Wie Legastheniker*innen ihren Alltag meistern«Bei der Bewerbung fragten sie, ob ich schreiben kann»
Samuel Walder
17.1.2025
Etwa 400'000 Personen in der Schweiz haben eine Form von Legasthenie. Zwei davon erzählen blue News, wie das Leben mit Legasthenie aussieht und welche Hürden es zu bewältigen gibt.
Samuel Walder
17.01.2025, 23:34
Samuel Walder
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Franny, eine Schweizer Content-Creatorin mit 2,6 Millionen Tiktok-Followern, spricht offen über ihre Legasthenie.
Sie betont die Wichtigkeit frühzeitiger Unterstützung und Aufklärung über Legasthenie, um Missverständnisse zu vermeiden.
Auch Nora M. hat Dyslexie und macht ähnliche Erfahrungen wie Franny.
Franny, eine Schweizer Content-Creatorin, ist auf Tiktok und Instagram aktiv. Doch hinter den Kulissen gibt es Herausforderungen: Franny lebt mit Legasthenie, auch Dyslexie genannt, und spricht offen darüber, wie diese ihren Alltag prägt – und warum sie trotz allem fest daran glaubt, dass sie alles erreichen kann.
So wurde sie auch berühmt. Mit Versprechern, die sie im Video auf den Kanälen postete, erreicht sie heute nur auf Tiktok 2,6 Millionen Zuschauer*innen.
Unterstützung bei Dokumenten
«Mein Alltag ist sowieso speziell wegen Social Media», erklärt Franny. «Es ist schwierig, meinen Tagesablauf mit anderen Menschen ohne Dyslexie zu vergleichen.» Doch sie merkt: Ihre Legasthenie wird spürbar beim Lesen von amtlichen Dokumenten. «Ich brauche oft länger, um solche Briefe zu verstehen, und hole mir Unterstützung.»
Eine weitere Hürde beschreibt sie so: «Manchmal fehlen mir die Wörter. Ich will etwas erklären, finde aber das richtige Wort nicht und muss es umschreiben.» Ihre Freundin, die Logopädie studiert, hat ihr erklärt, dass dies typisch für Menschen mit Legasthenie ist. Doch Franny nimmt es gelassen: «Ich habe gelernt, damit umzugehen, und mache das Beste daraus.»
Schlechte Erfahrungen? Nicht mehr!
Franny erinnert sich an ihre Schulzeit, in der ihre Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) noch nicht erkannt war. «Beim Vorlesen im Unterricht wurde manchmal gelacht, und mir war das unangenehm.» Doch sie hat auch Positives erlebt: Heute ist sie von einem Umfeld umgeben, dass sie unterstützt. «Viele meiner besten Freundinnen studieren Logopädie oder werden Lehrpersonen. Sie helfen nicht nur mir, sondern auch der nächsten Generation.»
Franny ist überzeugt: Ihre Legasthenie hält sie von nichts ab. «Ich kann alles schaffen, was ich will! Es gibt immer Wege, auch wenn sie mit mehr Aufwand verbunden sind.» Schon in der Schule hat sie mit einem Nachteilsausgleich gute Noten erreicht. Das heisst, ihre Schwäche wurde bei der Notengebung berücksichtigt. Dennoch betont sie, dass ihr Herz an ihrem aktuellen Beruf hängt: «Kein Job würde mir so viel Freude machen wie meiner.» Und dieser sei auch gut mit der Legasthenie zu vereinbaren.
Mehr Aufklärung und Verständnis in der Gesellschaft
Franny wünscht sich, dass Dyslexie in Schulen und der Gesellschaft offener thematisiert wird. «Viele wissen gar nicht, dass Dyslexie bei jedem Betroffenen anders aussieht. Es geht nicht nur um Schwächen beim Lesen oder beim Schreiben – das ist ein Missverständnis.» Besonders wichtig ist ihr, dass Kinder früh lernen, dass Legasthenie, ADHS oder ähnliche Themen kein Grund für Scham sind.
