Trump gegen BidenDas sind die wichtigsten Fragen zu den Wahlen in den USA
dpa / tmxh
1.10.2020
Das erste TV-Duell zwischen US-Präsident Trump und Herausforderer Joe Biden sorgte bereits für Aufsehen – die Präsidentschaftswahlen gehen in ihre heisse Phase. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Millionen Amerikaner werden am 3. November entscheiden, wer als mächtigster Politiker der westlichen Welt ins Weisse Haus einzieht. Präsident Donald Trump (74) bewirbt sich um eine zweite Amtszeit, sein Herausforderer ist der ehemalige Vizepräsident und Demokrat Joe Biden (77).
Abgestimmt wird zudem über die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze des Senats. Das erste TV-Duell läutete die heisseste Phase ein. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Präsidentschaftswahlen 2020:
Wer darf wählen?
Wahlberechtigt ist zunächst jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. Das sind gut 233 Millionen. Ausgeschlossen sind Bewohner von US-Aussengebieten wie Puerto Rico sowie vielerorts Häftlinge und Menschen, die wegen einer schweren Straftat verurteilt wurden. Alle anderen Bürger müssen sich vor der Abstimmung beim zuständigen Wahlamt registrieren lassen. 2016 gab es rund 214 Millionen eingetragene Wähler, von denen 140 Millionen abstimmten. Das entsprach einer Wahlbeteiligung von 63 Prozent.
Wie funktioniert das Wahlsystem?
Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet die Zusammensetzung des Wahlkollegiums («Electoral College»), das dann den Präsidenten wählt. In 48 der 50 Bundesstaaten funktioniert das so: Der Kandidat, der sich eine Mehrheit sichern kann, bekommt alle Stimmen zugesprochen.
Ein Beispiel: Falls Trump Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen der 29 Wahlleute, Biden ginge komplett leer aus. Einzig in den kleinen Staaten Nebraska und Maine werden die Stimmen der Wahlleute annähernd proportional vergeben.
Was hat es mit den Wahlleuten auf sich?
Die Anzahl der Wahlleute eines Bundesstaats entspricht jener der von dort entsandten US-Senatoren und Kongressabgeordneten. Die Wahlleute stimmen 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, dieses Jahr am 14. Dezember. Sie richten sich dabei nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat. In vielen Staaten würde den Wahlmännern und Wahlfrauen sonst eine Strafe drohen. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mindestens die Stimmen von 270 Wahlleuten gewinnen.
Das Ergebnis wird offiziell erst am 6. Januar im Kongress bekannt gegeben. Wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat zwar die meisten Direktstimmen gewinnt, die Wahl aber trotzdem verliert. Das war zum Beispiel 2016 der Fall. Damals stimmten mehr Amerikaner für Hillary Clinton, Donald Trump konnte sich aber durch die von ihm gewonnenen Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute sichern.
Auf welche Bundesstaaten kommt es besonders an?
Florida gilt als der Jackpot: Mit 29 Wahlleuten ist es einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Dahinter folgen die traditionellen «Battleground States» oder «Swing States», also jene Bundesstaaten, die mal für einen Republikaner und mal für einen Demokraten stimmen. Dazu gehören Pennsylvania (20 Stimmen) und Ohio (18), genauso wie Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Aktuelle Umfragen deuten auch in Georgia (16), North Carolina (15) und Arizona (11) auf einen offenen Stimmausgang hin.
Wieso ist die Präsidentschaftswahl so wichtig?
Der Machtfülle des US-Präsidenten kann wohl kein Amt in der westlichen Welt das Wasser reichen. Der Präsident ist Staats- und Regierungschef sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er hat in der Aussenpolitik weitestgehend freie Hand. Auch in vielen anderen Politikbereichen kann der Präsident sehr viel entscheiden. Für Massnahmen, die Geld kosten oder Gesetze verändern sollen, braucht er aber die Zustimmung der beiden Kammern des Kongresses.
Briefwähler können schon vor der Wahl am 3. November abstimmen. Zudem bieten die meisten Bundesstaaten auch bereits vorab die Möglichkeit einer Abstimmung in Wahllokalen an. In Minnesota, South Dakota, Vermont, Virginia, Wyoming und Illinois etwa konnte schon im September abgestimmt werden, im Oktober bieten sehr viele Staaten Termine an. Am Wahltag selbst werden die Wahllokale in den verschiedenen Zeitzonen jeweils bis in den Abend geöffnet sein, also nach mitteleuropäischer Zeit (MEZ) bis in den Morgen des 4. November.
Wann ist mit dem Wahlergebnis zu rechnen?
Bei den meisten vergangenen Präsidentenwahlen stand der Sieger noch in der Wahlnacht fest. Experten gehen aber davon aus, dass in diesem Jahr wegen der Pandemie wesentlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen werden. Daher könnte sich die Auszählung der Stimmen deutlich verzögern – um einige Tage oder sogar noch länger. Zudem wollen Umfragen zufolge mehr Demokraten als Republikaner die Briefwahl nutzen. Daher könnten die ersten Auszählungsergebnisse aus den Wahllokalen mancherorts Trump in Führung sehen, die Auszählung der Briefwahlunterlagen letztlich aber Biden zum Sieg verhelfen.
