Überraschendes Ranking Das sind die Länder mit heimlichem Touristenrekord

dpa/tpfi

26.8.2024 - 23:26

«Tourists go home»: In Spanien sorgen Anti-Urlauber-Demos für Aufsehen. Ohne die Probleme dort kleinreden zu wollen: Die meisten Touristen pro Kopf haben andere Urlaubsländer.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das Ferienunterkünfte-Portal «Holidu» verglich die Zahl ankommender Touristen mit der der Einwohner.
  • Auf den vorderen Plätzen der Liste der beliebtesten Touristenländer der Welt erklimmt die Alpenrepublik Österreich Platz eins.
  • «Die am stärksten überlaufene Stadt Europas» war 2023 demnach Dubrovnik mit 27 Touristen pro Kopf.

Mallorca, Málaga, Marbella, Maspalomas – Spanien gilt als besonders beliebt bei Touristen. Bei «Overtourism» denken viele auch an Barcelona, Sevilla, Ibiza. Wenn es um andere populäre Urlaubsländer geht, kommen einem Städte wie Venedig, Rom, Amsterdam, Athen, Prag, London in den Sinn oder Inseln wie Kreta, Bali, Phuket.

In Spanien kam es in den vergangenen Wochen zu aufsehenerregenden Protesten gegen Massentourismus. Viele Einheimische sind empört wegen höherer Wohnkosten, Umweltbelastung, Staus, allgemeiner Überfüllung durch immer mehr Besucher. Ärgernisse sind auch Wassermangel oder dass Gesundheitssektor und Müllabfuhr überlastet sind.

Spanien hat nicht die meisten Touristen pro Einwohner

Doch unter den meistbesuchten Ländern der Welt hat Spanien gar nicht die meisten Touristinnen und Touristen pro Kopf. Die höchste Touristenrate hat dort ein anderes Land.

Auf den vorderen Plätzen der Liste der beliebtesten Touristenländer der Welt erklimmt die Alpenrepublik Österreich Platz eins, wenn man Besucher- durch Einwohnerzahl teilt und damit das Verhältnis von Einheimischen zu Urlaubern ermittelt. Weiter hinten in der Liste kommt dann noch Kroatien, doch dazu später mehr. 

Zahlen von UN Tourism (der Weltorganisation für Tourismus) geben für 2023 nach wie vor Frankreich als populärstes Zielland ausländischer Touristen an – und zwar mit 100 Millionen Ankünften («international tourist arrivals»). Das liegt wohl vor allem an Paris, der Stadt der Liebe, die weltweit bei vielen Menschen auf der To-do-Liste steht.

In den Top Ten der Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Madrid (früherer Name: UNWTO) folgen Spanien (85,2 Millionen), die USA (66,5 Millionen), Italien (57,2 Millionen) und die Türkei (55,2 Millionen). 

Österreich auf Platz 1

Etwas weiter hinten liegen Deutschland mit 34,8 Millionen und Österreich mit fast 31 Millionen. So weit, so gut – und scheinbar alles klar. 

Österreich wird jedoch unter den Top-Ländern auf Platz eins katapultiert, wenn man seine 30,9 Millionen Gäste durch die 9,2 Millionen Einwohner teilt. 

Die Rate liegt dann bei 3,4 Touristen pro Ortsansässigem in dem leiwanden (hochdeutsch: gefallenden) Land von Sisi und Skifahren, Mozart und Mehlspeisen, Bad Ischl und Ischgl, Wolfgangsee und Wörthersee, Sachertorte und Wiener Schnitzel.

Bei Griechenland sind es 3,1 Touristen (einen ähnlichen Wert haben übrigens die Vereinigten Arabischen Emirate). In Spanien kommen 1,8 Touristen auf einen Einwohner, in Frankreich 1,5. Bei Bella Italia ist das Verhältnis von Touristen und Einwohnern praktisch 1 zu 1. 

«Stolzer auf unsere Attraktivität als Urlaubsland sein»

An Österreichs hoher Rate sind in erster Linie die Deutschen schuld. Mehr als 57 Millionen Übernachtungen von Gästen aus Deutschland wurden 2023 in Österreich registriert, wie die Tourismusorganisation «Österreich Werbung» (ÖW) mitteilt. Top-Destination in Österreich sei im Sommer wie im Winter die Hauptstadt Wien.

«Wir Österreicher dürfen selbst ruhig stolzer auf unseren Facettenreichtum und unsere Attraktivität als Urlaubsland sein», sagt ÖW-Sprecherin Tanja Gruber in Wien. Da übe man sich oftmals noch in (falscher) Bescheidenheit, formuliert sie. 