«Meine Mutter ist Lehrerin und erkennt bei ihren Schülern möglichst früh, ob sie Unterstützung brauchen. Das hätte ich mir damals auch gewünscht.» Für Franny ist klar: «Je früher man solche Themen bespricht und normalisiert, desto besser für alle.»
Schwierigkeiten beim Bewerbungsprozess
Auch Nora M.* hat Legasthenie. Sie sieht vor allem Hürden im Arbeitsleben. «Beispielsweise wurde im Bewerbungsgespräch darauf geachtet, dass man keine Schreibfehler macht. Nicht jeder hat Verständnis für Legasthenie», erklärt M. Sie hat aber Glück: «Andere gehen super damit um. Meine Chefin vertraut mir voll und ganz und zeigt Verständnis.»
Probleme sieht M. auch bei der Ausbildung: «Die Schulen stecken die Kinder heutzutage schnell in eine Schublade. Früher als ich in der Schule war, war es anders.» Für die, die wirklich Legasthenie haben, sei es wichtig, so früh wie möglich dies abzuklären. «So kann man genug früh reagieren und helfen», erklärt Nora M. Sie habe damals in der Schule schnell Unterstützung durch Logopädie erhalten und dabei viel gelernt.
«Ich glaube, die Arbeitswelt sollte offener sein. Man sollte auch Legasthenikern eine Chance geben», sagt M. Es gebe heute Möglichkeiten, auch mit Künstlicher Intelligenz, die sehr helfen können.
«Wir Legastheniker sind sehr sensibel und haben schon in den Schulen schlechte Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel wollten gewisse Mitschüler nicht in die gleiche Gruppe, wenn es bei einer Übung ums Schreiben ging.» Deswegen sei es umso wichtiger, dass man früh über die Legasthenie spricht, damit die Gesellschaft sensibilisiert werde.
Heutige Unterstützung ist unzureichend
Legasthenie betrifft 3 bis 6 Prozent der Kinder in der Schweiz. Claudine Gerber, Sprachheiltherapeutin und Psychologin, fordert eine gezieltere Unterstützung der betroffenen Schülerinnen und Schüler – und kritisiert das aktuelle System.
Früher meldeten Eltern ihre Kinder beim Schulpsychologischen Dienst, um abzuklären, ob eine Legasthenie vorliegt. Heute übernehmen diese Aufgabe häufig Logopäd*innen, erklärt Gerber.
Die aktuelle Unterstützung sei jedoch oft unzureichend: «Man müsste viel mehr in gezielte Legasthenie-Therapien investieren, die genau auf die Art der Legasthenie abgestimmt sind.» Stattdessen kommen Heilpädagogen zum Einsatz, die in Klassen arbeiten und «überall ein bisschen helfen». Für Gerber ist das eher ein Pflaster als eine langfristige Lösung.
Herausforderungen im Alltag
Ein grosses Problem sieht Gerber in der fehlenden Kompetenz vieler Lehrpersonen: «Viele Lehrer haben keine Ahnung, was Legasthenie ist.» Ein Feingefühl für die Schwierigkeiten der Kinder sei essenziell, fehle jedoch oft. Auch Eltern sind häufig überfordert und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. «Manchmal ist nicht klar, wer abklärt», sagt Gerber. Dennoch betont sie, dass es gute Anlaufstellen gibt – wenn man sie kennt.
Viele Legastheniker sind hochintelligent, haben jedoch eine Teilleistungsstörung. «Man muss wissen: Ich habe diese Stärken und diese Schwächen», erklärt Gerber. Wichtig sei, nie aufzuhören, daran zu arbeiten.
Der Einbezug der Eltern und ein unterstützendes Umfeld spielen dabei eine Schlüsselrolle. Eine weitere Möglichkeit könnte der Austausch in Gruppen sein, in denen Betroffene gemeinsam an Strategien arbeiten.
Legasthenie ist in vielen Fällen vererbt. «Das sagt jedoch nichts über die Stärke der Legasthenie aus», erklärt Gerber.
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