Nervenprobe droht Warum es bis zum endgültigen US-Wahlergebnis dauern könnte

dpa/tcar

31.10.2024 - 23:47

Der Countdown zur US-Präsidentschaftswahl läuft. Doch dass am Wahlabend schon Klarheit über den Ausgang herrscht, wagen viele zu bezweifeln. Dafür sorgen ein komplexes Wahlsystem – und Donald Trump.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Wahlen zur US-Präsidentschaft rücken immer näher.
  • Bis die endgültigen Zahlen über den Ausgang feststehen, könnte dauern.
  • Viele Faktoren spielen dafür eine Rolle - und wahrscheinlich Donald Trump.

Im Neonlicht einer nüchternen Lagerhalle zeigt sich die US-Präsidentschaftswahl in ihrer bürokratischen Reinform: Öffnen. Prüfen. Sortieren. Während draussen Menschen Schlange stehen, um frühzeitig ihre Stimme abzugeben, arbeiten die Wahlhelfer in Gwinnett County im Bundesstaat Georgia an den bereits per Post eingegangenen Stimmzetteln. 

Die eigentliche Auszählung beginnt erst am 5. November, doch bestimmte Schritte sind schon vorab erlaubt, erklärt Wahlleiter Zach Manifold. Am Wahlabend dürften die meisten Stimmen in seinem Wahlbezirk deshalb ausgezählt sein, sagt er. Doch das heisst längst nicht, dass überall schnell Ergebnisse vorliegen.

In der US-Geschichte gab es häufiger Wahlen, bei denen der Sieger erst nach Tagen feststand. Im Jahr 2000 dauerte es wegen einer umstrittenen Nachzählung und einer Klage vor dem Obersten Gerichtshof sogar über einen Monat. 

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Doch die Erinnerung an die jüngste Wahl ist besonders frisch – und steckt vielen in den Knochen: Vor vier Jahren schürte Donald Trump tagelang Falschbehauptungen über Wahlbetrug, während sich die Auszählung in mehreren Staaten hinzog. In Georgia war der Kampf damals besonders erbittert. Weniger als 12'000 Stimmen entschieden über den Sieg in dem Bundesstaat. Trump versuchte mit allen Mitteln, sogar mit einem berüchtigten Anruf beim obersten Wahlaufseher im Bundesstaat, das Ergebnis noch umzukehren. 

Jetzt, da der Republikaner erneut antritt – gegen die Demokratin Kamala Harris – könnte es ähnliche Szenarien geben. Im Fokus stehen besonders die «Swing States», also Staaten wie Georgia, die keiner Partei fest zugerechnet werden können.

Was erwartet die USA am Wahlabend und möglicherweise danach? Die komplexen Abläufe machen eine Prognose schwer. Starke Nerven sind deshalb unbedingt empfohlen – und es gibt ein paar Orientierungshilfen.

Wie läuft die Stimmabgabe ab?

Es gibt mehrere Möglichkeiten:

  • Frühzeitig an bestimmten Orten.
  • per Briefwahl.
  • am 5. November direkt im Wahllokal.

Jeder Bundesstaat hat dabei eigene Regeln für Fristen und Identitätsnachweise. Auch die Technik variiert: von klassischen handschriftlichen Stimmzetteln bis zu Wahlcomputern. 

Warum ist Wählen in den USA so kompliziert?

Das dezentral organisierte US-Wahlsystem erlaubt den einzelnen Staaten viel Freiraum in der Gestaltung des Wahlablaufs. Wahlleiter Manifold sieht darin eine Stärke: «Die Wahlen können nicht wirklich in grossem Stil beeinflusst werden.» Doch die organisatorische Bandbreite der insgesamt rund 10.000 Wahlbezirke birgt auch Unsicherheiten. Zur Transparenz sind vielerorts Wahlbeobachter beider Parteien zugelassen.

Warum dauert die Auszählung so lange?

Zuerst einmal wegen der schieren Grösse der USA: Die Auszählung von voraussichtlich rund 160 Millionen Stimmen in verschiedenen Zeitzonen erfordert erhebliche Ressourcen. Besonders die Briefwahlstimmen verzögern in einigen Staaten den Prozess, weil sie dort erst am Wahltag geöffnet und bearbeitet werden dürfen. 

Harris distanziert sich von Bidens angeblichen «Müll-Zitat»

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VIDEO SHOWS: STORY: Ein Wahlkampftelefonat von US-Präsident Joe Biden mit der Latino-Community hat für einige Aufregung gesorgt. Biden sprach in dem Telefonat positiv von Puerto-Ricanern und kritisiert den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Dabei nahm er Bezug auf einen geschmacklosen Scherz bei einem grossen Wahlkampf-Event von Trump. Ein Comedian hatte das US-Gebiet Puerto Rico als im Ozean schwimmende Insel aus Müll bezeichnet. Die Äusserung löste heftige Empörung in Puerto Rico aus. Während des Telefonats machte es offenbar den Eindruck, dass Biden Trump-Anhänger als Müll bezeichnen würde. Dem hatte das Weisse Haus und Biden selbst später widersprochen. Es sei vielmehr um Äusserungen gegangen, in den Latinos dämonisiert würden hiess es. Zu diesem Zeitpunkt wurde das inkorrekte Zitat, das zunächst die Runde machte, schon bei einem Trump-Wahlkampfauftritt verlesen. Und Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Elon Musk schrieb bei X, Biden habe halb Amerika «Müll» genannt. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris wurde natürlich auch auf die ganze Sache angesprochen. Ihre Antwort dazu: «Zunächst einmal hat er seine Bemerkungen klargestellt, aber lassen Sie mich eines sagen: Ich lehne jede Kritik an Menschen ab, die darauf beruht, für wen sie stimmen. Sie haben meine Rede gestern Abend gehört und auch während meiner gesamten Laufbahn. Ich glaube, dass es bei meiner Arbeit darum geht, alle Menschen zu vertreten, ob sie mich nun unterstützen oder nicht.» Die Anhänger von Donald Trump in North Carolina nahmen die ganze Diskussion eher mit einem Achselzucken zur Kenntnis. «Ich glaube, dass alles, was Biden sagt, im Grunde genommen Müll ist, ebenso wie bei Kamala Harris. Und das meine ich ganz offen.»

