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Interview Warum eine frühere Instagram-Süchtige nun gnadenlos abrechnet
Von Julia Wagner
14.2.2020
Sie sei süchtig nach Instagram gewesen, schreibt Journalistin Nina Schick in ihrem Buch «Unfollow» – und trifft mit ihrer Kritik einen Nerv: «Ich machte mich dünner und die Zähne weisser.» Eine Abrechnung.
Frau Schink, hätten Sie vor drei Jahren gedacht, dass Sie ein Buch schreiben werden, in dem Sie Ihrer Generation empfehlen, mehr in der Realität zu leben und weniger für Instagram?
Nein, ich war ja früher selbst ein Fan von Influencern. Es brauchte viele Aufwachmomente, um zu sehen, wie empathielos wir durch diese App werden und wie viel Zeit sie uns raubt.
Was genau macht die App so gefährlich?
Laut der Royal Society for Public Health macht es süchtiger als Zigaretten und Alkohol zusammen. Die App ist darauf programmiert, dass wir möglichst lange dranbleiben, ständig Bilder liken und selbst Likes bekommen. Ich habe studiert, war mit 23 in einer Unternehmensberatung tätig, bin Wirtschaftsjournalistin und habe trotzdem für Instagram meine Zähne weisser und mich selbst dünner gemacht, mich auf einer Wassermelonen-Luftmatratze in Szene gesetzt. Das ist der Moment, wo man das eigene Nutzerverhalten hinterfragen muss.
Wie lange ging Ihr Experiment, selbst Influencerin zu werden?
Drei Monate, nach drei Wochen stieg die Zahl meiner Follower von rund 300 auf 2'450 an. Danach habe ich mir die erste Kooperation selbst besorgt, wie das die meisten Influencer so machen. Eine Firma hat mir eine Handtasche um 700 Euro nach Hause geschickt, einfach so. Was mich verwundert hat: Die haben nie nachgefragt, ob ich was gepostet habe. Nach dem Experiment habe ich allerdings weitergemacht, ich dachte, Instagram sei gut, um meine journalistische Arbeit zu zeigen.
Die perfekte Welt auf Instagram weckt in vielen von uns Neid. Wie problematisch ist das?
Wir haben uns immer schon verglichen. Nur konkurrieren wir heute mit einer Fassade. Einer digitalen Lüge. Die Influencer sehen in der Realität nicht immer perfekt aus. Auf Instagram schon. Sie sind immer perfekt gestylt, ihre Haut ist mit Filtern optimiert und manche stehen um fünf Uhr auf, um Fotos von einem menschenleeren Strand zu machen. Wir werden irgendwann mit unserem eigenen Leben unglücklich, das nicht so aussieht. Deswegen war es mir so wichtig, in meinem Buch den Influencern die Maske runter zu reissen und zu zeigen, wie Instagram unser Selbstwertgefühl vermindert.
Auch uns Journalisten wird oft vorgeworfen, wir wären neidisch auf Influencer …
Ich war mal mit einer Influencerin unterwegs, da meinte ihr Freund, dass wir Journalisten eifersüchtig wären, weil wir keine Luxushandtaschen geschenkt bekommen. Stimmt, wir Journalisten unterliegen Compliance-Regeln. Das ist wichtig und richtig. Denn unser Job ist nicht zu applaudieren, sondern zu kritisieren. Ich finde es gefährlich, wenn wir Journalisten uns nicht trauen, die Dauerwerbesendung der Influencer zu hinterfragen oder warum für sie eigentlich keine Compliance-Regeln gelten.
Ist der Peak des Influencerbooms schon erreicht?
Nein. Die Marktumsätze für Influencer Marketing sind weiter im Wachstum, 2020 sollen sie in der Schweiz, Deutschland und Österreich auf 990 Millionen anwachsen. Klar arbeitet die Werbeindustrie lieber mit einem Influencer zusammen, weil es viel schwieriger ist, einen seriösen Journalisten von einem neuen Produkt zu überzeugen. Ich bin heute Morgen mit einem Hautausschlag aufgewacht, weil ich eine neue Creme ausprobiert habe. Einem Blogger passiert das nie. Da ist immer alles toll, geschönt und in Pastellfarben.
Wie würden Sie den Job eines Influencers beschreiben?
Influencer sind Litfasssäulen. Sie wissen das, und deswegen wollen sie ja immer, dass man ‹Unternehmer› schreibt, so wie Caro Daur. Sie sieht sich als Unternehmerin, bloss weil sie Kooperationen an Land zieht. Unternehmer ist für mich aber jemand, der Verantwortung trägt für Menschen, für Gehälter, für Jobs. Wenn ich lese, dass Cathy Hummels eine Unternehmerin ist, dann muss ich mich totlachen. Ein Entrepreneur lebt für sein Unternehmen, diese Leute leben für nichts anderes, als sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken.
