Pegasus am Rand des Abgrunds«Ich hätte nie gesagt, ich bin depressiv und saufe zu viel»
Bruno Bötschi
17.1.2025
Zwei Mitglieder verlassen die Popband Pegasus. Vor lauter Erfolg vergass das Quartett aus Biel über Gefühle zu reden. Ein Dok-Film blickt hinter die Kulissen und zeigt, wie die Musiker um ihre Freundschaft kämpfen.
Bruno Bötschi
17.01.2025, 23:15
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Pegasus gehört seit fast 30 Jahren zu den erfolgreichsten Popbands der Schweiz.
Im vergangenen Jahr begleitete der Luzerner Filmemacher Ivo Amarilli die vier Bieler Musiker mit der Kamera.
Während der Dreharbeiten kommt es plötzlich zum Knall – in der Folge geben Gabriel Spahni und Simon Spahr ihren Bandaustritt per Ende 2025 bekannt.
Für Pegasus-Frontmann Noah Veraguth ist es ein Entscheid «aus dem Nichts», der sich im ersten Moment wie ein «Schock» anfühlt.
Zuerst fehlen den vier Musikern die Worte, nachdem ihnen die Gefühle schon länger abhandengekommen sind – wie das filmische Band-Porträt offenbart.
An Mut fehlte es Noah Veraguth, Gabriel Spahni, Stefan Brenner und Simon Spahr von klein auf nicht.
Kaum begannen die vier Giele aus Biel vor fast 30 Jahren gemeinsam Musik zu machen, wurden ihre Träume grösser und grösser.
Mit ihrer Band namens Pegasus wollten sie dereinst auf dem Gurten in Bern spielen und irgendwann sogar im Hallenstadion in Zürich auftreten. Letzteres schafften sie im Jahr 2007 als Vorband von Joe Cocker zum ersten Mal.
Gabriel Spahni: «Ich muss ein neues Kapitel aufschlagen»
Was passiert, wenn der Lebenstraum von einem Tag auf den anderen plötzlich zerplatzt?
Und was geschieht, wenn ein Mitglied einer der erfolgreichsten Schweizer Popbands nicht mehr will, weil er «nicht mehr schlafen kann»? Und behauptet: «Es ist nicht mehr gesund.»
Der Luzerner Filmemacher Ivo Amarilli begleitete im vergangenen Jahr, den verrücktesten zwölf Monaten seit Bestehen von Pegasus, die Band mit der Kamera.
Im Jahr 2024 stand nicht nur die Tournee mit dem Circus Knie an – mit total 105 Auftritten, so vielen wie nie zuvor während eines Jahres. Angedacht war zudem die Produktion eines neuen Albums.
Doch dann kommt der 8. Juli 2024.
An diesem Montag teilt Gabriel Spahni, Mit-Songwriter und Bassist von Pegasus, seinen drei Kollegen aus heiterem Himmel mit: «Ich muss ein neues Kapitel aufschlagen.»
Konkret heisst das: Spahni will die Band Ende 2025 verlassen.
Ein Entscheid, der sich als «Schock» anfühlt
Für Pegasus-Frontmann Noah Veraguth ist es ein Entscheid «aus dem Nichts». Er fühlt sich nach fast 30 gemeinsamen Jahren im ersten Moment wie ein «Schock». Zuerst fehlen Worte, die Gefühle taten es schon länger – dazu später mehr.
Und in dieser angespannten Situation will nun auch noch ein Filmemacher kluge Sätze hören. «Ich war gegen diesen Film», sagt Veraguth am Anfang des Dok-Films «Pegasus – eine Band macht Schluss», der heute Freitagabend auf SRF2 Premiere feierte.
Eine der erfolgreichsten Schweizer Popbands, wenn nicht gar die erfolgreichste, wabert plötzlich ganz nah am Abgrund. Aber niemand sollte davon erfahren – zumindest noch nicht jetzt. Nicht im Juli 2024.
Es kommt noch schlimmer: Einen Monat später gibt auch Gitarrist Simon Spahr den Bandaustritt per Ende 2025 bekannt.
Die Musiker wissen nicht mehr, wo «oben und unten» ist
Kurz danach geht die Tournee vom Circus Knie in Bern weiter und Pegasus steht wieder gemeinsam auf der Bühne. Die Band liefert ab, als wäre in den vergangenen Wochen scheinbar nichts passiert.
Frontmann Noah Veraguth singt vom Fliegen, derweil es in seinem Kopf dreht und in Realität möglicherweise der Absturz droht.
Stunden vor dem Berner Auftritt besucht Filmemacher Ivo Amarilli die Band. Die vier Musiker stehen vor ihrem «Knie»-Garderobenwagen und wissen nicht mehr, wo «oben und unten» ist.
