Ein Glas Manuka für 700 Franken Alles nur ein Bluff – oder was ist dran am Honig-Hype?

Von Bruno Bötschi

5.12.2024

Manuka-Honig aus Neuseeland ist in aller Munde. Er wird oft als Heilmittel dargestellt, als Luxusprodukt zu astronomischen Preisen vermarktet und von Prominenten hochgelobt.
Manuka-Honig aus Neuseeland ist in aller Munde. Er wird oft als Heilmittel dargestellt, als Luxusprodukt zu astronomischen Preisen vermarktet und von Prominenten hochgelobt.
Bild: blue News

Der extrem teure Manuka-Honig aus Neuseeland soll gegen Erkältungen helfen und Wunden schneller heilen lassen. Gwyneth Paltrow und Novak Djokovic sind begeistert. Was steckt wirklich hinter dem Superfood-Hype?

Von Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Manuka-Honig ist schon seit einigen Jahren in aller Munde.
  • Es heisst, der Honig aus Neuseeland helfe bei Entzündungen, Infektionen und kleinen Wunden.
  • Prominente wie Schauspielerin Gwyneth Paltrow oder Tennisstar Novak Djokovic behaupten, dass sie immer ein Glas Manuka daheim vorrätig hätten.
  • Im Globus am Bellevue in Zürich wird aktuell ein 250-Gramm-Glas Manuka-Honig MGO 1500+ für 700 Schweizer Franken verkauft.
  • Wenig begeistert vom Honig-Hype ist Arzt und Hobby-Imker Adrian Frutiger aus dem bündnerischen Trimmis: «Dieser Preis für ein halbes Pfund ist schamlos und jenseits jeder Vernunft.»

Vergangene Woche war ich im Globus am Bellevue in Zürich einkaufen und traute meinen Augen nicht: Ein 250-Gramm-Glas Manuka-Honig MGO 1500+ von The True Honey Co. aus Neuseeland wird dort für 700 Franken angeboten.

Was ist denn das für ein Wundermittel, dachte ich mir.

Ich fing an zu recherchieren und erfuhr, dass Manuka-Honig schon seit Jahren als Heilmittel angepriesen wird. Mit Schlagworten wie «Manuka Health Honey», «Manuka Doctor», «süsse Medizin» oder «eines der wertvollsten Naturprodukte der Welt» wird das zuckerhaltige Ausscheidungsprodukt der Bienen beworben.

Prominente wie Hollywood-Schauspielerin Gwyneth Paltrow behaupten, dass sie immer ein Glas Manuka-Honig daheim lagern würden. Herzogin Meghan isst den neuseeländischen Honig gern zum Frühstück. Und auch Tennis-Ass Novak Djokovic soll regelmässig ein, zwei Löffel Manuka in sein Müesli geben.

Imker Frutiger: «Der Preis von 700 Franken ist schamlos»

In der «Schweizerischen Bienen-Zeitung» (Ausgabe 2/24) schreibt Adrian Frutiger unter dem Titel «Manuka-Honig: Der grosse Bluff» über das Wundermittel aus Neuseeland. Der Arzt im Ruhestand (Intensivmedizin und Anästhesiologie) lebt in Trimmis GR und betätigt sich seit 46 Jahren als Hobbyimker.

Seine Begeisterung für den Manuka-Honig hält sich in Grenzen. «Der Preis von 700 Franken für ein halbes Pfund ist schamlos und jenseits jeder Vernunft. Das Pfund ist mit 1400 Franken hundertmal teurer als ein einheimisches 500-Gramm-Glas Schweizer Honig», sagt Frutiger auf Anfrage von blue News.

Der hohe Preis des Manuka-Honigs beziehe sich dabei nicht auf den eigentlichen Wert des Produkts, sondern sei Teil eines ausgeklügelten Marketings.

«Als Preis für ein simples Glas Honig ist er grotesk, als Preis für ein exklusives Trendprodukt kann er nicht hoch genug sein», so Frutiger. Und weiter: «In der Schweiz ist es zudem gesetzlich verboten, Honig mit Heilsversprechen anzupreisen.»