Warum bezeichnen sie sich selbst nicht gerne als Influencer?
Ich persönlich denke, dass die Influencer selbst wissen, dass ihr Geschäftsmodell nur so lange funktioniert, wie es die App gibt. Denn wenn sich niemand mehr für ihre Beiträge interessieren würde, wäre ihr Instagram-Profil wertlos. Ihr Geschäftsmodell: dahin. Deswegen versuchen sie zu suggerieren, dass sie auch ausserhalb der Instagram-Welt einen Nutzen haben.
Auch die Schweizer Influencerin Zoe Pastelle bezeichnet sich auf Instagram lieber als Schauspielerin …
Für mich ist Zoe Pastelle keine Schauspielerin, sie ist eine Influencerin. Denn sie ist nicht aufgrund ihrer schauspielerischen Leistung berühmt, sondern wegen ihres Instagram-Accounts. In ihrem Feed geht es um reine offensive Selbstdarstellung. Es weist die klassischen Module auf: Bikinifotos treffen auf Selfies, Unterwäschefotos neben Zuckerwattenposts und natürlich gibt es auch kostspielige Outfits in Hülle und Fülle. Pastelle macht keine Werbung für Firmen, weil sie berühmt ist. Sie ist nur bekannt, weil sie Werbung macht. Einfacher formuliert: Influencern wie ihr ist es dank der Erfindung von Instagram erfolgreich gelungen, ihre eigene Relevanz zu suggerieren – ohne ein besonderes Talent zu haben oder gar ein Experte in einem bestimmten Gebiet zu sein. Warum die Prominenz der Influencer nicht stärker hinterfragt wird, macht mich nach wie vor sprachlos.
Sind Influencer heute nicht auch die neue Generation der Stars?
Instagram adelt die Trash Stars – und das ist ein riesiges Problem. Aufmerksamkeit zählt in unserer Generation mehr als Qualität. Der Unterschied zwischen einer Cathy Hummels und einem Star ist, nach der Definition in meinem Buch, dass sie nur berühmt ist, weil sie ihr Privatleben rigoros ausschlachtet. Sie zeigt sich ja sogar mit Herpes krank im Bett. Beeindruckend ist doch, wie leise die wahren Stars auf Instagram agieren – etwa Beyoncé oder Julia Roberts. Letztere hat gerade mal 168 Posts.
Caro Daur wollte dem ‹Manager Magazin› keine Fragen zu ihrem Verdienst beantworten. Warum reden Influencer so ungern über Geld?
Influencer müssen weiterhin suggerieren, dass sie nahbar und authentisch sind und noch irgendetwas mit deinem Leben zu tun haben. Wenn du wüsstest, dass die, denen du folgst, nicht die Mädchen von nebenan sind, sondern mit deiner Aufmerksamkeit Millionen verdienen, dann würdest du ihnen vielleicht entfolgen.
Auf Instagram wird ein veraltetes Frauenbild befeuert. Die erfolgreichsten Influencerinnen präsentieren Schmink- oder Kochtipps, Mode oder ihr Leben als Hausfrau und Mutter. Wie passt das überhaupt noch in die heutige Zeit?
Eigentlich gar nicht, aber Influencer gehen danach, wofür sie die meisten Likes bekommen. Da geht es schlicht um Angebot und Nachfrage – und davon sind wir alle ein Teil. Hochzeit schlägt auf Instagram jeden Doktortitel – und natürlich gilt: Sex sells. Wenn Influencer mit politischen Inhalten mehr Geld kriegen würden als sexy Bloggerinnen, dann würden sie vielleicht auch lieber über Politik berichten. Vielleicht würde dann eine Xenia Adonts auch mal ihre Buchliste posten.
Wie hat sich Ihr eigenes Social-Media-Verhalten mittlerweile geändert?
Mein Profil ist mittlerweile privat. Ausserdem poste ich keine Bikinibilder mehr oder Bilder mit meinem Freund. Ich bin knapp 800 Menschen entfolgt, auch allen Influencern. Aber nicht jeder Instagram-Account ist das Tor zur Verdammnis. Deswegen heißt mein Buch auf ‹Unfollow› und nicht ‹Delete›. Ich selbst folge beispielsweise der Journalistin Judith Rakers. Profile wie dieses lösen keinen Neid in mir aus, höchstens das Bedürfnis, als Journalistin selbst immer besser zu werden.
Bibliografie: «Unfollow – Wie Instagram unser Leben zerstört» ist am 7. Februar bei Eden Books erschienen, ca. 18 Fr.