Bötschi fragt Yannik Zamboni«Immer wenn ich Heidi Klum traf, zitterte ich»
Bruno Bötschi
23.6.2024
Yannik Zamboni, welcher Teil deines Körpers ist dir bis heute fremd?
Der Schweizer Modemacher Yannik Zamboni sorgt seit zwei Jahren international für Aufsehen. Ein Gespräch über Schönheit, Heidi Klum – und welcher Teil seines Körpers dem 37-Jährigen bis heute fremd ist.
19.06.2024
Der Schweizer Modemacher Yannik Zamboni ist international erfolgreich. Ein Gespräch über Schönheit, sein Verhältnis zu Heidi Klum – und warum der 37-Jährige neue Investor*innen für sein Modelabel sucht.
Bruno Bötschi
23.06.2024, 00:00
02.07.2024, 15:44
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Seit seinem Sieg im Jahr 2022 bei der US-amerikanischen Fashion-Reality-Show «Making the Cut» erobert Yannik Zamboni mit seiner Mode die Welt.
Vergangene Woche trat der 37-jährige Baselbieter Modemacher beim Final der TV-Show «Germany’s Next Topmodel» von Heidi Klum in einem Naked Dress auf.
Nun ist Zamboni auf der Suche nach neuen Investor*innen für sein Label Maison Blanche, weil er künftig seine Mode nur noch vegan, fair, nachhaltig und zirkulär produzieren möchte.
«Ich nehme immer meine Grosseltern als Beispiel. Sie gehörten zur Arbeiterklasse und waren trotzdem das ganze Jahr über piekfein angezogen, obwohl nicht Unmengen von Kleidern in ihrem Schrank hingen. Umso mehr trugen sie den vorhandenen Kleidern Sorge», sagt Zamboni im Gespräch mit blue News.
Ich finde beide cool – müsste ich mich wirklich entscheiden, würde ich Vivienne Westwood wählen.
Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Liebe oder Geld?
Liebe.
Aktuell bist du auf der Suche nach Geld für dein Unternehmen. Läuft das Geschäft mit deinem Modelabel Maison Blanche derart schlecht oder warum suchst du neue Investor*innen?
Es läuft überhaupt nicht schlecht, aber wir haben mit unserem Geldgeber und Vertriebspartner Amazon Schluss gemacht. Die Mode ist eine sehr geldintensive Branche – und weil wir im kommenden Herbst unsere neue, eigenständige Kollektion auf den Markt bringen wollen, brauchen wir jetzt Geld.
Wieso hast du dich von Amazon getrennt?
Das hat verschiedene Gründe – vor allem aber, weil wir andere Wertvorstellungen haben. Am Anfang fand ich es eine spannende Herausforderung, mit meinen Werten bei Amazon etwas verändern zu können. Bis ich irgendwann merken musste, dass dieser Gedanke naiv ist – und dass manche Sachen sich nicht so schnell verändern lassen. Aber ich möchte vorwärtsmachen bei Themen wie Nachhaltigkeit, fairen Löhnen und biologisch abbaubaren und veganen Kleidern. Das wäre mit dem neuen Deal mit Amazon und der grossen Produktionsmenge immer mehr zu einem Problem geworden.
Wirklich wahr, dass du deine Mode künftig nur noch vegan, fair, nachhaltig und zirkulär wirst?
Das stimmt.
Du suchst neue Investor*innen per Crowdinvesting: Kannst du bitte kurz und knapp erklären, was das ist?
Während Crowdfunding eine Möglichkeit ist, ein Projekt zu unterstützen, ohne eine finanzielle Gegenleistung zu erwarten, geht es beim Crowdinvesting darum, Kapital zu sammeln, also zum Beispiel Aktien zu kaufen, und später eine finanzielle Rendite zu erzielen. Und je nachdem, in welches Paket du bei uns investierst, kommst du auch noch in den Genuss von anderen Benefits.
Wie viel Geld muss ich auf dem Bankkonto haben, dass ich bei dir als Investor einsteigen kann?
Ab 300 Schweizer Franken kannst du bei uns einsteigen.
Wie lange habe ich noch Zeit dafür?
Das Crowdinvesting läuft noch bis am 10. Juli.