Die Honigbiene wurde erst 1839 in Neuseeland eingeführt

In Neuseeland gibt es 28 Arten Wildbienen, davon sind 27 einheimisch. Die fleissigen Insekten helfen, die Flora zu bestäuben. Honigvorräte legen diese Arten jedoch nicht an.

Die Honigbiene kam erst 1839 nach Neuseeland. Sie wurde durch die englische Missionarin Mary Bumby eingeführt. Laut Adrian Frutiger, der selber schon in Neuseeland war, kannten die Maori, also die Angehörigen der indigenen Bevölkerung, bis zu jenem Zeitpunkt weder Honig noch Imkerei.

Heute ist das süss-klebrige Lebensmittel längst zu einem wichtigen Exportartikel geworden. Neuseeland gehört neben China weltweit zu den grössten Honig exportierenden Ländern.

«Vom Manuka-Honig sprach bei der Einführung der europäischen Honigbiene niemand», schreibt Adrian Frutiger in der «Schweizerischen Bienen-Zeitung», «vielmehr wurde der trübe, etwas erdige und bitter schmeckende Honig der Südseemyrte (Anmerkung der Redaktion: auch Neuseelandmyrte oder Manuka genannt) als minderwertig betrachtet und angeblich sogar dem Vieh verfüttert.»

Da Manuka-Honig geschmacklich nicht attraktiv ist, bedurfte es der Untersuchungen des neuseeländischen Biochemikers Peter C. Molan. Er forschte ab den 1980er-Jahren über die antibakterielle Wirkung von Honig.

Manuka-Honig hat eine ausgeprägte antibakterielle Wirkung

In der Folge postulierte Molan neben den bekannten bakterientötenden Faktoren Säuregehalt, Osmolarität und Wasserstoffperoxid eine weitere Komponente, die vor allem in reinem Manuka-Honig enthalten sei.

Mangels genauer Identifikation wurde diese Eigenschaft zuerst als UMF (Unique manuka factor) bezeichnet. Der 2015 verstorbene Molan stellte zudem fest, dass Manuka-Honig eine ausgeprägte antibakterielle Wirkung gegen die beiden Krankenhaus-Keime Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa entfalten.

Fachärzte für Naturheilverfahren empfehlen ihren Patient*innen heute Manuka-Honig bei Entzündungen und Infektionen, schreibt «ZDF Heute» . Dazu gehören zum Beispiel durch Helicobacter pylori verursachte Magenschleimhautentzündungen, aber auch Zahnfleisch- und Halsentzündungen.

Das Rätsel um den mysteriösen «unique manuka factor»

Das Rätsel um den mysteriösen Unique manuka factor löste sich erst 2008, als Thomas Henle, Lebensmittelchemiker an der Technischen Universität Dresden, den Wirkstoff als Methylglyoxal (MGO) identifizieren konnte.

Arzt und Hobbyimker Adrian Frutiger schreibt in der «Schweizerischen Bienen-Zeitung» dazu: «Im Nektar der Manukablüte kommt MGO zwar nicht vor, sondern lediglich die Vorläufersubstanz Dihydroxyacetat (DHO), die im Bienenstock während der Eindickung von Nektar zu Honig in Methylglyoxal umgewandelt wird.»

Und weiter: «Je mehr DHO im Nektar, desto mehr MGO im Honig. Manuka-Nektar enthält besonders viel, bei sortenreinem Sammeln sogar sehr viel DHO, weshalb Manuka-Honige hohe Konzentrationen an MGO enthalten können. Selbstverständlich enthalten auch andere Honige MGO, aber in viel geringeren Konzentrationen. Diese zusätzliche bakterientötende Wirkung im Manuka-Honig bildet die Grundlage für dessen aufgeregte Anpreisung.»