In einzelnen Bundesstaaten könnte es auch Klagen und Forderungen nach einer Neuauszählung geben. Im Jahr 2000 etwa stand das Ergebnis im Bundesstaat Florida, das letztlich über die Präsidentenwahl entschied, erst gut einen Monat nach der Wahl fest. Der Rechtsstreit ging bis vor das Oberste Gericht in Washington.
Wer gibt die Wahlergebnisse bekannt?
Es gibt in den USA keine Wahlkommission oder Behörde, die zeitnah die Ergebnisse fürs ganze Land bekannt gibt. Eine wichtige Rolle kommt daher grossen US-Medien zu, die örtliche Ergebnisse zusammentragen und diese teils mit anderen Daten kombinieren, um zu prognostizieren, wer eine Wahl gewonnen hat. Als sehr verlässlich gelten die von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ermittelten Ergebnisse.
Welche Rolle spielt die Briefwahl?
Die Behörden rechnen wegen Corona mit einer massiven Zunahme der Briefwahl. Zudem findet die Wahl in den USA immer an einem normalen Arbeitstag statt, weswegen zum Beispiel 2016 bereits fast ein Viertel der Wähler per Post abstimmte. Das waren gut 33 Millionen Stimmen.
Viele Bundesstaaten haben es wegen der Pandemie einfacher gemacht oder Fristen verlängert, um die Briefwahl zu ermöglichen. Manche Staaten wie zum Beispiel Kalifornien, Ohio und New Jersey schicken die Wahlunterlagen sogar unaufgefordert an die Bürger. In diesem Jahr könnte Experten zufolge fast jede zweite Stimme per Post kommen.
Wieso ist die Briefwahl plötzlich so umstritten?
Trump hat die etablierte Form der Abstimmung im Wahlkampf zum Zankapfel gemacht. Er warnte, dass die Zunahme der Briefwahl zu massiver Wahlfälschung führen werde. Vor allem kritisiert er, dass in manchen Staaten Wahlunterlagen unaufgefordert verschickt werden. Mancherorts würden Stimmzettel an «Tote und Hunde» verschickt, sagte Trump. Er betrachtet die Briefwahl als Finte der Demokraten, um ihn mithilfe einer hohen Wahlbeteiligung zu schlagen.
Trump hat bislang keine stichhaltigen Beweise vorgelegt. Experten und selbst viele Republikaner weisen Trumps Warnungen zurück. Wahlbetrug ist in den USA sehr selten. Selbst kleinere Vergehen können hier zu Gefängnisstrafen führen. Experten der Denkfabrik Brennan Center zufolge waren bei untersuchten Abstimmungen nur rund 0,0025 Prozent der in Wahllokalen abgegebenen Stimmen von Betrug betroffen, bei Briefwahl sogar noch weniger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Amerikaner die Briefwahl manipuliere, sei geringer als die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, hiess es.
Welche Folgen könnten Trumps Behauptungen haben?
Viele Demokraten befürchten, dass Trump die Rechtmässigkeit der Abstimmung insgesamt infrage stellen könnte. Das ist die Logik: Sollte er unterliegen, könnte er von Wahlbetrug sprechen und sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen. Eine verzögerte Bekanntgabe des Ergebnisses könnte seinen Vorwürfen Rückenwind verschaffen. Das Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Im August etwa sagte Trump mehrfach, er werde nur verlieren, «falls die Wahl manipuliert ist».
Am 14. Dezember stimmen die 538 Wahlfrauen und Wahlmänner in ihren Bundesstaaten ab. Am 6. Januar wird im US-Kongress ab 19:00 Uhr MEZ bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern dann offiziell bekannt gegeben, wer der nächste US-Präsident und Vizepräsident sein wird. Der neue Präsident leistet dann am 20. Januar bei einer festlichen Zeremonie vor dem Kapitol in Washington ab 18:00 Uhr MEZ seinen Amtseid ab (Inauguration).
Was passiert, falls Trump eine Niederlage nicht anerkennt?
Trump hat mehrfach offengelassen, ob er eine Niederlage akzeptieren würde. Es gibt in der jüngeren US-Geschichte kein Vorbild für ein Szenario, in dem sich der Amtsinhaber weigerte, seine Niederlage einzuräumen. Sollte es dazu kommen, dürfte sich die Spaltung des Landes in gegnerische politische Lager gefährlich zuspitzen, es wäre eine Verfassungskrise. Manche Experten warnen, dass es dann auch zu Massenprotesten und Gewalt kommen könnte.
Zeitgleich mit der Präsidentenwahl stimmen Amerikaner auch über die Zusammensetzung des US-Kongresses ab. Zur Wahl stehen alle 435 Mandate im Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel der 100 Sitze im Senat. In den Bundesstaaten gibt es zudem viele Volksabstimmungen.
Wie wichtig sind die Kongresswahlen?
Ohne eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, kann ein Präsident innenpolitisch nur wenig nachhaltig verändern. Das Parlament hat die Budgethoheit und das Vorschlagsrecht für Gesetze. Der Senat muss zudem bei der Besetzung aller herausragenden Regierungsämter zustimmen – vom Minister bis zum Botschafter. Gleiches gilt für die Ernennung wichtiger Richterposten. Zuletzt kontrollierten die Demokraten das Repräsentantenhaus, die Republikaner den Senat.