Kanzler Scholz bleibt hartDarum trifft das deutsche Taurus-Nein die Ukraine besonders schwer
tafi
13.3.2024
Scholz bekräftigt «Nein» zu Taurus-Marschflugkörpern für Ukraine
O-Ton Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler: «Die Ukraine weiss das und wir hören immer wieder, wie sehr diese grosse Unterstützung dort auch geschätzt wird. Was das eine Waffensystem betrifft, bin ich der Meinung, dass es nicht angesichts seiner Wirkung, angesichts der Art und Weise, wo es eingesetzt werden kann, nicht ohne Kontrolle genutzt werden kann.»
12.03.2024
Deutschland liefert der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper: Das unterstrich Olaf Scholz einmal mehr. Sein Veto trifft Kiew hart – dabei sind die Argumente des deutschen Bundeskanzlers teils schon widerlegt.
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13.03.2024, 16:23
13.03.2024, 16:25
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Taurus-Marschflugkörper könnten eine entscheidende Rolle in der Verteidigung der Ukraine gegen die russischen Truppen spielen.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz weigert sich allerdings weiterhin, die Präzisionswaffe an Kiew zu liefern. Das machte er am Mittwoch im Bundestag erneut klar.
Scholz steht mit seinem Veto ziemlich isoliert da. Auch seine Argumente wurden weitgehend entkräftet.
Er wolle auch gern den «Stier bei den Hörnern packen», sagte Olaf Scholz am Mittwoch bei einer Befragung durch das Parlament. Dennoch bekräftigte der deutsche Bundeskanzler seine Absage: keine Taurus-Lieferung in die Ukraine. Damit bleiben die Marschflugkörper für Kiew vorerst unerreichbar.
Aber warum setzen die Ukrainer überhaupt so grosse Hoffnungen in die deutsche Waffe? Und warum hält Scholz trotz Gegenwind innerhalb Deutschlands und von verbündeten Nationen an seinem Kurs fest? Halten die Argumente des Kanzlers einer kritischen Überprüfung stand? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten der seit Monaten teils hitzig geführten Taurus-Debatte.
Was ist der Taurus-Marschflugkörper?
Der Taurus ist ein in Deutschland produzierter und von der Bundeswehr sowie Spanien und Südkorea genutzter Marschflugkörper mit höchster Treffsicherheit. Er ist nur fünf Meter lang und einen Meter breit, fliegt in einer Höhe von 50 Metern und ist damit für die gegnerische Flugabwehr schwer zu erfassen.
Weltweit existieren ungefähr 900 Taurus-Einheiten, davon 600 in Deutschland. Von diesen 600 Taurus sind allerdings nur 150 einsatzbereit. Der Stückpreis des Taurus lag bei der Herstellung vor 20 Jahren bei umgerechnet etwa einer Million Franken, heute würde die Produktion das Doppelte bis Dreifache kosten. Derzeit wird der Marschflugkörper nicht produziert.
Wie andere Marschflugkörper der Klasse wurde der Taurus entwickelt um hochwertige Stationäre Ziele zu bekämpfen. Um die Penetrationsleistung des Gefechtskopfes, z.B. gegen Bunker, zu erhöhen, kann der Taurus ein „Pop-up-Manöver“ vollziehen (siehe das Video). 10/12 pic.twitter.com/nUIvR3HESj
Der Taurus kann offiziell Ziele in bis zu 500 Kilometer Entfernung treffen. Expert*innen gehen davon aus, dass sogar noch längere Strecken möglich sind. Die Ukraine könnte mit dem Taurus theoretisch Moskau angreifen. Das plane man aber nicht, beteuert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Wieso will die Ukraine den Taurus unbedingt?
Mit dem extrem kleinen, präzisen und effektiven Marschflugkörper will Kiew russische Nachschublinien weit hinter der Frontlinie zerstören. Auch die Zerstörung von Kommandobunkern und anderer strategisch wichtiger Infrastruktur in Russland könnte der Ukraine einen militärischen Vorteil verschaffen. Trotz eindringlicher Bitten der Ukraine, trotz aller Ratschläge wichtiger Verbündeter und trotz des Widerstands beider Koalitionspartner bleibt der deutsche Bundeskanzler aber eisern bei seinem Nein.
Warum verweigert Olaf Scholz die Taurus-Lieferung?
Schon im Oktober 2023 erteilte Scholz einer Taurus-Lieferung erstmals eine Absage – ohne eine ausführliche Erklärung zu liefern. Die folgte erst am 26. Februar. Der Bundeskanzler befürchtet, dass Deutschland mit einer Lieferung des Taurus in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte.