Honig ist seit Jahren ein gefragtes Superfood

Honig ist seit Jahren ein gefragtes Superfood – und ganz besonders der Manuka-Honig aus Neuseeland. Die globale Nachfrage kann kaum befriedigt werden. Die britische «Daily Mail» schreibt: «Ein Rätsel, wie nur 1700 Tonnen Manuka-Honig produziert, aber danach 10'000 Tonnen verkauft werden.»

Es scheint also so, dass ein Grossteil des angebotenen Manuka-Honigs gefälscht sein könnte. Wichtig zu wissen sei für Konsument*innen, sagt Lebensmittelchemiker Thomas Henle im «ZDF Heute», dass Manuka-Honig ausschliesslich aus Neuseeland importiert werde.

Und weiter: «Kund*innen, die möglichst sichergehen wollen, dass sie keine Fälschung kaufen, sollten sich am Fernmark-Label der neuseeländischen Regierung orientieren.»

Firmen, die ihre Gläser mit diesem Label ausstatten, werden von der neuseeländischen Regierung als seriöse Unternehmen anerkannt und regelmässig überprüft. Einen hundertprozentigen Schutz vor Fälschungen oder falschen Angaben gebe es jedoch nicht, so Henle.

Bienen werden per Helikopter in entlegene Gebiete geflogen

Arzt und Hobbyimker Adrian Frutiger ist noch aus einem anderen Grund kein Fan von Manuka-Honig MGO 1500+ von The True Honey Co. aus Neuseeland, der bei Globus am Bellevue in Zürich für 700 Schweizer Franken pro 250-Gramm-Glas verkauft wird.

Die Firma werbe damit, ihre Bienenstöcke in den entlegensten Manuka-Wäldern aufzustellen, so der Bündner Hobbyimker: «Wie das geschieht, kann man sogar im Bild und Video sehen: Die Bienenvölker werden per Helikopter in die entlegensten Gebiete geflogen, teils auch in Naturschutzgebiete, und danach zum Abernten wieder abgeholt.»

Derweil schreibt die Medienabteilung von Globus auf Anfrage von blue News: «Unser UMF-Manuka-Honig mit einem MGO-Gehalt von 1500+ ist ein äusserst wertvolles und exklusives Produkt. Weltweit gibt es weniger als fünf Marken, die Manuka-Honig in dieser Konzentration anbieten.»

Die Erntezeit für diesen Honig von The True Honey Co. sei auf vier bis fünf Wochen im Jahr begrenzt, weil dieser nur dann geerntet werden könne, wenn die Blüten des Manuka-Strauchs noch frisch seien.

Und weiter: «Timing ist hierbei entscheidend – sobald die Blüten zu welken beginnen, müssen die Bienenstöcke entfernt werden. The True Honey Co. legt grössten Wert auf strenge Qualitätskontrollen, um 100 Prozent authentischen, reinen neuseeländischen UMF-Manuka-Honig zu garantieren, der sich durch seine aussergewöhnlichen Eigenschaften von anderen Honigen abhebt.»

«Diesen Bluff müssen wir uns nicht gefallen lassen»

Und was hält Adrian Frutiger vom Hype um den Manuka-Honig?

«Als hiesiger Hobbyimker mit wenigen Bienenvölkern kann man nur staunen, wie anderswo industriell geimkert wird und mit welch aggressivem Marketing ein eigentlich mittelmässiges Produkt zum Kultartikel hochstilisiert und schamlos teuer vermarktet wird.»

Bienen Schweiz, die Dachorganisation der Imkersektionen der Deutschschweiz und ihrer Kantonalverbände, empfiehlt übrigens für das 500-Gramm-Glas Schweizer Bienenhonig einen Richtpreis von 15 Franken (ohne Goldsiegel).

Ein faires Entgelt für ein sorgfältig gewonnenes Naturprodukt, findet Hobbyimker Frutiger. «Für den riesigen Hype rund um Manuka-Honig fehlt jegliche Grundlage. Diesen Bluff müssen wir uns nicht gefallen lassen.»


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