Plötzlich läuft Noah Veraguth mit der Gitarre davon und fängt an zu singen. Gabriel Spahni, Stefan Brenner und Simon Spahr Löcher starren derweil Löcher in den Himmel. Jesses, was passiert hier gerade?
Fünf Minuten vor dem Auftritt sagt Veraguth: «Hey Jungs, wie machen wir es?»
Spahni: «Was?»
Veraguth: «Einfach heute ... Vollgas?»
Spahni: «Ja sicher.»
Das Publikum in Bern scheint an diesem Abend nichts zu bemerken, die Familie Knie auch nicht.
Veraguth fragt Ivan Frédéric Knie nach dem Auftritt: «Wie waren wir?» Antwort: «Super.» Mutter Géraldine ist ebenfalls begeistert: «Mega.»
Noah Veraguth: «Wir verdienen einen Oscar»
Es ist förmlich spürbar: Die Unsicherheit innerhalb der Band wird grösser und grösser. Droht gar der grosse Knall?
«Wir verdienen einen Oscar, dass wir 100 Mal so tun konnten, als ob wir alle noch riesigen Spass miteinander hatten», sagt Noah Veraguth später im Film.
Er spricht darüber, wie enttäuscht er gewesen sei, dass Gabriel Spahni nicht zuerst den Dialog gesucht habe, sondern der Band «nur seine gemachte Entscheidung» präsentiert habe.
Wenig später wird klar, warum dem möglicherweise so sein musste. «Noah zeigt seine Gefühle nie», kritisiert Schlagzeuger Stefan Brenner den Frontmann.
Er sei deshalb auch nie mit Problemen zu ihm gegangen. Und weiter: «Ich hätte nie zu Noah gesagt, ich bin depressiv und saufe zu viel.»
Um die Situation zu verdeutlichen, erzählt Brenner ein weiteres Beispiel: «Als ich Noah einmal sagte, ich hätte meine Beziehung beendet, fragte er mich allen Ernstes: Was, du hattest eine Freundin?»
Innerhalb der Band wird kaum über Gefühle gesprochen
Momoll, die vier Pegasus-Giele verbrachten viel Zeit zusammen und feierten musikalisch einen Erfolg nach dem anderen. Allein ihre beiden Platten «Human.Technology» (2011) und «Love & Gunfire» (2014) wurden mit Platin ausgezeichnet.
Letzteres Album hielt sich sage und schreibe über anderthalb Jahre in der Schweizer Hitparade.
Möglicherweise versperrten die musikalischen Erfolge aber je länger desto mehr den Blick auf anderes: Innerhalb der Band wird kaum über Gefühle gesprochen.
Gleichzeitig wird im Dok-Film spürbar, dass die vier Männer bereits viel zu lange miteinander befreundet sind, als dass sie die gemeinsamen Jahrzehnte einfach achtlos auf den Scheiterhaufen werfen wollen.
Schock, Enttäuschung und Orientierungslosigkeit
Zuerst der Schock. Danach die Enttäuschung. Später die Orientierungslosigkeit. Und doch scheint Noah Veraguth, Gabriel Spahni, Stefan Brenner und Simon Spahr bald klar:
Oder wie es die vier Musiker am Ende des Dok-Films «Pegasus – eine Band macht Schluss» sagen:
Gabriel Spahni: «Man weiss ja nie, was in der Zukunft passiert. Oft hat man das Gefühl, man verliert etwas Wichtiges, doch wenn man dann an einem neuen Ort angekommen ist, sieht es plötzlich komplett anders aus.»
Simon Spahr: «Wir haben so viele schöne Erinnerungen, deshalb versuche ich nicht traurig zu sein.»
Noah Veraguth: «Wir können nicht mehr zurück, aber wir können in Zukunft einen Weg finden, auf dem jeder glücklich ist.»
Stefan Brenner: «Wir waren vorher vier Freunde, wir waren es während dessen und wir sind es auch danach noch. Es ist eh schon krass, dass wir so lange gemeinsam am gleichen Traum festhalten konnten. Und zwei sind ja immer noch im Boot. Das reicht gerade aus, um nicht im Kreis zu rudern.»
Heute Freitag, 17. Januar, erscheint das achte Studioalbum von Pegasus. Es trägt den Titel «Twisted Hearts Club». Ab dem 7. März ist die Band zum letzten Mal auf Tournee. Tickets gibt es hier.
SRF DOK
Fr 17.01. 22:15 - 23:15 ∙ SRF zwei ∙ CH 2025 ∙ 60 Min
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