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Während die meisten Staaten – wie Georgia – bestimmte Schritte vorziehen, geht das etwa im bevölkerungsreichsten Staat unter den sieben «Swing States», in Pennsylvania, und auch in Wisconsin nicht. Allerdings nutzten 2020 viele Amerikaner pandemiebedingt die Briefwahl, was diesmal weniger erwartet wird. Ein weiteres Hindernis können komplizierte Stimmzettel oder Anforderungen für den Identitätsnachweis sein, die in einigen Staaten vorgeschrieben sind.

Können die ersten Ergebnisse täuschen?

Absolut. Einige Staaten beginnen mit der Auszählung der am Wahltag abgegebenen Stimmen. Diese kommen dann oft eher den Republikanern zugute, weil Demokraten tendenziell stärker die Briefwahl nutzen. Dies kann dann zunächst einen Vorsprung für Trump suggerieren, der sich durch die später ausgezählten Briefwahlstimmen zugunsten der Demokraten verschieben könnte – ein Phänomen, das Raum für Falschbehauptungen bietet, wie der Republikaner sie schon 2020 schürte.

Wird Trump wieder Betrugsvorwürfe erheben?

Falls die Zahlen gegen ihn sprechen: höchstwahrscheinlich. «Er hat den Leuten so oft gesagt, dass die Wahl (2020) gestohlen wurde, dass die meisten Republikaner das auch glauben», erklärt Charles Bullock, Wahlexperte an der Universität von Georgia.

Schon jetzt streut Trump wieder Zweifel und bereitet seine Anhänger darauf vor, das Ergebnis infrage zu stellen. Diese Rhetorik könnte Bezirke unter Druck setzen, ihre Ergebnisse akribisch zu prüfen. 

Wahlleiter Manifold betont, dass US-Wahlen heute präziser ablaufen als je zuvor. «Doch wer sich nur über soziale Medien informiert und all die Falschinformationen konsumiert, bekommt ein verzerrtes Bild davon, wie Wahlen tatsächlich funktionieren.» 

Könnte ein knappes Ergebnis eine Nachzählung auslösen?

Ja – in einigen Staaten wird dann automatisch nachgezählt. Bei grösseren Abständen können die Kandidaten in manchen Staaten eine Nachzählung beantragen. Das Ergebnis ändert sich dadurch allerdings fast nie, sagt Wahlexperte Bullock.

Wann steht fest, wer gewonnen hat?

Da es in den USA keine zentrale Wahlleitung gibt, sind alle Blicke auf die «Decision Desks» der Medienhäuser gerichtet – sie rufen auf Basis von Wählerbefragungen und ersten Stimmauszählungen einen Sieger oder eine Siegerin in den einzelnen Bundesstaaten aus. Ob noch in der Wahlnacht feststehen wird, wer insgesamt gewonnen hat, ist unklar. 2020 dauerte das mehrere Tage. 

Bis es ein hochoffizielles Ergebnis gibt, braucht es ohnehin deutlich mehr Zeit. Die Resultate aus allen Bundesstaaten müssen offiziell zertifiziert werden: auf lokaler Ebene, von den Bundesstaaten und schliesslich vom US-Parlament. Bei diesem komplizierten Prozedere, dass sich bis in den Januar zieht, kann es quasi an jeder Stelle Verzögerungen geben – etwa durch politischen Druck. 

Können Zweifler dieses Prozedere juristisch beeinflussen?

Es ist zu erwarten, dass Trump-Unterstützer auch diesmal auf juristischem Weg gegen die Ergebnisse vorgehen werden. Bei der Wahl 2020 führten solche Klagen in einigen Bundesstaaten zu kurzen Auszählungsstopps. Bereits jetzt laufen Dutzende Klagen, die hauptsächlich in «Swing States» und von republikanischer Seite eingebracht wurden.

Erhöhte Sicherheitsmassnahmen bei US-Wahl

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Wenige Tage vor Eröffnung der Wahllokale am 5. November ist alles vorbereitet, im US-Bundesstaat Pennsylvania. Hunderte Wahlautomaten warten, in Plastik eingewickelt, auf ihre Auslieferung an die örtlichen Wahllokale. Die Behälter mit Tausenden von Briefwahlunterlagen werden an einem sicheren Ort gelagert, bevor die Umschläge entfernt und die Stimmen ausgezählt werden. Von offizieller Seite hiess es, es seien gründliche Massnahmen ergriffen worden, um sicherzustellen, dass die Wahlergebnisse fair, sicher und genau sein werden.

31.10.2024

dpa/tcar