Griff in die TrickkisteKönnten Republikaner den Biden-Rückzug juristisch anfechten?
AP/tgab
25.7.2024 - 00:00
Mitstreitende von Donald Trump hinterfragen öffentlich, ob eine Neuaufstellung bei den Demokraten so kurz vor der Wahl zulässig wäre. Experten bezeichnen solche Überlegungen als haltlos oder gar lächerlich.
AP/tgab
25.07.2024, 00:00
25.07.2024, 08:20
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Kamala Harris ist mit viel Rückenwind der Demokraten in den Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten gestartet.
Die Republikaner streuen nun Sand ins Wahlkampfgetriebe, indem sie Zweifel an der juristischen Zulässigkeit ihrer Neuaufstellung zum jetzigen Zeitpunkt säen.
Laut Juristen sind diese Überlegungen jedoch nicht haltbar, Biden sei ja noch gar nicht nominiert gewesen.
Noch bevor Präsident Joe Biden seinen Ausstieg aus dem Rennen offiziell verkündet hatte, war aus Kreisen des Herausforderers eine Überlegung ins Spiel gebracht worden: Gäbe es Möglichkeiten, mit Klagen vor Gericht zu verhindern, dass die Demokraten anstatt des Amtsinhabers doch noch einen anderen Kandidaten oder eine andere Kandidatin aufstellen? Juristen wiegeln ab. Verfechter der Idee kündigen trotzdem Schritte in diese Richtung an.
«Es ist lächerlich, wenn Leute von ‹Biden ersetzen› sprechen. Er ist ja noch gar nicht nominiert», sagt Richard Winger, ein führender Wahlrechtsexperte und langjähriger Herausgeber des auf das Thema Zugang zu Wahlen spezialisierten Newsletters «Ballot Access News».
Die Nominierung erfolgt in der Regel durch Abstimmung der Delegierten auf einem Parteitag – und der steht noch bevor. Die Demokraten hätten demnach nichts zu befürchten.
Ein Rechtsstreit wäre in einigen Staaten möglich
Im Juni hatte ein konservatives Institut in Washington eine Debatte darüber angestossen, was passieren würde, wenn Biden seine Bemühungen um eine Wiederwahl aufgeben sollte – was er nach längerer Zeit der Spekulationen am Sonntag schliesslich tat. «Es gibt in einigen Bundesstaaten Potenziale für Rechtsstreit vor den Wahlen, der den Prozess schwierig und womöglich erfolglos machen würde», schrieb Mike Howell, der bei der Heritage Foundation das Oversight Project leitet. In Georgia, Nevada und Wisconsin könne versucht werden, den Rückzug eines Kandidaten auf diese Art zu blockieren.
Auch Mike Johnson, der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, äusserte sich am Sonntag, wenige Stunden vor der offiziellen Erklärung von Biden, in diese Richtung. «Ich denke, dass sie in einigen dieser Staaten vor juristischen Hürden stehen und ich würde erwarten, dass es dort zu Klagen kommt. Und sie werden sich damit auseinandersetzen müssen. Sie haben ein echtes Problem», sagte der Abgeordnete in der CNN-Sendung «State of the Union».
Demokraten haben Fristen zur Nominierung eigehalten
Diese Einschätzung scheint aber selbst unter Republikanern umstritten zu sein. «Das ist eine ziemlich unseriöse Behauptung», sagt Trey Grayson, der zwei Amtszeiten lang der Secretary of State im US-Staat Kentucky war und weitere wichtige Funktionen innerhalb der Partei innegehabt hat. «Die Fristen zur Festlegung sind noch nicht abgelaufen, und die Demokraten haben bislang niemanden nominiert.»
Delegierte aus allen Bundesstaaten, Aussengebieten und dem Hauptstadtbezirk wählen nach einem festgelegten Verfahren einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Biden hatte sich bereits im März bei den parteiinternen Vorwahlen eine überragende Mehrheit gesichert und galt seitdem als der voraussichtliche Kandidat der Demokraten. Die endgültige Entscheidung wäre aber ohnehin erst auf dem bevorstehenden Parteitag gefallen.
Hätte Biden erst nach dem Parteitag seinen Rückzug verkündet, wäre die Sache komplizierter gewesen. So aber sehen Experten kaum einen Grund für grössere Schwierigkeiten. «Die Parteien kontrollieren den Prozess zur Aufstellung ihres Kandidaten», betont der Rechtswissenschaftler Edward B. Foley von der Ohio State University. «Ich sehe einfach nicht, wie die Republikanische Partei oder irgendjemand, der mit der Republikanischen Partei in Verbindung steht, in der Position wäre, hier einen Rechtsstreit anzufangen.»
Biden hat sich selbst als Kandidat bezeichnet – irrelevant
Laut einer Auswertung der massgeblichen Gesetze der US-Staaten durch die Nachrichtenagentur AP sind bisher nirgendwo Fristen verstrichen. In Wisconsin wird der 3. September als Stichtag genannt. In Georgia und Nevada, den beiden anderen von der Heritage Foundation aufgeführten Beispielen, wird überhaupt keine Deadline angegeben. Der Staat mit der frühesten Frist ist Iowa. Dort müssen die Namen der Kandidaten 81 Tage vor der Wahl, am 16. August, eingetragen sein – im Falle eines späten Parteitags, wie diesmal bei den Demokraten, ist aber ein Aufschub der Frist vorgesehen. In mehreren anderen Staaten ist der 22. August der Stichtag.
In einem Interview der Zeitschrift «Rolling Stone», das am 4. Juli veröffentlicht wurde, verwies Howell von der Heritage Foundation darauf, dass Biden sich selbst bereits als Kandidat bezeichnet habe. Dies könne so ausgelegt werden, dass er den formalen Prozess über den Parteitag umgehe. «Dass Biden dies tut, hat enorme rechtliche Auswirkungen und gesetzliche Bedeutung für Staaten, die bezüglich der Frage, wer auf dem Stimmzettel als Kandidat der Partei auftaucht, ausdrücklich auf den Parteitag der Demokraten verweisen.»
Grayson bestreitet, dass entsprechende Äusserungen Bidens irgendeine juristische Bedeutung haben könnten. «Wenn sich jemand selbst als Kandidat bezeichnet, ist er deswegen nicht tatsächlich der Kandidat», sagt er. «Das ist wie, wenn Trump sich vor dem Parteitag als Kandidat bezeichnete. Auch er war es nicht.»
Kandidaten schon nach dem Parteitag ausgewechselt
Auf Anfrage der AP teilte Howell am Sonntag mit: «Wir sind intensiv mit den Vorbereitungen unseres nächsten Schrittes beschäftigt.» Der Wahlrechtsexperte Winger betont derweil, dass in der Vergangenheit auch schon nach Nominierungsparteitagen Kandidaten ausgewechselt worden seien. Im Jahr 1912 starb Vizepräsident James Sherman, der sich gemeinsam mit dem republikanischen Präsidenten William Howard Taft um eine Wiederwahl bemühte, nur sechs Tage vor der Wahl. Dass Nicholas Murray Butler später als Ersatz nominiert wurde, blieb ohne Folgen, da Taft die Wahl zu diesem Zeitpunkt bereits verloren hatte.
Im Jahr 1972 zog sich der demokratische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Thomas Eagleton, erst nach Abschluss des Parteitags zurück, als bekannt wurde, dass er in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Die Demokraten nominierten in der folgenden Woche bei einem erneuten Treffen Sargent Shriver als Ersatz. «Das geschah im August. Und niemand klagte dagegen», sagt Winger. «Das ist einfach kein Problem.»