Tracking-ToolDie SwissCovid-App könnte viel bewirken, hätte sie mehr Nutzer
Von Dirk Jacquemien und Tobias Bühlmann
20.2.2021
Die Covid-Pandemie scheint abzuebben, bald dürfte es erste Öffnungen geben. Ein zentrales Mittel, um die Seuche in Schach zu halten, wäre die SwissCovid-App. Doch obwohl neuste Zahlen auf einen erheblichen Nutzen deuten, stagniert die Nutzerzahl seit Monaten.
Wenn es um die Bekämpfung der Corona-Pandemie durch Apps ging, war die Schweiz Pionier. Hiesige Forscher entwickelten schnell ein Konzept für ein System, das potenzielle Infektionsketten per Bluetooth erkennen konnte — ihre Vorschläge bildeten die Basis für den Einbau eines Kontaktverfolgungssystem direkt in iOS und Android.
Auch bei der Umsetzung dieses System in einer konkreten App war die Schweiz vorne mit dabei. SwissCovid wurde am 25. Juni 2020 für die breite Öffentlichkeit freigegeben. Doch nach der anfänglichen Erfolgsgeschichte scheint der App inzwischen etwas die Luft auszugehen.
Nutzerzahl seit Oktober fast unverändert
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Nutzerzahlen kaum mehr anziehen. Lobenswerterweise ist der Bund sehr transparent, wenn es um die Daten zur Nutzung der App geht. Auf der Website des Bundesamtes für Statistik (BFS) werden wochentäglich neue Zahlen zu wichtigen Aspekten der Nutzung der App veröffentlicht.
Daraus geht hervor, dass SwissCovid seit Lancierung insgesamt 2,95 Millionen Mal für iOS und Android heruntergeladen wurden. Noch wichtiger ist die Zahl der aktiven Nutzer*innen. Diese gibt das BFS mit 1,71 Millionen Menschen an. Bei 8,6 Millionen Einwohner heisst das also, dass etwas mehr als 20 Prozent der Bevölkerung SwissCovid nutzt.
Das Problem ist, dass die Zahl seit Monaten auf diesem Niveau stagniert, seit Oktober ist sie quasi unverändert. Damals startete der Bundesrat eine neue Werbeoffensive für die App, die aber offenbar verpuffte ist. Es ist zu befürchten, dass auch erneute Kampagnen für die App die Nutzerzahlen nicht signifikant erhöhen würden und die aktuelle Nutzung auch widerspiegelt, wie gross der Anteil der Bevölkerung ist, der eine solche App freiwillig verwenden würde. Hier scheint ein Plateau erreicht zu sein.
Ist das ein spezielles Problem der SwissCovid-App? Ein Blick in die Nachbarländer lässt das nicht vermuten. In Österreich heisst die entsprechende App «Stopp Corona». Das verantwortliche Österreichische Rote Kreuz gibt keine Nutzerzahlen heraus, sagt aber, dass die «Stopp Corona»-App bisher rund 1,4 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Zur Erinnerung; die Schweiz kommt auf annähernd 3 Millionen Downloads, bei nahezu gleich grosser Bevölkerung. Im Vergleich zu unserem Nachbarn schneidet SwissCovid also hervorragend ab, sie wird wohl rund doppelt so stark genutzt.
In Deutschland gibt es die «Corona-Warn-App». Auch hier werden anstelle von Zahlen zu den aktiven Nutzern nur jene der Downloads veröffentlicht. Die deutsche App kommt auf 25,6 Millionen Downloads. Bei der rund zehnfach grösseren Bevölkerung heisst das, dass in unserem nördlichen Nachbarland wohl ein leicht geringerer Anteil der Bürger*innen eine Corona-App nutzt als in der Schweiz. International muss sich SwissCovid also nicht verstecken.
Nicht alle erkrankten Nutzer melden ihre Infektion
Doch wie sieht die Effektivität der App in der Praxis aus? In den vergangenen Wochen gaben täglich rund 100 bis 150 positiv getestete Menschen den Covidcode in der App ein.
Bei Corona-Neuinfektionen von derzeit etwas über 1000 am Tag melden also rund 10 bis 15 Prozent ihre Infektion über die App. Im Vergleich mit dem Anteil der SwissCovid-Nutzer*innen an der Gesamtbevölkerung heisst das aber, dass ein beträchtlicher Teil — möglicherweise bis zu 50 Prozent — der Infizierten eine Infektion nicht meldet, obwohl die App dafür doch eigentlich auf dem eigenen Smartphone vorhanden wäre.
Die Gründe dafür sind nicht einfach zu eruieren. Vielleicht gibt es doch eine gewissen Scham, die eigene Diagnose mit der Welt zu teilen, obwohl SwissCovid ja völlig anonym funktioniert. Durch SwissCovid gewarnte Personen erfahren nicht, wer aus ihren Kontakten positiv getestet wurde.
Laut dem Bundesamt für Statistik scheint die Eingabe der Covid-Codes nach anfänglichen Problemen nun gut zu funktionieren: Demnach geben 6,5 Prozent ihren Covidcode noch am Tag des Symptombeginns ein. 27,7 Prozent geben den Code am darauffolgenden Tag, 23,9 Prozent am zweiten Tag ein. Die restlichen gut 41 Prozent der Erkrankten geben ihren Code erst nach drei oder mehr Tagen ein.
Bei späteren Eingaben des Codes wird es allerdings schon kritisch, da nun die Kontaktpersonen des positiv Getesteten ihrerseits schon wieder infektiös sein könnten und die Kette damit nicht unterbrochen werden kann.
Der Nutzen ist hoch
Zahlen aus Grossbritannien zeigen, dass die App erheblichen Nutzen bringen kann bei der Pandemie-Bekämpfung: Eine Analyse des britischen Gesundheitsdiensts NHS schätzt, dass die dortige App in der zweiten Welle im Winter rund 600'000 Covid-Ansteckungen verhindert haben könnte.
Die Untersuchung zitiert zudem Zahlen der Universität Oxford, wonach jedes Prozent Zuwachs an Nutzer*innen zu einer Reduktion der Covid-Fälle um 2,3 Prozent führe. Für den Bund könnte es sich also auszahlen, noch einmal einen Effort zu leisten, um die Bewohner*innen des Landes von den Vorteilen der SwissCovid-App zu überzeugen.