KontaktverfolgungDas passiert, wenn die Warnung der SwissCovid-App kommt
Von Dirk Jacquemien
12.10.2020
Die Coronazahlen steigen, die Kontaktverfolgung kommt an ihre Grenzen. Entlastung könnte die SwissCovid-App liefern. Was es auslöst, wenn einen die App via Push-Nachricht warnt. Ein Erfahrungsbericht.
Das Coronavirus ist in der Schweiz wieder auf dem Vormarsch. Zu erkennen ist das auch in der Nutzung der SwissCovid-App. Deren reine Nutzerzahlen liegen zwar seit Monaten stabil bei rund 1,6 Millionen, knapp ein Fünftel der Bevölkerung. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen wird sie aber nun tatsächlich öfters für ihren beabsichtigten Zweck genutzt, nämlich die Benachrichtigung von potenziellen Kontaktpersonen infizierter Menschen.
Das erfolgt mittels des «Covidcodes», den man zusammen mit einem positiven SARS-CoV-2-Testergebnis bekommt und den man in die App eingeben muss, um eine Warnung auf den Smartphones der Kontaktpersonen auszulösen. Wurden im September jeweils rund 400 Covidcodes pro Woche eingegeben, sind es inzwischen schon über 800 pro Woche. Ein Empfänger einer SwissCovid-Warnmeldung war «blue News»-Redaktor Fabian Tschamper.
«Die App habe ich bei Veröffentlichung sofort heruntergeladen und immer aktiv gehabt», sagt Tschamper. Am Samstagabend erschien dann die Push-Nachricht der SwissCovid-App auf seinem Smartphone. Da er zu einer Risikogruppe gehört, war die Warnung der App «schon nicht ohne», wie er erzählt. Am Tag zuvor sei es zu einem Kontakt mit einem zwischenzeitlich positiv auf das Virus Getesteten gekommen, hiess es in der App.
Zusammen mit der Warnung gab es die Nummer zur SwissCovid-Infoline, die Tschamper umgehend anrief. Für diesen Anruf mussten ganz normale Telefongebühren bezahlt werden. Nach knapp fünf Minuten Warteschleife meldete sich eine «wohltuende» Frauenstimme.
Diese erzählte, dass man gegenwärtig ein wenig überfordert, das Prozedere aber klar sei: ein kostenloser Coronatest und vorläufig Quarantäne.
Also ging Tschamper am nächsten Tag ins Spital und liess sich testen. Hier musste er rund 20 Minuten warten. Das Ergebnis soll am morgigen Dienstag vorliegen. Mindestens bis dahin wird Tschamper seine Wohnung nicht verlassen. (Update 13. Oktober: Er hat inzwischen ein negatives Testergebnis erhalten)
Kontaktverfolgung für den ÖV
Wo er in Kontakt mit einem Coronainfizierten gekommen ist, weiss Tschamper nicht. «Ich habe mich an die allgemeinen Hygieneregeln gehalten und bin nicht krank geworden. Darum hätte ich wohl ohne die Push-Mitteilung auch nie einen Test gemacht», sagt er. Er vermutet, dass es im ÖV zum Kontakt kam.
Genau für solche Situationen wurde SwissCovid primär gemacht: Um den Kontakt mit Fremden in leider wieder ziemlich vollen Zügen, Trams und Bussen rückverfolgen zu können. Die klassische Kontaktverfolgung würde solche Fälle nie erkennen und in der Tat hatte sich hier auch niemand bei Tschamper gemeldet.
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Derweil häufen sich auch Berichte, dass die Kantone mit der Kontaktverfolgung an ihre Grenzen gelangen. Zürich liess noch dementieren, dass das Contact-Tracing im bevölkerungsreichsten Kanton nicht mehr funktioniere, aber die ständig steigenden Zahlen sorgen schweizweit für Herausforderungen.
Die SwissCovid-App kann hier unterstützend helfen, vor allem, wenn ein Infizierter viele Kontakte hatte. Die Push-Meldung per Smartphone dürfte da schneller eintreffen als der manuelle Anruf oder das SMS der Gesundheitsdirektionen.
Gelingt es, mehr Nutzer zu gewinnen?
Bei SwissCovid ist aber deutlich Luft nach oben. So haben am 7. Oktober 191 Betroffene ihren Covidcode in der App eingegeben. Am nächsten Tag meldete das Bundesamt für Gesundheit 1'172 neue Fälle in den vergangenen 24 Stunden. Knapp 16 Prozent der Infizierten haben demnach also ihre Mitbürger per App gewarnt, beim Rest muss man auf die klassische Kontaktverfolgung vertrauen.
Ob es dem BAG allerdings gelingen wird, die stagnierenden Nutzerzahlen von SwissCovid signifikant in die Höhe zu treiben, bleibt zweifelhaft. Eine Studie untersuchte Ende Juli die Gründe für die Nicht-Installation der App. Hierbei gab es eine Vielzahl von Motivationen, von Angst um den Schutz der persönlichen Daten bis hin zu mangelndem Glauben an die Effektivität der App. Letzteres könnte eine selbsterfüllende Prophezeiung werden.