6 Ideen gegen OvertourismTouristen, vergesst Luzern! Hausen am Albis ist auch schön
Bruno Bötschi
26.6.2024
Ferienorte wie Luzern haben mit Touristenmassen zu kämpfen. Overtourism nennt sich das Problem. Was also tun? Öfter zu Hause bleiben? Eine gute Idee. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten.
Bruno Bötschi
26.06.2024, 04:30
27.06.2024, 13:48
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Von Luzern bis Lauterbrunnen BE – viele Ferienorte in der Schweiz haben immer mehr mit den Touristenmassen zu kämpfen.
Der sogenannte Overtourism wird je länger desto mehr zu einem Problem.
Was also tun? Öfter zu Hause bleiben? Das wäre wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee.
Und sonst? Hier meine sechs persönlichen Tipps gegen Overtourism in der Schweiz.
Luzern und Lauterbrunnen BE – früher buhlten diese beiden Orte aktiv um Tourist*innen und Reisegruppen.
Heute sagen viele, sie würden von den Gästen überrannt. Immer mehr Einheimische sind genervt. Manch eine Schweizer Gemeinde hat bereits reagiert und Schilder aufgestellt, die um Rücksicht bitten.
Luzern und Lauterbrunnen BE sind keine Ausnahme, sondern zwei von vielen Beispielen.
«Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet»
Die Tragödie des Tourismus – vom 2022 verstorbenen deutschen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger zusammengefasst mit «Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet» – hat sich in den letzten Jahren zu einem Problem verschärft, das Touristiker*innen, Behörden und Forscher*innen unter dem Wort Overtourism führen.
Erholsame Ferien sehen anders aus, und Reisende sind zunehmend genervt von zu vielen anderen Gästen am Ferienort. Und trotzdem: Das Verhalten der Mehrheit der Menschen scheint sich nicht zu ändern.
Öfter zu Hause bleiben? Keine schlechte Idee
Nun denn, ich habe mir vor vier Jahren ein Gravel-Bike gekauft. In dieser Zeit habe ich schon manchen hübschen Ort ohne Touristen entdeckt, den ich vorher nicht kannte.
Während meiner Ausflüge habe ich mir auch Gedanken darüber gemacht, was sich im Tourismus ändern müsste. Ich habe viel gelesen – etwa den Text «Wer mag schon Touristen?» von Meike Winnemuth im Magazin «Geo».
Das Fazit von Winnemuth: «Es beginnt vermutlich damit, dass man sich eingesteht: Jawohl, es gibt ein Problem, und ich bin Teil davon. Reisen hat längst seine Unschuld verloren, die Zuständigkeit für den Erhalt einer halbwegs erträglichen Welt kann man an kein Tourismusbüro abwälzen.»
Was also tun? Öfter zu Hause bleiben? Eine gute Idee. Erwartungen beerdigen, dass am Ende einer Flugreise das Paradies wartet? Auch das ist eine Möglichkeit.
Und sonst? Hier meine sechs persönlichen Tipps gegen Overtourism in der Schweiz:
1. Die überlaufensten Orte sind nicht die schönsten
Ich hatte bereits einige Kilometer in den Beinen, war also entsprechend müde, als ich vor einigen Wochen mit meinem Gravel-Bike durch Hausen am Albis geradelt bin. Und trotzdem realisierte ich sofort: Dieses Dorf ist anders.
Dieses Dorf hat Charme. Und die hübschen Häuser erinnern mich an Gstaad BE mit seinen Chalets. Mit dem Unterschied, dass Hausen am Albis mehr Charakter, mehr Weitsicht und viel weniger Tourist*innen hat.
2. In der entgegengesetzten Richtung reisen
Mit der Zahnradbahn auf den Pilatus-Kulm – ein Erlebnis. Wirklich traumhaft wird es, wenn man auf dem Gipfel übernachtet. Entgegen der Gepflogenheiten der meisten Touristen bin ich erst am Nachmittag hochgefahren (ich sass fast allein in der Bahn), um später im Hotel Pilatus-Kulm zu übernachten und am Tag danach wieder runterzufahren.