«Fragt man Reisende nach ihrem Urlaub, was ihnen von Österreich in Erinnerung bleibt, dann beschreiben sie dieses besondere Gefühl», sagt Gruber. «Die Gelassenheit, Leichtigkeit und auch den Genuss und oft auch den Grant, der einige wenige – sehr beliebte – Regionen Österreichs auszeichnet.»

Hohe Touri-Raten zeigen sich auch bei einigen Staaten mit vergleichsweise wenigen Einwohnern wie Malta und Zypern (erst recht bei Zwergstaaten wie Monaco, Andorra, San Marino, Liechtenstein und dem Vatikan).

Sehr auffällig ist ausserdem Kroatien, das zwar bei der Gesamtzahl der Gäste mehr als ein Dutzend Plätze hinter Österreich liegt, jedoch sogar auf 4,3 Touristen pro Kopf kommt (die Gesamtzahl der Besucherinnen und Besucher beziffert UN Tourism für 2023 auf 16,9 Millionen bei einer Bevölkerung von 3,9 Millionen Menschen).

Da verwundert nicht, dass ein Ziel in Kroatien in einem Ranking vorne liegt, das für europäische Städte die höchsten Touristenzahlen pro Einwohner angibt. 

Welche Stadt Europas die von Touristen am stärksten überschwemmte ist

Das Ferienunterkünfte-Portal «Holidu» verglich die Zahl ankommender Touristen mit der der Einwohner. «Die am stärksten überlaufene Stadt Europas» war 2023 demnach Dubrovnik mit 27 Touristen pro Kopf. 

Dubrovnik ist bei Touristen schon länger sehr beliebt.
Dubrovnik ist bei Touristen schon länger sehr beliebt.
Archivbild: Grgo Jelavic/Pixsell

Es folgen Rhodos (26), Venedig (21), Heraklion (18) und Florenz (14). Jeweils 12 Touristen pro Einwohner wurden für Reykjavik und Amsterdam errechnet, jeweils 11 für Lissabon und Porto, jeweils 9 für Dublin und Athen und jeweils 7 für Paris, Nizza und Brügge.

Touristen am Strand von Lindos auf Rhodos.
Touristen am Strand von Lindos auf Rhodos.
Archivbild: Christoph Reichwein/dpa

Geht es nach der Zahl der Übernachtungen statt der Zahl der Besucher, ist im EU-Vergleich das Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen in der Südlichen Ägäis in Griechenland besonders unausgewogen, wie das Statistische Bundesamt berichtet. 

Vor zwei Jahren seien in der Region mit Inseln wie Santorin und Mykonos im Durchschnitt 110 Übernachtungen auf einen Einwohner gekommen, heisst es von Destatis.

Nur wenige Schweizer Orte von Overtourism betroffen

In der Schweiz gebe es keinen «Overtourism», erklärte Schweiz Tourismus (ST) vor wenigen Wochen auf Basis einer im April und Mai durchgeführten Umfrage. Nur eine Minderheit von 5 Prozent der Befragten mache sich Sorgen wegen des Tourismus.

Und wenn Probleme im Zusammenhang mit dem Tourismus wahrgenommen werden, schwingen die Teuerung, Verschmutzung und Littering sowie Verkehrsprobleme obenaus. Es folgen der knapper werdende Wohnraum sowie Schäden an Natur und Umwelt.

Statt von «Overtourism» spricht der Verband von «punktuellen örtlichen und zeitlichen Engpässen». Gerade in touristischen Zentren stellten die Befragten auch «eine gewisse Respektlosigkeit der Touristinnen und Touristen» fest – sei es gegenüber den Befragten selbst, deren Familien oder auch gegenüber dem eigenen Land und der Umwelt.

Als prominentes Beispiel ging zuletzt Lauterbrunnen durch die Medien. Die 2300-Seelen-Gemeinde reagierte auf den Touristenansturm mit Schildern, die zu mehr Rücksichtnahme aufriefen.

Nur wenige Schweizer Orte von Overtourism betroffen

Nur wenige Schweizer Orte von Overtourism betroffen

Höhere Preise, Littering, Verkehrsprobleme, knapper Wohnraum und Umweltverschmutzung können die Folgen von zu vielen Touristen sein. In einzelnen Regionen kann es Einheimischen da schon mal zu viel werden.

04.07.2024

dpa/tpfi