Alle Neuerungen im Detail Ist «Arceus» das beste «Pokémon»-Game aller Zeiten?

Von Domagoj Belancic

2.2.2022

Mit einer offenen Welt betritt die Serie neue Pfade.
Mit einer offenen Welt betritt die Serie neue Pfade.
Nintendo

«Pokémon Legenden: Arceus» stellt so gut wie alle Konventionen der langjährigen Rollenspielserie auf den Kopf. Es hätte das beste Pokémon-Game aller Zeiten sein können. Doch die Sache hat einen Haken.

Von Domagoj Belancic

Auch ich gehöre zu den Pokémon-Fans der ersten Stunde, die damals auf dem Pausenhof Pokémon auf dem Uralt-GameBoy gespielt und via Link-Kabel unzählige Taschenmonster getauscht haben. Kaum ein anderes Spiel hat mich und meine Gaming-Karriere so stark geprägt wie die «Rote Edition» mit dem majestätischen Glurak auf dem Cover.



Knapp 25 Jahre nach dem Release der ikonischen Originalspiele, ist meine Faszination für die Franchise aber leider auf ein Rekordtief gesunken. Denn die Serie ist in ihren eigenen Konventionen und Mustern gefangen und hat sich seit der «Roten und Blauen Edition» gameplay-technisch kaum weiterentwickelt.

«Pokémon Legenden: Arceus» sorgt nun endlich für frischen Wind in der Pokémon-Welt. Wir haben die fünf grössten Neuerungen zusammengefasst und verraten, wieso das Game trotz dieser Innovationen doch nicht auf ganzer Linie überzeugen kann.

1. Ein historisches Setting

Als Spieler schlüpft man in «Pokémon Legenden: Arceus» in die Rolle eines Pokémon-Trainers, der durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum in die ferne Vergangenheit der «Sinnoh-Region» (bekannt aus «Pokémon: Diamant & Perle») teleportiert wird. Der Trainer schliesst sich dem lokalen Forschungstrupp an, der sich zum Ziel gesetzt hat, alle Pokémon in der Region gründlich zu erforschen und die erste «Pokédex»-Datenbank aufzubauen.

Kein leichtes Unterfangen, denn die kleinen Taschenmonster sind für die Menschen in dieser Ära immer noch ein furchterregendes und grösstenteils unerforschtes Mysterium. Diese für Pokémon-Games ungewöhnliche Ausgangslage ist eine willkommene Abwechslung und hebt sich deutlich von den altbekannten «Ich-will-Pokémon-Champion-werden»-Geschichten der anderen Spiele ab.

2. Grosse Freiheit mit Suchtpotential

Im historischen Setting des Spiels steht dementsprechend nicht das Kämpfen gegen andere Trainer, sondern das Erforschen der wilden Kreaturen im Mittelpunkt des Gameplays. Anstelle von vordefinierten linearen Routen, lässt das Game den Spieler riesige Landschaften komplett frei erkunden.

In der weitläufigen Wildnis lauern überall Pokémon, die für die Komplettierung der Pokédex-Datenbank gefangen, besiegt, gefüttert oder mit speziellen Attacken angegriffen werden müssen. Die Bandbreite an Forschungsaufgaben ist gross und gibt dem Spieler das süchtig machende Gefühl, konstant kleine Fortschritte zu machen.

Mit den richtigen Items und ein bisschen Glück, können die kleinen Viecher sogar ohne Kampf gefangen werden!
Mit den richtigen Items und ein bisschen Glück, können die kleinen Viecher sogar ohne Kampf gefangen werden!
Nintendo

3. Mittendrin statt nur dabei

Im Gegensatz zu anderen Pokémon-Games finden die Kämpfe neu direkt in der Spielwelt statt. Mit einem Wurf des Pokéballs wird der Kampf gegen wilde Pokémon ohne Übergang oder Ladescreen gestartet. Die eigene Spielfigur lässt sich während der Duelle sogar frei bewegen - noch nie haben sich die Kämpfe so dynamisch und echt angefühlt.