Fair produzierte Mode hat ihren Preis. Können sich künftig nur noch gut verdienende Menschen Kleider von Yannik Zamboni leisten?
Ich nehme immer meine Grosseltern als Beispiel. Sie gehörten zur Arbeiterklasse und waren trotzdem das ganze Jahr über piekfein angezogen, obwohl nicht Unmengen von Kleidern in ihrem Schrank hingen. Umso mehr trugen sie den vorhandenen Kleidern Sorge. Und bevor sie ein Teil, das kaputtging, weggeschmissen hätten, versuchten sie es zu reparieren.
Deine Maxime lautet demnach: Lieber etwas mehr ausgeben für Kleider und sie dafür länger tragen.
Die Wertschätzung für ein Kleidungsstück steigt, wenn man einen gewissen Betrag dafür zahlen muss, statt dass es einem für fünf Franken hinterhergeschossen wird.
Dein Lieblingsort in Gelterkinden BL, wo du aufgewachsen bist?
Die Badi.
Wenn ein Tourist sich nach Gelterkinden verirren würde …
… viel Spass (lacht) …
… was würdest du ihm zuerst zeigen?
Im Sommer würde ich ihm die Badi zeigen.
Und im Winter?
Da würde ich mit ihm in den Wald gehen, weil der dann besonders ruhig und idyllisch ist.
Was würdest du mir noch zeigen wollen in deinem Heimatkanton Baselland, wenn wir einen Tag lang Zeit hätten?
Ich finde die Sissacherfluh süss.
Die Sissacherfluh, was ist das?
Ein Hügel. Wir könnten dort oben in die Wiesen sitzen, ein bisschen chillen und danach etwas auf den Grill legen.
Welches Hobby aus Teenagerzeiten hat überlebt?
Sport.
Warst du ein begabter Fussballer?
Never (lacht).
Sondern?
Schwimmen, Volleyball, Tennis und Joggen. Das mache ich heute alles noch sehr gern, einfach nicht mehr so intensiv wie früher.
Was hat dir deine Mutter über die Menschen beigebracht?
Der Mensch wird nicht schlecht geboren, er wird dazu gemacht.
Welcher Spruch von deinem Vater klingt dir bis heute in den Ohren?
Von nichts kommt nichts.
Wo findest du die Inspiration für deine Mode?
Ich möchte nicht nur designtechnisch überzeugen, sondern auch soziopolitisch etwas verändern. Ich bin überzeugt davon, dass Mode Veränderungen in der Gesellschaft anstossen kann.
Das würde ich gern tun. Ich hatte auch schon im Vorfeld des Eurovision Song Contests mit Nemos Schwester Kontakt, die für das Styling zuständig war. Nemo und ich haben uns auch geschrieben. Was nicht ist, kann also noch werden.
Mit welchen drei Worten würdest du deinen eigenen Style beschreiben?
Anders, nicht konform und sehr weiss.
Ich hatte gedacht, du antwortest jetzt mit: Weniger ist mehr.
(Lacht) Im Sommer auf jeden Fall.
Vergangene Woche bist du beim Final der TV-Show «Germany’s Next Topmodel» von Heidi Klum in einem Naked Dress aufgetreten …
Es stimmt, mein Dress war sehr transparent.
Was bedeutet dir Nackheit?
Nacktheit ist für mich vor allem nicht angezogen sein. Darum verstehe ich auch nicht, warum Nacktheit in unserer Gesellschaft derart stark sexualisiert wird. Für seine Nacktheit muss sich niemand schämen. Ich finde es schön, wenn Menschen ihren Körper zeigen.
Schnellen nach deinen Auftritten bei «GNTM» jeweils die Bestellungen bei Maison Blanche in die Höhe?
Ein TV-Auftritt jagt die Klickzahlen auf unserer Website nach oben. Aktuell sind wir jedoch mit der Kreation der neuen Kollektion beschäftigt und deshalb gibt es zurzeit gar nichts zu kaufen. Aber gewisse Dinge mache ich einfach auch, weil ich Heidi Klum gerne mag. Oft ist es auch ein Geben und Nehmen.
Was war eigentlich mit Wolfgang Joop während der «GNTM»-Finalsendung los?
Wie meinst du das?
Im Nachgang zum Final war in den Medien zu lesen, er hätte etwas abwesend gewirkt.
