«Nicht amerikanisch genug»Trump will mit Gesetz von 1798 massenhaft «Illegale» ausweisen
Philipp Dahm
30.10.2024
Trump fordert Todesstrafe für «kriminelle Migranten»
Ein Markenzeichen von Trumps Präsidentschaftskandidatur ist seine Fokussierung auf das, was er als «Migrantenkriminalität» bezeichnet, obwohl akademische Studien zeigen, dass Einwanderer nicht häufiger Straftaten begehen als gebürtige Amerikaner.
12.10.2024
Donald Trump will mit einem Gesetz von 1798 «Massen-Deportationen vom ersten Tag an» durchführen. Aufgrund des Alien Enemies Act wurden auch schon Deutsche, Italiener und Japaner in den Weltkriegen interniert.
Philipp Dahm
30.10.2024, 17:46
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Donald Trump betont immer wieder, er plane «Massen-Deportationen» illegaler Einwanderer.
Dazu bemüht Trump den Alien Enemies Act von 1798, der damals eigentlich aus Angst vor Europäern ersonnen worden ist.
Das Gesetz erlaubt dem Präsidenten in Kriegszeiten, Ausländer festzunehmen, umzusiedeln oder zu deportieren. Es war Grundlage für Internierungslager in den USA während den beiden Weltkriegen.
Trumps Pläne sind reine Symbolpolitik: Es herrscht kein Krieg – und der Präsident hat bereits ausreichend Vollmachten, was die Ausschaffung illegaler Einwanderer angeht.
Das Thema Immigration ist der Schwerpunkt von Donald Trumps Wahl-Kampagne: Immer wieder warnt der 78-Jährige vor zahlreichen illegal Einwandernder, die allesamt kriminell seien – und nach wie vor behauptet Trump fälschlicherweise, diese würden die Tiere der alteingessenen Bevölkerung essen.
Aber wie will der New Yorker die «Massen-Deportationen», die er mehrfach angekündigt hat, eigentlich bewältigen? Trump spricht ganz öffentlich über sein Mittel der Wahl: den Alien Enemies Act von 1798.
Trump: and I will invoke the aliens enemy act of 1798. This was put there in 1798. That is a long time ago, right? To target and dismantle every migrant criminal network operating on American soil. pic.twitter.com/JQyWUr3eWE
«Wer zur Hölle hat Donald Trump vom Alien Enemies Act von 1798 erzählt?», fragt John Stewart in der «Daily Show». «Denn ich wette, dass er nicht zum Meeting gekommen ist und gesagt hat: ‹Hey, warum benutzen wir nicht den 1798er Alien Enemies Act? Wäre der anwendbar?›»
Ein Gesetz, dass die Angst vor Frankreich geschrieben hat
Was hat es mit diesem uralten Gesetz auf sich?
Es stammt aus einer Zeit, in der sich die USA im sogenannten Quasi-Krieg mit Frankreich befanden, und Washington befürchtete, dass sich die Eingewanderten womöglich auf die Seite des europäischen Gegners schlagen könnten. Deshalb wurden im Rahmen der Alien and Sedition Acts vier Gesetze erlassen, von denen drei bald wieder ausgelaufen waren.
Trump: "I will invoke the Alien Enemies Act of 1798. Can you imagine? Those were the old days when they had tough politicians, have to go back that long. Think of that, 1798. Oh, it's a powerful act. You couldn't pass something like that today." pic.twitter.com/O24tJwfNwm
— Republican Voters Against Trump (@AccountableGOP) October 13, 2024
Der Naturalization Act verlängerte kurzfristig die obligatorische Mindest-Aufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von 5 auf 14 Jahre. Der Alien Friends Act erlaubte dem Präsidenten die Ausschaffung eines jeden gefährlichen Ausländers. Und der Sedition Act stellte es unter Strafe, schlecht über die Regierung zu schreiben.
Nur der Alien Enemies Act ist theoretisch noch gültig. Praktisch hat das Gesetz nie eine Rolle gespielt – ausser in Kriegszeiten. Denn in diesen kann der Präsident dank dieser Regel Personen, die kein Bürgerrecht haben, einsperren, umsiedeln oder ausschaffen.
Internierungslager auch für US-Bürger
In den USA wurde der Alien Enemies Act im 20. Jahrhundert benutzt, um Deutsche und Japaner, aber auch Amerikaner mit Wurzeln in diesen Ländern zu internieren. Nach Washingtons Eintritt in den Ersten Weltkrieg im April 1917 hatte der U.S. Marshals Service 480'000 deutschstämmige «illegale Ausländer» registriert und 6300 von ihnen verhaftet, so NPR.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gesetz nach dem Angriff auf Pearl Harbor hervorgeholt, was Deutsche, Japaner und Italiener zu spüren bekamen. Sogar Juden, die aus Deutschland fliehen mussten, waren unter den mehr als 31'000 Personen, die mit ihren Familien in Lager gebracht wurden. Auch US-Bürger mit japanischen Wurzeln bekamen Probleme.
Nun befinden sich die USA derzeit allerdings nicht im Krieg – auch wenn Donald Trump mit Blick auf illegal Einwandernde immer wieder von einer «Invasion» spricht. Ein juristisches Tauziehen wäre wohl die Folge, wenn der Republikaner versuchen würde, die Einwanderung als Kriegserklärung zu verkaufen.
US-Wahlen 2024 im Fokus
Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.
Patrick Semansky/AP/dpa
«Nicht amerikanisch genug»
Doch tatsächlich braucht Trump den Aliens Enemies Act überhaupt nicht: Der Präsident hat bereits das Recht, illegale Einwanderer zu suchen, festzunehmen und abzuschieben, hält NPR fest. Und von wie vielen Menschen sprechen wir nun, die sich illegal im Land aufhalten, will auch Late-Night-Legende Jon Stewart wissen?
Die «Daily Show» zeigt verschiedene Clips von Trump: Erst spricht er von «Millionen von Illegalen». Dann sagt er: «Sie glauben, dass es zwei Millionen sind – es sind wahrscheinlich fünfmal mehr.» Es folgt: «Man hört 15, 16. Manchmal hört man 17.» Und: «Wir haben 21 Millionen, mindestens 21 Millionen. Ich denke, es sind deutlich mehr als 21 Millionen.»
Donald Trump LIES and claims that people who immigrated to the U.S. LEGALLY are "illegal aliens."
As president he will indiscriminately deport millions of people whether they came to the country legally or not. pic.twitter.com/Tpz1NBBxYI
— American Bridge 21st Century (@American_Bridge) October 29, 2024
Jon Stewart schaut konsterniert in die Kamera. «Wir werden also zwischen 2 und 21 Millionen Menschen zusammentreiben und deportieren.» Nach welchen Kriterien das getan werde, sei Verhandlungssache: Einst habe es in den USA auch Bestrebungen begeben, Iren oder Italiener zu deportieren, erklärt der 61-Jährige.
«Der Punkt ist, dass jede dieser Gruppen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der falschen Seite war, weil sie nicht amerikanisch genug war», sagt Stewart.