Auf strategischer Ebene bringt das neue Technik-System zudem ein bisschen Abwechslung in die rundenbasierten Kämpfe. Für jede Attacke kann zwischen einer Tempo- und Krafttechnik gewählt werden. Das Pokémon greift dann entweder schneller (dafür schwächer) oder stärker (und dafür langsamer) an. Eine kleine Änderung mit teilweise grossen taktischen Auswirkungen.

Sehr gelungen: Die Inszenierung der Kämpfe setzt für Pokémon-Games neue Massstäbe.
Sehr gelungen: Die Inszenierung der Kämpfe setzt für Pokémon-Games neue Massstäbe.
Nintendo

4. Höherer Schwierigkeitsgrad

Bei «Pokémon Legenden: Arceus» wurde nochmal deutlich am Schwierigkeitsgrad geschraubt. Vor allem die ultrastarken «Elite»- und «Königs-Pokémon» stellen eine richtige Herausforderung dar und können nur mit der richtigen Teamkonstellation und einer gründlichen Vorbereitung besiegt oder gefangen werden. Auch die Kämpfe gegen andere Trainer und ihre durchtrainierten Pokémon-Teams haben es oft ziemlich in sich.

Um sich auf diese schwierigeren Duelle vorzubereiten, können diverse Ressourcen in der Wildnis gesammelt und zu lebenswichtigen Items verarbeitet werden. Aber Achtung: Die wilden Pokémon greifen neu auch den Spieler direkt an. Wer auf einer Forschungsexpedition von einem Monster angegriffen und besiegt wird, fällt in Ohnmacht und verliert seine Items.

5. Lebewesen statt Roboter

Noch nie haben sich Pokémon in einem Game der Hauptreihe so lebendig angefühlt. Die wilden Kreaturen leben in ihrem natürlichen Habitat vor sich hin und reagieren je nach Persönlichkeit entweder neugierig, erschrocken oder aggressiv auf die Fangversuche. Auch die eigenen Pokémon können jederzeit aus ihren Pokébällen geholt werden und mit der Umwelt interagieren.

Das Ganze ist noch nicht komplett auf dem Niveau des extrem liebevoll inszenierten Fotosafari-Games «New Pokémon Snap», aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die kleinen Viecher fühlen sich nicht mehr wie Kampfroboter, sondern wie echte Lebewesen an.

Praktisch: Einige Pokémon kann man sogar reiten.
Praktisch: Einige Pokémon kann man sogar reiten.
Nintendo

Was zum perfekten Game fehlt

Hört sich alles super an, oder? Die Sache hat aber einen Haken. Oder sogar zwei. Da wäre zum Einen die teils unterirdische visuelle Präsentation, die mir den Spielspass stellenweise verdorben hat. Von der sehr limitierten Weitsicht, über die eckigen Charakter- und Umgebungsmodelle bis hin zu lieblos wirkenden Matschtexturen - «Pokémon Legenden: Arceus» ist echt kein Hingucker.



Ebenfalls erwähnenswert ist, dass die monotone Missionsstruktur und die leeren Spielwelten etwas auf die Langzeitmotivation drücken. Ja, das Erforschen von Pokémon macht Spass und hat Suchtpotenzial. Wenn aber jede Mission immer wieder auf die gleiche Gameplay-Schleife einzahlt und es in den riesigen Spielwelten ausser dem Erforschen von wilden Pokémon nichts zu tun gibt, werden nur die allergrössten Hardcore-Forscher das Game zu 100 Prozent komplettieren können.

Bleibt zu hoffen, dass die Pokémon-Franchise diesen neuen und mutigen Ansatz in Zukunft weiterverfolgen und optimieren wird, statt wieder in alte Strukturen und Konventionen zurückzufallen. Vielleicht wird das nächste «Legenden»-Game dann das beste Pokémon-Game aller Zeiten.