Auf der Hotelterrasse kannst du am Abend Sonne und Aussicht geniessen. Du wirst dich dann möglicherweise fragen: Hat das Steinwild den Fahrplan der Pilatus-Bergbahnen auswendig gelernt?
Denn kaum ist die letzte Bahn um halb sechs ins Tal hinuntergerattert, sah ich bei meinem Besuch eine Gruppe junger Steinböcke nur wenige hundert Meter unterhalb vom Oberhaupt, einem der Gipfel des Pilatus-Massivs.
3. Besuche endlich einmal deinen Heimatort
Wie lange ist es her, seit du den Ort besucht hast, wo du aufgewachsen bist? Und wann warst du zuletzt in deinem Heimatort? Der Heimatort ist jener Ort, aus dem deine Vorfahren stammen – und oft auch dein Familienname.
Kürzlich lud ich einige Freund*innen in meinen Heimatkanton Thurgau ein. Wir wanderten den Weinweg in Weinfelden ab. Der neun Kilometer lange Rundwanderweg führt durch die Rebberge am Ottoberg.
Immer wieder öffnete sich für uns der Blick über die Thurgauer Hügellandschaft, und der Säntis schien zum Greifen nah. Und ganz besonders schön: der Weiler Ottoberg und seine Riegelhäuser.
Jesses, habe ich wirklich vergessen, wie schön der Thurgau ist? Der Clou auf dem Weinweg sind zwei Safes: Darin stehen Flaschen von den Weinfelder Winzer*innen zur Verkostung bereit.
4. Je früher am Shoppen, desto weniger Gedränge
Für viele Menschen bedeuten Ferien: shoppen gehen. Die bekannteste Einkaufsstrasse hierzulande ist die Bahnhofstrasse in Zürich. Hier gibt es unzählige Boutiquen, viele Uhren- und Schmuckläden und immer weniger Warenhäuser.
Blöd nur, wenn Mensch sich beim Geldausgeben auf den Füssen herumtrampelt. Dabei ist die Lösung einfach: Am Morgen, wenn die Läden gerade aufgemacht haben, sind viel weniger Menschen auf der Bahnhofstrasse unterwegs. Und das Coole: Das Verkaufspersonal hat mehr Zeit, um dich zu beraten.
5. Mach Ferien in deiner eigenen Stadt
Zu Hause Ferien machen ist eh am schönsten. Momoll, es gibt nur wenig Erholsameres. Die Anreise fällt weg und falls du das Zahnbürsteli daheim vergessen hast, kann du es noch schnell daheim holen gehen.
Meine Zürich-Testferien verbrachte ich im Hotel Widder in Zürich; in der Stadt, wo ich schon seit einem Vierteljahrhundert lebe. Abends bestellte ich beim Roomservice einen Mojito und genoss von der Terrasse aus den Blick auf die Dächer der Limmatstadt.
Danach begab ich mich auf einen Spaziergang durch die Altstadt. Genau das, was Touristen halt so machen. Im Restaurant Kindli ass ich ein Wiener Backhendl mit Kartoffel-Gurkensalat. Einfach wunderbar.
6. Bleib wieder einmal zu Hause
Und wenn du es noch günstiger haben möchtest und komplett auf den Stress beim Packen und Reisen verzichten möchtest, dann mach es doch einfach wie Komiker Fabio Landert, der am liebsten daheim bleibt:
5 Franken für diese Aussicht: Iseltwald zeigt Venedig, wie es geht
Ab nächstem Jahr zahlen Tagestourist*innen in Venedig 5 Euro Eintritt. Schon seit diesem Sommer lenkt Iseltwald am Brienzersee die Besucher mit einem Drehkreuz und einer Gebühr. Ein Augenschein vor Ort.