Von Bonus bis Bärendienst «Nach Kanada ziehen» und weitere Folgen des TV-Duells, die verblüffen

Von Philipp Dahm

1.10.2020

«Gewalt und Verwirrung»: Französische Zeitungen am 30. September. 
«Gewalt und Verwirrung»: Französische Zeitungen am 30. September. 
Bild: Keystone

Während die TV-Debatte von Joe Biden und Donald Trump politisch kaum etwas bewirkt, gibt es dennoch drei spannende Auswirkungen am – mitunter äussersten – Rande.

Katerstimmung in Washington nach der TV-Debatte, die ohne Gewinner endete: 69 Prozent der Zuschauer waren von dem Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump vor allem genervt. In weiteren Umfragen zeigte sich, dass sich der Zuspruch für die Präsidentschaftskandidaten durch den Auftritt kaum verändert hat.

Doch es ist nicht so, dass die verbale Schlammschlacht gar keine Auswirkungen hatte, wie folgende drei Beispiele zeigen.

Interesse an Auswanderung steigt nach Duell an

Dass der TV-Kampf der alten weissen Männer das Publikum abgestossen hat, schlägt sich in der Google-Suche der Amerikaner nieder: Sie haben ein gesteigertes Interesse daran, das Land zu verlassen, berichtet der «Independent». Anfragen wie «nach Kanada ziehen» oder «wie man kanadischer Staatsbürger wird» hätten «dramatisch» zugenommen.

Die Bevölkerung im republikanisch geführten Massachusetts sei in diesem Punkt besonders wissbegierig gewesen: Dort stiegen entsprechende Suchanfragen nach nur einer Stunde der Debatte am stärksten an. Doch auch in den demokratischen Staaten Washington, Michigan, Illinois und Ohio, das einen republikanischen Gouverneur hat, sei das Interesse gross gewesen.

Insbesondere auf Twitter liessen Amerikaner ihrem Frust freien Lauf, was einige kanadische User wiederum zu Spott angeregt hat.

Bonus für Biden

In einem Punkt hat Joe Biden die Debatte klar für sich entscheiden können: bei den Wahlkampfspenden. Nach einer Stunde TV-Duell hatte das Team des Demokraten bereits 3,8 Millionen Dollar eingesammelt. Nach drei Stunden waren es fast zehn Millionen, berichtet «Politico». Das Geld kam von 215'000 Spendern, von denen 60'000 neu waren. Aus dem Umfeld Bidens hiess es, 85 Prozent der Spenden seien während der Debatte via SMS getätigt worden.

Darüber hinaus erklärten sich während der Fernsehsendung beachtliche 100'000 Freiwillige bereit, den Herausforderer beim Wahlkampf zu unterstützen. Bereits im August hatte Biden rekordverdächtige 365 Millionen Dollar gesammelt – Trump kam im vorletzten Monat dagegen «nur» auf 154 Millionen Dollar.

Eine Bestmarke vermeldete auch die Wahlkampfspenden-Plattform ActBlue, die vor allem Demokraten nutzen. Und das, nachdem dort zuletzt erst nach dem Tod von George Floyd im Juni und nach dem Tod von Ruth Bader Ginsburg Rekordeinnahmen verzeichnet worden waren: Am Tag nach dem Dahinscheiden der Richterin am 18. September kamen allein dort 70,6 Millionen Dollar zusammen.

Trumps Bärendienst

In eine völlig verkehrte Richtung ist eine Frage im TV-Duell gelaufen, die eigentlich eine rhetorische sein sollte: Moderator Wallace wollte von Donald Trump wissen, ob er sich von rechtsradikalen Gruppen und Milizen, die eine Überlegenheit der Weissen propagieren, distanziere. Hintergrund: Der US-Präsident hat immer wieder am äusseren rechten Rand des Polit-Tableaus nach Stimmen gefischt.

Der 74-Jährige parierte: «Fast alles, was ich sehe, kommt von Links, nicht von Rechts.» Nachdem dann Biden den Namen einer dieser Gruppen einwarf und Trump nachhakte, wen er denn nun verurteilen solle, fragte auch Wallace nach ihnen. Der Präsident antwortete: «[Name der Gruppe] – haltet euch zurück und haltet euch bereit!» Sein Sohn Donald Trump Jr. sprach später beim Sender von einem Versprecher seines Vaters, der sich tags darauf nicht mehr daran erinnern mochte, die Gruppe überhaupt zu kennen.

Rechte Gruppen bei einem Treffen in Portland, Oregon, am 26. September.
Rechte Gruppen bei einem Treffen in Portland, Oregon, am 26. September.
Bild: Keystone

Die misslungene Distanzierung und die anschliessende Amnesie haben Amerika dennoch einen Bärendienst erwiesen: Auf privaten Kanälen und in sozialen Medien haben Anhänger der Rechten Trumps Kommentar als «historisch» gefeiert, weiss die «New York Times». Sie werteten die Aussage als stillschweigende Billigung ihrer gewalttätigen Taktiken und habe dank der landesweiten Aufmerksamkeit jede Menge «neue Rekruten» anwerben können.

Die Rechtsradikalen schlagen gar Kapital aus dem Distanzierungsversuch: Wie «Newsweek» berichtet, verkauft die Gruppe mittlerweile T-Shirts, auf denen «Haltet euch zurück und haltet euch bereit» («Stand back and stand by») unter dem Gruppennamen steht. Der Anführer der rechten Bande wird wie folgt zitiert: «[Trump] hat im Grunde genommen gesagt: Geht und macht sie fertig. Das macht mich so glücklich. Der Präsident hat [der Gruppe] gesagt, sie solle sich bereithalten, weil jemand das Problem mit der Antifa lösen soll. Nun, Sir, wir sind bereit.»

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