergleichsweise komplizierten Wahlverfahrens in den USA mit einem knappen Ausgang gerechnet.
01.11.2024
Kurz nach der Wahl erklärte Trump dann bei Fox News: «Ich bin nicht auf Vergeltung aus, auf Effekthascherei oder darauf, Leute zu zerstören, die mich sehr unfair oder sogar über alle Massen schlecht behandelt haben.» Er sei «immer bereit, eine zweite oder sogar eine dritte Chance zu geben, aber niemals eine vierte. Da ziehe ich die Grenze.» Er sei es dem amerikanischen Volk schuldig, offen zu sein und der Presse zur Verfügung zu stehen, sagte er – wenn er fair behandelt werde.
Einige von Trumps Nominierungen lassen bereits die Alarmglocken schrillen. Kash Patel, Trumps Kandidat für die Leitung der Bundespolizei FBI, erklärte vergangenes Jahr in einem Podcast, dass «wir gegen Leute in den Medien vorgehen werden, die über amerikanische Bürger gelogen haben». Mit aggressiven Äusserungen über die Medien oder die Kollegenschaft fielen auch Brendan Carr und Kari Lake auf. Carr soll Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC werden, die ehemalige «Fox News»-Moderatorin Lake Direktorin des staatlichen Auslandssenders Voice of America.
Medienunternehmen sorgen sich auch, dass ihr Informantenschutz leiden könnte. Derzeit ist es der Staatsanwaltschaft generell untersagt, Unterlagen von Journalistinnen und Journalisten zu beschlagnahmen, um nach undichten Stellen zu suchen. Befürchtet wird nun, dass das aufgeweicht werden könnte.
Dem Autorenverband PEN America macht zudem Sorge, dass ein insgesamt medienfeindlicheres Klima Journalisten nicht nur digitalen Anfeindungen, sondern auch psychischer Gefahr aussetzt. «Es ist wichtig, dass der Präsident verantwortungsbewusst handelt, um physische Gewalt gegen die Presse zu reduzieren, anstatt sie zu fördern», erklärte Viktorya Vilk, PEN-Programmdirektorin für digitale Sicherheit und freie Meinungsäusserung. Im Kopf hat sie wohl Äusserungen wie diese, die Trump vor Anhängern zum besten gab: Es würde ihm nichts ausmachen, wenn jemand «durch die Fake News» schiessen müsste, um zu ihm zu gelangen.
Es sei offensichtlich, dass die neue Regierung auf jede erdenkliche Weise gegen die Presse vorgehen werde, meint der ehemalige Chefredakteur der «Washington Post», Martin Baron. «Ich glaube, er wird jedes Instrument in seinem Werkzeugkasten nutzen», sagte er kürzlich im Rundfunknetzwerk NPR über den künftigen Präsidenten, «und das sind eine Menge Instrumente».
Trump holt weiteren TV-Moderator ins Kabinett
STORY: Der designierte US-Präsident Donald Trump hat den ehemaligen republikanischen Kongressabgeordneten und derzeitigen Fernsehmoderator Sean Duffy als Verkehrsminister nominiert. Trump sagte am Montag: Duffy werde sich beim Wiederaufbau der amerikanischen Infrastruktur auf «Exzellenz, Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Schönheit» konzentrieren und sicherstellen, dass Häfen und Dämme der Wirtschaft dienten, ohne die nationale Sicherheit zu gefährden. Das Verkehrsministerium mit einem Budget von rund 110 Milliarden Dollar steht vor grossen Herausforderungen: Die hohe Zahl der Verkehrstoten, Qualitätsprobleme bei Boeing sowie der Druck der Autoindustrie – insbesondere von Tesla – die Regeln für autonomes Fahren zu lockern. Sollte Duffy vom Senat bestätigt werden, wäre er neben Pete Hegseth als Verteidigungsminister der zweite Fox-News-Moderator in Trumps Regierung.