Mir fiel während der Sendung nur auf, dass Wolfgang Joop nicht mehr der Jüngste ist. Er hat sich aber nicht anders verhalten, als Menschen dies in seinem Alter tun.
Kennen gelernt hast du Heidi Klum als Teilnehmer der US-amerikanischen Fashion-Reality-Show «Making the Cut» 2022 auf Amazon Prime. War es Liebe auf den ersten Blick zwischen euch zwei?
Ich kann nur sagen, wie es für mich war. Während der drei Monate, die wir in Los Angeles gedreht haben, hatte ich Angst und Respekt vor Heidi. Ich habe bis am letzten Drehtag immer wieder gezittert, wenn wir uns trafen.
Wieso das?
Irgendwie habe ich schon gespürt, dass Heidi mich mag. Ich wusste, dass sie Mami ist – und Mamis mögen mich meistens. Dass sich später daraus eine Freundschaft entwickeln könnte, hätte ich aber zu Beginn der Dreharbeiten nicht erwartet.
Wie hast du es als Schweizer in eine US-amerikanische TV-Show geschafft?
Ich hatte damals gerade wieder einmal kein Geld mehr und fragte mich, wie ich meine Wohnungsmiete in den nächsten Monaten bezahlen soll, als die Anfrage einer Castingagentur kam. Da dachte ich mir, wenn ich bei «Making the Cut» mitmache, muss ich während dreier Monate keine Miete berappen, kann etwas Werbung machen für Maison Blanche und im besten Fall eine Million US-Dollar für mein Unternehmen gewinnen.
Der beste Fall ist dann auch eingetreten. Was hast du gefühlt, als dich Heidi Klum als Sieger ausrief?
Es war ein surrealer Moment. Und dann fing ich an zu weinen und konnte fast nicht mehr aufhören, weil der ganze Druck von mir abfiel.
Wie viel ist von der Million heute noch übrig?
Gar nichts. Allein 800'000 US-Dollar haben wir in die nächste Kollektion investiert.
Sind die Schweizer eher beliebt oder unbeliebt im Ausland?
Ich denke, gewisse Charaktereigenschaften von uns, etwa Qualität, Präzision und Ordentlichkeit, sind im Ausland sehr beliebt. Manche empfinden uns aber auch als langweilig, weil viele Schweizerinnen und Schweizer brav von Montag bis Freitag arbeiten und nur am Wochenende in den Ausgang gehen.
Welcher typische Schweizer Minderwertigkeitskomplex geht dir auf den Wecker?
Ich höre immer wieder Menschen hierzulande sagen: «Ich habe kein Geld.» Ich frage dann jeweils: Verglichen mit was?
Was hat dich die Teilnahme an der TV-Show «Making The Cut» gelehrt?
Schnelle Entscheidungen zu treffen und mich noch stärker auf die Intuition zu verlassen. Und dass sehr oft der erste Gedanke richtig ist und nichts Besseres dabei herauskommt. Einfach mal machen, nicht nur denken.
Falls ich Investor von Maison Blanche werde, würdest du mir dann auch ein Unikat-Kleid kreieren, so wie du es für Heidi Klum getan hast?
Es ist alles eine Frage der Bedingungen …
… und der Höhe meines Investments, oder?
Sicher auch (lacht).
Am 25. Juni startet auf Netflix die neue Doku-Serie «Kaulitz&Kaulitz». Bekannt ist, dass Heidi Klum, die seit 2019 mit Tokio-Hotel-Musiker Tom Kaulitz verheiratet ist, auch darin vorkommt. Mir kannst du es ja jetzt verraten: Bist du in der Doku auch zu sehen?
Ich bin sicher, mich wirst du in der Doku nicht sehen, denn sonst wäre ich im Versteckten gefilmt worden. Es ist zudem so, dass ich Geschäft und Freundschaft in der Beziehung zu Heidi ganz klar trenne. Will ich etwas Geschäftliches von ihr, gehe ich über ihr Management. Wenn ich Heidi direkt eine Nachricht schreibe, sind es freundschaftliche Dinge.
Du kannst mir demnach kein Interview mit Heidi Klum vermitteln?
Nein – aber du findest die Mailadresse vom Management auf ihrem Instagram-Account.