Weil mit dem Taurus russisches Territorium bis nach Moskau erreicht werden kann, will Scholz die Kontrolle über diese Waffe nicht den Ukrainern überlassen. Aber: Um selbst die Kontrolle zu behalten, müssten sich deutsche Soldaten an der Zielsteuerung beteiligen. Das kommt für Scholz nicht infrage.
Welche Einwände von Olaf Scholz wurden widerlegt?
Die grosse Reichweite ist ein Einwand, der schon im vergangenen Jahr widerlegt wurde. Die Steuerungssoftware des Taurus lässt sich so programmieren, dass die Reichweite eingeschränkt wird und dass Ziele ausgeschlossen werden, sagte etwa Rüstungsexperte Fabian Hoffmann von der Universität Oslo dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Die Eingabe von GPS-Koordinaten auf russischem Territorium könnte dann zu einer Fehlermeldung führen.»
Auch den Einwand, dass deutsche Soldaten für den Einsatz zwingend erforderlich seien, lässt Hoffmann nicht gelten: «Spanien und Südkorea können schliesslich auch ohne Bundeswehrsoldaten die Taurus betreiben.» Ukrainischen Soldaten könnten innert dreier Monate die Software verstehen lernen.
Was sagen die Verbündeten zum Taurus-Veto?
Die Verbündeten sind von der strikten Weigerung nicht begeistert, bleiben in der Kritik aber diplomatisch. Wenn man Frieden wolle, sei es besser, Stärke zu zeigen und seinen Worten Taten folgen zu lassen, fordert der britische Aussenminister James Cameron die deutschen indirekt zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine auf. «Wir legen unseren deutschen Verbündeten diese Punkte dar, aber letztlich müssen sie entscheiden.»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verweist auf das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. «Wir müssen uns daran erinnern, was hier passiert: Das ist ein Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und die Ukraine hat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung.» Dazu gehöre, dass die Nato-Staaten das Recht hätten, die Ukraine bei der Wahrung ihres Rechts auf Selbstverteidigung zu helfen.
Stoltenberg begrüsste es, dass mehrere Alliierte der Ukraine bereits weitreichende Waffensystem liefere. Als Beispiele nannte er die Bereitstellung von Marschflugkörper der Typen Storm Shadow und Scalp durch Grossbritannien und Frankreich. Sie sind ähnlich durchschlagkräftig wie der Taurus, haben allerdings nur eine Reichweite von 250 Kilometern.
Bei der Bedienung bekommt die ukrainische Armee offenbar Unterstützung: Die Briten hätten sogar eigene Leute vor Ort, verriet ein deutscher Offizier in einem abgehörten Gespräch.
Wer unterstützt Olaf Scholz in seiner Taurus-Haltung?
Der deutsche Bundeskanzler ist sowohl innen- als auch aussenpolitisch unter Druck. Unterstützung bekommt er von einigen Parteifreunden, auch die meisten Abgeordneten der Regierungskoalition in Berlin werden sich bei Abstimmungen wohl für den Kanzler-Weg entscheiden.
Die deutsche Bevölkerung ist sogar mehrheitlich auf Kanzler-Linie: In einer aktuellen Umfrage sprechen sich fast 60 Prozent der Befragten gegen eine Taurus-Lieferung an die Ukraine aus.
Wie geht es nach dem neuerlichen Taurus-Nein von Olaf Scholz weiter?
Erst mal wie bisher. Scholz hat nicht zum ersten Mal ein Machtwort gesprochen. «Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das», stellte er kürzlich klar. Allerdings: Sollte sich die Situation im Kriegsgebiet gravierend ändern, könnte er vielleicht doch noch seine Meinung ändern.
Offen ist auch, wie Scholz reagiert, wenn sich die USA für die Lieferung von Marschflugkörpern mit grösserer Reichweite entscheiden. Bisher haben sie der Ukraine knapp zwei Dutzend ihrer ATACMS-Raketen mit einer gedrosselten Reichweite von 165 Kilometern geliefert. Die Ukraine wünscht sich aber ATACMS mit einer Reichweite von 300 Kilometern.
Taurus-Raketen: Ukraine will Einsatz nur auf eigenem Gebiet garantieren
Die Ukraine sichert nach den Worten von Aussenminister Dmytro Kuleba zu, von westlichen Verbündeten gelieferte Waffen nicht auf russischem Gebiet einzusetzen. Unter anderem in Deutschland wird angesichts der Debatte um eine mögliche Lieferung von