Was macht einen Menschen attraktiv?
Mir sind Authentizität, Ehrlichkeit, ein liebevoller Charakter und eine positive Energie wichtig.
Was ist Schönheit?
Ähhmmm … Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
Geht es bitte noch etwas konkreter?
Ein Mensch, der von innen nach aussen strahlt, ist besonders schön.
Was hältst du von Schönheits-OPs?
Ich finde, jeder Mensch soll tun und lassen mit seinem Körper, was er will. Ich würde einzig empfehlen, nie etwas am eigenen Körper für jemand anderen zu verändern.
Stimmt die Behauptung, dass deine Kleider nur Menschen mit perfekten Figuren tragen können?
Absolut nicht – wir haben den diversesten Cast, den es in der Modebranche wahrscheinlich gibt. Wir zeigen unsere Kleider genauso an Menschen mit Prothesen oder im Rollstuhl wie auch an korpulenten Personen. Wir zeigen unsere Kleider an grossen und kleinen, aber auch an schwarzen und weissen Menschen.
Wie viele Stunden pro Woche verbringst du im Fitnesscenter?
Bis zu neun Stunden.
Welche Tipps hast du für Menschen, die so fit aussehen wollen wie du?
Ehrlich gesagt, ich gehe nicht nur wegen der Fitness und aus optischen Gründen ins Training, sondern auch, weil mein Kopf eine Pause braucht. Das Fitnesscenter ist für mich psychische Wellness.
Welcher Teil deines Körpers ist dir bis heute fremd?
(Yannik macht komische Bewegungen mit dem Kopf) Jene Körperteile, die ich nicht mit den eigenen Augen sehen kann – also Hinterkopf, Nacken und Rücken.
Wie viele Tattoos sind es mittlerweile?
Ich habe aufgehört zu zählen, aber ich denke, es werden über 30 sein.
Welches ist das letzte Tattoo, dass du dir stechen liessest und welche Bedeutung hat es?
(Überlegt lang) Oh Gott, ich bin nicht sicher, aber wahrscheinlich ist es der Walkman auf der Innenseite meines linken Unterarmes. Ich glaube, ganz viele Menschen der Generation Z wissen nicht mehr, was ein Walkman ist.
Stellst du dir gelegentlich die Sinnfrage?
Ich würde lügen, wenn ich Nein sagen würde. Gleichzeitig möchte ich mich nicht zu lange damit beschäftigen, weil ich glaube, dass es Dinge im Leben gibt, auf die es keine Antwort gibt – auch wenn dies zu akzeptieren mir manchmal schwerfällt.
Wann zuletzt eingeschüchtert gefühlt von der grossen, weiten Welt?
Täglich.
Verschlechtert oder verbessert sich das Zusammenleben von Frauen und Männern gerade?
Vielleicht bin ich etwas zu pessimistisch eingestellt, aber ich habe oft das Gefühl, dass sich vieles immer wiederholt. Oder warum werden verletzende Witze über queere Menschen, die bereits 1970 erzählt wurden, heute immer noch erzählt?
Angst vor dem Älterwerden?
Nein, alles hat ein Ende.
Wann zum letzten Mal geweint?
Am vergangenen Wochenende.
Wann zum letzten Mal einen Lachanfall gehabt?
Das ist auch noch nicht lange her. Ich bin ein Mensch, der gerne in den Emotionen badet.
Wirst du auch einmal laut während der Arbeit?
Wenn ich laut werde, dann vor allem, weil wir es lustig zusammen haben.
Zum Schluss kommt jetzt noch der Talenttest: Schätze jetzt bitte, lieber Yannik, dein Talent von null Punkten, kein Talent, bis zehn Punkte, Supertalent, ein: als Verlierer?
Neun Punkte. Ich musste das aber lernen. Früher war ich ein schlechter Verlierer.
Als Koch?
Neun Punkte. Ich habe zwei Jahre in Asien gelebt. Seither kommt es immer wieder vor, dass mich meine Freunde zum Znacht einladen. Also ich soll dann bei ihnen zu Hause für sie asiatisch kochen (lacht).
Als Schweizer des Jahres?
Fünf Punkte. 2024 habe ich noch nicht so viel erreicht. Ich möchte mir aber auch nicht selber ein Krönchen aufsetzen.